Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → FACHMEDIZIN


NEUROLOGIE/840: Neuer Reha-Ansatz hilft bei Parkinson und im Alter (DGKN)


Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) - 17. Februar 2015

Mit Spielkonsole wieder standhaft

Neuer Reha-Ansatz hilft bei Parkinson und im Alter


Tübingen - Videospiele mit Bewegungssteuerung sind ein neuer Therapieansatz zur Sturzprävention bei Menschen mit Parkinson. Mit drei Trainingseinheiten pro Woche sollen diese Fitness-Spiele, sogenannten Exergames, Bewegungsabläufe verbessern und die Freude am Rehabilitations-Training erhöhen. Experten sehen in den Spielen eine flexible und motivierende Ergänzung zur klassischen Physiotherapie. Über Möglichkeiten und Grenzen der Videospiele informiert Dr. med. Matthis Synofzik auf einer Pressekonferenz [1] , die im Rahmen der 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) am 19. März 2015 um 13.30 Uhr in Tübingen stattfindet.

Menschen mit Morbus Parkinson können mithilfe von Exergames verlorene Bewegungsabläufe wieder neu erlernen. Sechs Pilotstudien haben gezeigt, dass Teilnehmer mit Parkinson im Frühstadium ihre Bewegung durch virtuelles Tennis, Bowling, Skislalom oder diverse Balancespiele ähnlich verbessern, wie Kontrollpatienten, die herkömmliche Physiotherapie erhielten. "Dabei machen die Spiele den meisten Teilnehmern mehr Spaß", sagt Dr. Synofzik, Oberarzt und Forschungsgruppenleiter der Abteilung für Neurodegeneration am Universitätsklinikum Tübingen. "Denn sie ermöglichen ein abwechslungsreiches Training, das jederzeit zu Hause, mit Freunden oder dem Ehepartner durchführbar ist." Der Weg zum Reha-Zentrum bleibt den Betroffenen dabei erspart. Das sei ein großer Vorteil für Menschen mit schweren Bewegungsstörungen. "Exergames sollen die Physiotherapie aber nicht ersetzen", betont der Neurologe im Vorfeld der DGKN-Pressekonferenz. Sie seien aber eine empfehlenswerte Ergänzung, die nicht an Verordnungen geknüpft sind, so Synofzik.

Bereits 2012 haben Neurologen gezeigt, dass videospiel-basiertes Rehabilitationstraining zur Sturzprävention bei älteren Menschen beiträgt. Denn das gealterte Gehirn kann Tempo und Ausmaß von Schritten und anderen Bewegungsabläufen schlechter einschätzen als bei jüngeren Menschen. Stolperfallen im Boden entgehen der Aufmerksamkeit, da die Konzentration sich stärker auf das Gehen richten muss. Insbesondere bewegungsgesteuerte Tanzspiele, wie etwa "Dance, dance Revolution" sollen laut einer Studie die Bewegungsnetzwerke im Gehirn wieder fit machen.

Hirnforscher der Universität Tübingen haben zudem kürzlich gezeigt, dass Exergames auch Menschen mit Ataxie helfen - einer Erkrankung, bei der die Nervenzellen im Kleinhirn absterben. Nun wird das Training sogar bei solchen Patienten eingesetzt, bei denen der Krankheitsverlauf bereits so weit fortgeschritten ist, dass sie auf einen Rollator oder Rollstuhl angewiesen sind. Eine größere Kohortenstudie mit derart schwer betroffenen Patienten, unter Leitung von Dr. Synofzik, steht nun kurz vor dem Abschluss.

"Die bisherigen Ergebnisse geben Anlass zu hoffen, dass Exergames einen neuen Reha-Ansatz für eine ganze Reihe neurologischer Erkrankungen bieten - nicht nur im Alter und bei Parkinson, auch bei Multipler Sklerose oder Schlaganfall-Patienten ist ein erfolgreicher Einsatz denkbar", sagt Professor Dr. med. Holger Lerche, Facharzt für Neurologie und Kongresspräsident der 59. Jahrestagung der DGKN. "Dennoch müssen wir die bisherigen Ergebnisse in groß angelegten Studien mit verschiedenen Patientengruppen bestätigen." Außerdem gelte es zu prüfen, welche Spiele für die Patienten in Frage kommen, um die Patientensicherheit zu gewährleisten. "Viele kommerzielle Spiele, bei denen alte Menschen oder Patienten mit Parkinson schnelle Entscheidungen treffen und komplexe Bewegungen ausführen müssen, um Hindernisse zu umgehen, könnten zu risikoreich und vor allem demotivierend sein", erklärt Synofzik. Wie das Reha-Training für Patienten mit neurologischen Erkrankungen und für Senioren in Zukunft aussehen könnte, erklären die DGKN-Experten am 19. März auf der Kongress-Pressekonferenz in Tübingen.


Quellen:

Barry et al. The role of exergaming in Parkinson's disease rehabilitation: a systematic review of the evidence, Journal of NeuroEngineering and Rehabilitation 2014

Synofzik et al. Videogame-based coordinative trianing can improve advanced multisystemic early-onset ataxia, Journal of Neurology 2013 260:2656-2658, doi: 10.1007/s00415-013-7087

De Bruin et al. Feasibility of strength-balance training extended with computer game dancing in older people; does it affect dual task costs of walking?, Journal of Novel Physiotherapies 2011, 1:1

http://dx.doi.org/10.4172/2165-7025.1000104


[1] http://www.dgkn.de/die-dgkn/pressestelle/pressetermine/


Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) ist die medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft für Ärzte und Wissenschaftler in Deutschland, die auf dem Gebiet der klinischen und experimentellen Neurophysiologie tätig sind. Anliegen der DGKN ist es, die Forschung auf diesem Gebiet zu fördern sowie eine qualitätsgesicherte Aus-, Weiter- und Fortbildung zu garantieren. Zu diesem Zweck richtet die DGKN wissenschaftliche Tagungen, Symposien und Fortbildungsveranstaltungen aus. Sie erarbeitet Richtlinien und Empfehlungen für die Anwendung von Methoden wie EEG, EMG oder Ultraschall. Darüber hinaus setzt sich die DGKN für den wissenschaftlichen Nachwuchs ein, indem sie etwa Stipendien und Preise vor allem für junge Forscher vergibt. Die Methoden der klinischen Neurophysiologie kommen Patienten bei der Diagnose und Therapie von neurologischen Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer, Migräne, Epilepsie, Schlaganfall oder Multiple Sklerose zugute.

*

Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN)
Pressemitteilung vom 17. Februar 2015
DGKN Pressestelle, Kathrin Gießelmann
Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart
Berliner Büro: Langenbeck-Virchow-Haus
Luisenstraße 59, 10117 Berlin
Telefon: 0711 8931-981, Fax: 0711 8931-984
E-Mail: giesselmann@medizinkommunikation.org
Internet: www.dgkn.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Februar 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang