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PSYCHOSOMATIK/157: Der Einfluss von Emotionen und Denkweisen auf die Gesundheit (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 07.06.2016

Emotionen und Gesundheit: Internationales Alumniprojekt

Das internationale Alumniprojekt 2016 der Universität Würzburg befasst sich vom 14. bis 16. Juni mit dem Thema "The role of emotions for health during the lifespan". Die Vorträge stehen allen Interessierten offen.


20 Ehemalige der Universität Würzburg aus den Fächern Psychologie und Medizin haben sich für die Teilnahme am internationalen Alumniprojekt 2016 angemeldet. Sie kommen aus Südafrika und Tansania, Brasilien und Argentinien, China und Japan, aus den USA, Israel und der Türkei sowie aus europäischen Ländern.

An der Uni Würzburg werden sie sich vom 14. bis 16. Juni 2016 über das Thema "The role of emotions for health during the lifespan" austauschen. Die Vorträge laufen in englischer Sprache und sind öffentlich. Das Programm steht im Internet hier:
go.uniwue.de/roleofemotions

Förderer und Organisation

Gefördert wird das Alumniprojekt vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) aus Mitteln des Auswärtigen Amts. Die Organisation liegt beim Alumnibüro; das fachliche Programm haben die Professoren Paul Pauli (Lehrstuhl für Psychologie I - Biologische Psychologie, Klinische Psychologie und Psychotherapie) und Jürgen Deckert (Leiter der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie) zusammengestellt.

Fragen an Paul Pauli und Jürgen Deckert

Michaela Thiel, Leiterin des Alumnibüros, hat den Professoren im Vorfeld des Treffens einige Fragen gestellt.

- In der Gesellschaft ist die Meinung, dass Gefühle und Denkweisen einen Einfluss auf unsere Gesundheit haben können, stark verbreitet. Inwiefern können Sie das aus der Forschungsperspektive bestätigen?

Jürgen Deckert / Paul Pauli: Gefühle und Denkweisen können unsere Gesundheit direkt und indirekt beeinflussen. Der indirekte Weg geht über das Verhalten. Es gibt vielfache Belege, dass Emotionen unser Verhalten beeinflussen, und Verhalten ist natürlich für die Gesundheit entscheidend. Beispielsweise kann Angst die Durchführung einer Vorsorgeuntersuchung verhindern. Freude und Lust auf Süßigkeiten können zur Gewichtszunahme führen, und Wut zu unüberlegtem, selbstgefährdenden Verhalten. Aber es gibt auch einen direkten Weg. Bestimmte Emotionen wie eine starke Angst gehen zum Beispiel mit physiologischen und hormonellen Veränderungen einher, die direkt auf die Funktionsfähigkeit von Organen wirken und auch das Immunsystem beeinflussen, somit direkt auf den Gesundheitszustand wirken. So haben Patienten mit Angststörungen und Depressionen bei nicht ausreichender Behandlung ein erhöhtes Risiko, später Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu bekommen.

- Haben Sie sich in Ihrer Forschung in Bezug auf bestimmte Gefühle einen Schwerpunkt gesetzt? Wenn ja, warum?

Paul Pauli: Meine Forschung fokussiert auf Angst und Furcht, zum einen weil diese Emotion unser Verhalten sehr stark beeinflusst, zum anderen, weil Angststörungen die häufigsten psychischen Störungen sind.

Jürgen Deckert: Angststörungen sind für einen klinisch tätigen Arzt auch deswegen so wichtig, weil sie nicht selten Vorläufer für Depressionen sind, die nach Einschätzung der WHO in 2020 weltweit die Erkrankung sein werden, die die Menschen im mittleren Lebensalter am meisten beeinträchtigen und nicht selten stationär behandelt werden müssen. Eine rechtzeitige Erkennung und Behandlung von Angststörungen könnte wahrscheinlich viele Depressionen später im Leben verhindern helfen.

- Steigt die Anzahl der Phobiker, ganz allgemein gesprochen, und was sind Gründe dafür?

Paul Pauli: Nein, die Anzahl von Personen mit Angststörungen hat sich bei uns in den vergangenen Jahren nicht verändert.

Jürgen Deckert: Allerdings suchen die Betroffenen eher eine Behandlung und sind auch eher bereit, darüber zu sprechen. Auch in den Medien wird heute mehr darüber berichtet.

- Man spricht von einer generell gestiegenen Angst in der Gesellschaft, zum Beispiel durch potentielle Terroranschläge, aber auch ganz allgemein. Fließen solche Trends ebenfalls in Ihre Forschung ein und falls ja, in welcher Weise?

Paul Pauli: Besondere Ereignisse, zum Beispiel Kriege oder Umweltkatastrophen, erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass man traumatische Erlebnisse hat, und somit auch das Risiko für eine Angsterkrankung. Der Zusammenhang zwischen solchen traumatischen Lebensereignissen und der Entstehung einer Erkrankung ist Teil meiner Forschung.

Jürgen Deckert: Traumatische Lebensereignisse sind allerdings eher selten. Bei den meisten Angststörungen sind es eher häufige Lebensereignisse, die als Stress erlebt werden, wie Trennungen oder Verluste, und die in der Wechselwirkung mit individueller Veranlagung zur Entstehung von Angsterkrankungen beitragen können. Diese Wechselwirkung zwischen Umwelt und Genen zu ergründen, ist das zentrale Thema unserer Forschung.

- Was begeistert Sie besonders an Ihrer Arbeit?

Paul Pauli: Dass jeder Emotionen kennt und erlebt hat und dass sie für viele oft richtungsweisende Konsequenzen haben. Gleichzeitig sind die Entstehung und Grundlagen von Emotionen noch kaum verstanden.

Jürgen Deckert: Besonders spannend ist es, Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in der Therapieforschung umzusetzen. Das ist in der Vernetzung zwischen dem Sonderforschungsbereich TR58 "Furcht, Angst und Angsterkrankungen", dem Graduiertenkolleg "Emotions" und den Psychotherapie-Netzwerken PanikNetz und Protect-AD beispielhaft und weltweit einmalig möglich.

- Warum ist die Vernetzung mit internationalen Alumni wichtig?

Paul Pauli: Forschung zum Thema Angst ist komplex, da soziale, psychologische und biologische Faktoren, die in einer komplexen Interaktion zueinander stehen, entscheidend für die Entstehung von Angststörungen sind. Expertise in einem Fachgebiet genügt hier also nicht. Unser Forschungsgebiet ist auf Kooperationen angewiesen, und internationale Alumni sind optimale Kooperationspartner.

Jürgen Deckert: Ohne die Zusammenarbeit zwischen Fachleuten der verschiedensten Fachdisziplinen, zum Beispiel Psychiatrie, Psychologie, Molekularbiologie und Elektrophysiologie, ist Fortschritt auf unserem Forschungsgebiet nicht möglich. Bei hochspeziellen Fragestellungen geht dies nur international, und hier sind Alumni oft die ersten Ansprechpartner und Brückenbilder. Beispiel ist ein gemeinsames DAAD-Projekt mit Kollegen aus dem ehemaligen Jugoslawien zur posttraumatischen Belastungsstörung, das über einen Alumnus vermittelt wurde.


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.alumni.uni-wuerzburg.de
Zur Homepage des Alumni-Netzwerks

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution99

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Robert Emmerich, 07.06.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juni 2016

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