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ORTHOPÄDIE/277: Neuer Nagel läßt verkürzte Beine bis zu acht Zentimeter wachsen (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 16.03.2009

Neuer Nagel lässt verkürzte Beine bis zu acht Zentimeter wachsen

Unfallchirurgen des Uniklinikums Jena gleichen mit Spezialverfahren Beinverkürzungen aus


Jena. Mit einem intelligenten implantierbaren Nagel verlängern die Unfallchirurgen des Universitätsklinikums Jena (UKJ) verkürzte Beine unsichtbar und schmerzfrei. Bis zu acht Zentimeter neues Knochengewebe kann so in drei Monaten gewonnen werden - durch die Nutzung einfacher Alltagsbewegungen als Motor für den implantierten Verlängerungsmechanismus. Jetzt wird dieses moderne Operationsverfahren auch durch die Krankenkassen übernommen.

Knochen neu wachsen zu lassen ist eine der großen Herausforderungen für Unfallchirurgen und Orthopäden. Vor dieser stehen sie beispielsweise, wenn es eine einseitige Verkürzung der Beine zu beheben gilt. Solch ein Längenunterschied kann über zehn Zentimeter betragen und mehrere Ursachen haben: Eine Erkrankung wie ein Knochentumor, eine angeborene Fehlbildung oder zerstörtes Knochengewebe nach einem Unfall. Ist der Längenunterschied zwischen dem gesunden und dem verkürzten Bein größer als zwei bis drei Zentimeter, müssen die Betroffenen langfristig mit größeren Problemen mit der Wirbelsäule, der Hüfte und den Gelenken rechnen, die auch mit orthopädischen Einlagen oder Schuhen nicht optimal behoben werden können.

Abhilfe schafft ein chirurgischer Eingriff, der die Fähigkeit der Knochen zu neuem Wachstum nutzt: Der zu kurze Knochen wird durchtrennt und über einen längeren Zeitraum kontinuierlich auseinander gezogen, so dass sich in dem Spalt neues Knochengewebe bildet. Bis vor einigen Jahren war dazu der monatelange Einsatz eines sperrigen "Metallkäfigs", eines sogenannten Fixateur externe, notwendig. "Heute können wir durch die Implantation eines intelligenten Marknagels eine schnelle und elegante Beinverlängerung erreichen", erklärt Prof. Dr. Dr. Gunther Hofmann, Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am UKJ die Fortschritte in diesem Bereich. Statt großer Narben sind nur kleine Schnitte nötig, um den Marknagel in den Knochen einzusetzen. "Durch einen inneren Verlängerungsmechanismus dehnt sich der Nagel nach genauen Vorgaben immer weiter aus und sorgt so für einen ständigen Längengewinn für den operativ durchtrennten Knochen", erläutert Oberarzt PD Dr. Thomas Mückley den Mechanismus. Ausgelöst wird der Transport durch die Nutzung der bei Alltagsbewegungen ganz automatisch auftretenden Zugkräfte. "Damit kann pro Tag faktisch unbemerkt ein Millimeter neuer Knochen gewonnen werden, so dass wir in 70 Tagen sieben Zentimeter Längenzuwachs erreichen können".

Millimetergenau kann der neue Nagel der zweiten Generation eingestellt werden, der am UKJ ca. zehnmal im Jahr implantiert wird. Etwa die Hälfte der Patienten sind Unfallopfer, alle Altersgruppen zwischen 20 und 50 sind vertreten. Dank dem modernen Operationsverfahren verhilft ihnen der Verlängerungsnagel nach einem minimal invasiven, nur zweistündigen Eingriff oft wieder zu einer völligen Bewegungsfreiheit.

Für den Erfolg ist aber auch die aktive Mitarbeit der Patienten gefragt: "Zuhause muss mit einem speziellen Monitor die täglich erreichte Verlängerung und damit der Fortschritt kontrolliert werden", so Mückley. Denn ein Zuviel ist schädlich - Knochen, Haut und Nerven könnten dann nicht nachwachsen. Nach etwa zwei Jahren ist das neue Knochengewebe stabil verknöchert und der Nagel wird wieder entfernt. "Ein Vorteil des Verfahrens besteht darin, dass es nach einiger Zeit auch wiederholt werden kann, wenn die Verkürzung mehr als die zu erreichenden acht Zentimeter beträgt", sagt Prof. Hofmann. Er hofft, dass jetzt mehr Betroffene als bisher von dem neuen Verfahren profitieren können, denn "seit diesem Jahr wird diese Beinverlängerung auch von den Kassen übernommen". Das eröffne viele neue Möglichkeiten für Patienten, die seit Jahren mit einer Beinverkürzung leben.


Weitere Informationen finden Sie unter:
http://www.uniklinikum-jena.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image87067
PD Dr. Thomas Mückley (links) und Prof. Dr. Dr. Gunther Hofmann (rechts) präsentieren den Marknagel.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Helena Reinhardt, 16.03.2009
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2009