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NEUROLOGIE/598: Multiple Sklerose - Neue therapeutische Ansatzpunkte (forsch/Uni Bonn)


forsch 4/2009 - November 2009
Bonner Universitäts-Nachrichten

Neue therapeutische Ansatzpunkte
Studie zu Multipler Sklerose mit vielversprechenden Ergebnissen

Von Frank Luerweg


Ein Team unter Federführung der Universität Bonn hat einen neuen Ansatzpunkt zur Bekämpfung von Autoimmunkrankheiten identifiziert. Dazu zählt beispielsweise die Multiple Sklerose. Durch Aktivierung eines bestimmten Moleküls konnten die Forscher den Verlauf dieser Krankheit in Mäusen erheblich verlangsamen. Dabei nutzten sie ein Medikament, das beim Menschen bereits zur Behandlung von Diabetes Typ II zugelassen ist.


Die Multiple Sklerose zählt zu den Autoimmunkrankheiten. Bei ihnen wendet sich das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen. Seit einigen Jahren kennt man die Hauptschuldigen für diese fehlgeleitete Abwehrreaktion: Es handelt sich um eine bestimmte Gruppe der so genannten T-Helferzellen. Ihnen ist gemeinsam, dass sie den Entzündungs-Botenstoff Interleukin 17 produzieren. Daher werden sie auch TH17-Zellen genannt.

Das Team um Dr. Luisa Klotz und Professor Dr. Percy Knolle hat nun einen neuen Weg gefunden, die Bildung der "bösen" Immunzellen zu verhindern. Denn diese entstehen gewissermaßen auf Zuruf: Auf ein spezifisches Signal hin werden bestimmte Vorläuferzellen so programmiert, dass sie sich zu TH17-Zellen entwickeln.

Die Forscher aus Bonn, Mainz, Paris und San Diego haben nun einen "molekularen Aufseher" identifiziert, der diesen Prozess kontrolliert. Denn zu viele TH17 Zellen sind schädlich. "Es handelt sich dabei um das so genannte PPAR-Gamma", erklärt Dr. Luisa Klotz. "Wenn wir dieses Molekül gezielt in Immunzellen aktivieren, entstehen weniger TH17-Zellen."

Was die Entdeckung besonders interessant macht: Es gibt bereits zugelassene Medikamente, die PPARGamma aktivieren. Sie werden beim Menschen zur Behandlung von Typ II-Diabetes eingesetzt, da sie bei Kranken die Wirkung von Insulin im Körper verstärken. "Wir haben mit einem dieser Medikamente Mäuse behandelt, die an einer Krankheit ähnlich der Multiplen Sklerose litten", erläutert Luisa Klotz. "Die Krankheit verlief bei ihnen daraufhin deutlich milder."

In Zellkulturen von Multiple Sklerose-Patienten bewirkte dasselbe Medikament einen starken Rückgang der TH17-Zellzahl. Die Ergebnisse seien vielversprechend, betont Klotz. "Da der Wirkstoff schon lange zugelassen ist, wissen wir zudem, dass die Aktivierung von PPAR-Gamma keine unerwünschten Effekte hat." Denn PPAR-Gamma wirkt sehr selektiv: Es hemmt ganz spezifisch die Entstehung der TH17-Zellen. Die Bildung anderer Immunzellen beeinflusst es dagegen kaum.


Wanted: Neue Wirkstoffe

Die Diabetes-Medikamente seien allerdings für eine MS-Behandlung kaum brauchbar, relativiert die Bonner Medizinerin vom Institut für Molekulare Medizin: Einerseits aktivieren sie PPAR-Gamma nicht stark genug, und andererseits beeinflussen sie auch die Wirkung von Insulin. "Das ist natürlich bei Multipler Sklerose nicht erwünscht", sagt Dr. Luisa Klotz. Es gebe aber bereits neue Wirkstoffe, die diese unerwünschten Effekte nicht hätten. Diese seien allerdings noch nicht zugelassen. Die Bonner Forscher wollen nun die Entwicklung hochspezifischer Wirkstoffe weiter vorantreiben.


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Quelle:
forsch - Bonner Universitäts-Nachrichten Nr. 4, November 2009,
Seite 20
Herausgeber:
Rektorat und Senat der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
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forsch erscheint viermal pro Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2010