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SPORTMEDIZIN/221: Sport- und Bewegungstherapie für chronisch Herzkranke - Teil 2 (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 12/2009

Positive Auswirkungen körperlicher Aktivität
Update zur Sport- und Bewegungstherapie

Zweiter Teil der Serie von Prof. Kolenda und Stefan Maurer zur Sport- und Bewegungstherapie für chronisch Herzkranke.


Aufgrund der genannten Untersuchungen, insbesondere des Ergebnisses der Ergometrie, lassen sich die Patienten je nach Dauerbelastbarkeit einer von drei möglichen Belastungsgruppen zuordnen: einer Trainings-, Übungs- oder Hockergruppe.

Für die Teilnahme an einer Trainingsgruppe ist eine Dauerbelastbarkeit von mindestens 1 Watt/kg Körpergewicht erforderlich. Das bedeutet, dass die maximale ergometrische Leistungsfähigkeit bei einem 75 kg schweren Patienten mindestens 1 Min./125 Watt betragen muss. Darüber hinaus darf keine ins Gewicht fallende kardiale Funktionseinschränkung bestehen (Abbildung 3).

Voraussetzung für die Teilnahme an einer Übungsgruppe ist eine Dauerbelastbarkeit von mindestens 0,5 Watt/kg Körpergewicht. Ein 75 kg schwerer Patient muss also eine maximale ergometrische Leistungsfähigkeit von mindestens 1 Min./100 Watt aufweisen und die in Abbildung 3 aufgeführten körperlichen Voraussetzungen erfüllen.

Patienten mit einer geringeren Dauerbelastbarkeit als 0,5 Watt/kg Körpergewicht und/oder gravierenden Begleiterkrankungen, die eine Teilnahme an einer Übungsgruppe nicht ermöglichen, werden einer Hockergruppe zugeteilt. Voraussetzung ist das Fehlen einer Angina pectoris in Ruhe (Abbildung 3).


Abb. 3: Bedingungen für die Teilnahme an einer Trainings-, Übungs- und Hockergruppe

Trainingsgruppe
Dauerbelastbarkeit mind. 1 Watt/kg Körpergewicht
Keine Herzvergrößerung, keine linksventrikuläre Funktionsstörung
Kein Herzwandaneurysma/großer Vorderwandinfarkt
Keine Herzinsuffizienz in Ruhe oder bei Belastung
Keine Angina pectoris oder stumme Ischämie unter Belastung
Herzrhythmusstörungen, gut behandelbar
Hypertonie: in Ruhe gute Einstellung bei Belastung < 210/110 mm Hg -
Keine gravierenden Begleiterkrankungen

Übungsgruppe
Dauerbelastbarkeit 0,5-1 Watt/kg Körpergewicht
Keine Herzinsuffizienz und keine Angina pectoris in Ruhe oder bei leichter Belastung
Höchstens leicht- bis mäßiggradige Herzvergrößerung bzw. linksventrikuläre Funktionsstörung
Herzrhythmusstörungen, gut behandelbar
Hypertonie: in Ruhe < 200/100 mm Hg bei Belastung < 210/110 mm Hg
Keine gravierenden Begleiterkrankungen

Hockergruppe
Dauerbelastbarkeit < 0,5 Watt/kg Körpergewicht
Gravierende Begleiterkrankungen, die die Teilnahme in der Übungsgruppe nicht möglich machen

Inhalte der Sport- und Bewegungstherapie in Hocker-, Übungs- und Trainingsgruppe

In der Hockergruppe werden gymnastische Koordinations-, Flexibilitäts- und leichte lokale Kräftigungsübungen auf entsprechend niedrigem Belastungsniveau weitgehend im Sitzen durchgeführt. Dazu kann auch ein leichtes Krafttraining an Geräten im Rahmen einer medizinischen Trainingstherapie gehören. Zusätzlich können kleine Spiele zur Verbesserung der Koordination und Reaktionsschnelligkeit sowie Körperwahrnehmungs- und entspannungsübungen in die Bewegungstherapiestunde eingebaut werden. Ein Ergometertraining bietet auch diesen wenig belastbaren Patienten die Möglichkeit eines Ausdauertrainings mit geringer Intensität. Gemeinsame Spaziergänge stellen für diesen Personenkreis häufig schon eine erhebliche Belastung dar (Abbildung 4).


Abb. 4: Inhalte der Sport- und Bewegungstherapie in Hocker-,
Übungs- und Trainingsgruppen; MTT: Medizinische Trainingstherapie
Hockergruppe
(<0,5 Watt/kg)
Übungsgruppe
(0,5-1 Watt/kg)
Trainingsgruppe
(>1 Watt/kg)
Gymnastik
Gymnastik
Gymnastik
(Koordination,
Flexibilität,
leichte
Kräftigung)
(Koordination,
Flexibilität,
Kraft)

(Koordination,
Flexibilität,
Kraft)

MTT
MTT
MTT
Kleine Spiele


Kleine Spiele/
Modifizierte
Sportspiele
Kleine Spiele/
Modifizierte
Sportspiele
Körperwahrnehmung
Körperwahrnehmung
Körperwahrnehmung
Entspannung
Entspannung
Entspannung
Ergometertraining
Ergometertraining
Ergometertraining
Spaziergänge





Wanderungen
Radtouren
Bewegungsbad
evtl. Schwimmen
Nordic Walking

Wanderungen
Radtouren
Bewegungsbad
Schwimmen
Lauftraining oder
Nordic Walking
Atemgymnastik
Atemgymnastik
Atemgymnastik
Taiji/Qigong

Taiji/Qigong
Yoga
Taiji/Qigong
Yoga

Hockergruppen gibt es im stationären Bereich in den meisten Reha-Kliniken. Im ambulanten Bereich werden jedoch bis heute leider nur wenige Gruppen für diese schlecht belastbaren Herzpatienten angeboten.

Die weitgehend ähnlichen Therapieinhalte der Übungs- und Trainingsgruppen unterscheiden sich vor allem durch die Intensität der Belastungen: unter 1 Watt/kg Körpergewicht für die Übungsgruppe und mindestens 1 Watt/kg für die Trainingsgruppe (Abbildung 4). Dies soll auch durch die unterschiedlichen Bezeichnungen der beiden Gruppen deutlich werden. In der "Übungs-"Gruppe werden die Übungen so dosiert, dass es zu Anpassungen in der Peripherie kommt, in der "Trainings-"Gruppe werden durch Training neben peripheren auch zentrale Anpassungen angestrebt(2,3,8,45). Diese begriffliche Trennung setzt einen wichtigen Fokus auf eine differenzierte Belastungsdosierung bei der Gruppeneinteilung.

In der Literatur wird allerdings häufig unter dem Begriff "Training" die körperliche Aktivität aller Belastungsgruppen und -intensitäten zusammengefasst. Außerdem ist es nicht einfach, genau festzulegen, wann das Üben aufhört und das Training beginnt. "Übt" oder "trainiert" ein Patient der Übungsgruppe, wenn er sich mit 60-70 Prozent seiner maximalen Leistungsfähigkeit beim Ergometer-"Training" belastet? Und welche Anpassungen werden dann erzielt? Entscheidend ist vor allem die im Belastungs-EKG ermittelte Belastbarkeit (< 1 Watt oder > 1 Watt/kg Körpergewicht) und die sich daraus ergebende Trainings- bzw. Richtpulsfrequenz jedes einzelnen Gruppenteilnehmers (vgl. Abbildung 2/SHÄ 11/2009). Übungsleiter und Sporttherapeuten müssen die Belastungen der Sport- und Bewegungstherapie dieser individuellen Belastbarkeit anpassen. Dies ist umso schwerer, aber auch wichtiger, wenn aus pragmatischen und organisatorischen Gründen gerade im ambulanten Bereich gemischte Übungs- und Trainingsgruppen durchgeführt werden.

Neben Übungen zur Verbesserung von Koordination, Flexibilität, Körperwahrnehmung und Entspannungsfähigkeit werden im Rahmen der medizinischen Trainingstherapie die Übungen zur Verbesserung der Kraft möglichst dynamisch als ein Kraftausdauertraining mit 30-50 Prozent MVC (max. willkürliche Muskelkontraktion) bzw. 1-RM (One-Repetition-Maximum) mit 15-20 Wiederholungen und 1-3 Serien durchgeführt. Dabei sollte auch die letzte Wiederholung korrekt und ohne Pressatmung mit einem mittleren Belastungsempfinden von 11-15 nach der Skala von Borg(73) ausgeführt werden können. Sehr gut belastbare Patienten der Trainingsgruppe können nach einer gewissen Zeit auch ein Muskelaufbautraining mit 40-60 Prozent bzw. sogar 50-80 Prozent MVC bzw. 1-RM mit 8-15 Wiederholungen, 1-3 Serien, einem ebenfalls mittleren Belastungsempfinden und ohne Pressatmung absolvieren. Diese Dosierungsempfehlungen der Arbeitsgruppe "Herz und Kreislauf" des Deutschen Verbandes für Gesundheitssport und Sporttherapie (DVGS)(74) und der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen e. V. (DGPR)(75) lassen sich im Rahmen der medizinischen Trainingstherapie an Geräten sehr gut umsetzen, weil die Übungen durch die Möglichkeit einer exakten Gewichtseinstellung sehr gut dosier- und steuerbar sind.

Schwieriger zu dosieren sind die Kräftigungsübungen im Rahmen der Gymnastik, in die Thera-Bänder und Hanteln eingebaut werden können. Hier spielen unter anderem auch Körpergewicht und Schwerkraft eine entscheidende und nicht beeinflussbare Rolle. Aber auch für diese gymnastischen Übungen gelten die oben genannten Empfehlungen zum Krafttraining. Deshalb müssen die Übungen sorgfältig ausgesucht werden. Unter Umständen muss der Übungsleiter oder Therapeut bestimmte Patienten ermutigen, Übungen bewusst auszulassen.

Krafttraining stellt aufgrund der im Vergleich zum allgemeinen Ausdauertraining kleinen Muskelmasse und kurzen Belastungszeiten in erster Linie eine Belastung für die Peripherie (Skelettmuskulatur, passiver Bewegungsapparat) mit geringeren Herzfrequenzanstiegen dar. Deshalb ist die Herzfrequenz als alleiniges Kriterium zur Belastungssteuerung ungeeignet. Ein trotz eines subjektiven Anstrengungsgefühls geringer Anstieg der Herzfrequenz kann sogar zur Fehleinschätzung der Belastung führen. Weil im Krafttraining bei falscher Dosierung insbesondere der Blutdruck erheblich ansteigen kann, müssen Wiederholungszahl, Belastungsempfinden, Atmung und Bewegungsausführung zur Steuerung gezielt eingesetzt werden(73-78).

Beim Spiel reagiert die Herzfrequenz ganz anders als beim Krafttraining. Wie kaum ein anderes Element der Sport- und Bewegungstherapie beinhaltet das Spiel die Gefahr einer Überlastung und kann zu überhöhten Herzfrequenzanstiegen führen. Gleichzeitig ist das Spiel aber auch für viele Patienten aufgrund seines hohen, auf Spaß und Freude begründeten Aufforderungscharakters eine wichtige Motivation für die Teilnahme an einer Herzgruppe. Es bietet dem ängstlichen Patienten die Möglichkeit, durch Konzentration nach außen und Freude am Spiel die Angst zu "vergessen" bzw. abzulegen. Und es bietet Hilfe zur Selbsterkenntnis, wenn die für einen Herzpatienten typischen und krank machenden Verhaltensweisen (z. B. Überforderung, Konkurrenzverhalten, übermäßig ausgeprägte Leistungsorientierung) im Spiel auftauchen, infrage gestellt und im Gespräch erörtert werden. Der Therapeut/Übungsleiter hat einerseits die Aufgabe, die Regeln eines Spieles so zu gestalten, dass das Überlastungsrisiko gering bleibt. Andererseits sollten die Regeln die Freiheit und Kreativität im Spiel nicht einschränken und die Patienten nicht aus ihrer Verantwortung für sich selbst entlassen.

Neben den so genannten kleinen Spielen eignen sich hierfür auch einige modifizierte große Sportspiele. Aus Badminton wird Federball, aus Volleyball wird Ball über die Schnur. Außer diesen Spielen ohne direkten Gegnerkontakt lassen sich in einer Trainingsgruppe sogar Basketball oder Unihockey durch entsprechende das Spielverhalten beruhigende Regeln durchführen (der Ball besitzende Spieler darf nicht mit dem Ball laufen; Vermeidung von Gegnerkontakt durch Einrichtung von Spielfeldzonen, die nicht verlassen oder betreten werden dürfen). Diese Spiele sind ohne eine entsprechende Aufbereitung für die Sport- und Bewegungstherapie völlig ungeeignet, weil die Patienten durch die unkontrollierbaren Spielsituationen zwangsläufig einem hohen Überlastungsrisiko ausgesetzt wären(5,71,76,78) (Abbildung 6).

Besser geeignet sind die Ausdauersportarten und -bewegungsformen, die sich durch einen zyklischen, rhythmischen, gleichmäßigen und gut steuerbaren Bewegungsablauf auszeichnen (Abbildung 5 und 6). Die in Abbildung 5 vorgenommene Zuordnung verschiedener Ausdauerbelastungen zu einem entsprechenden in Watt bezifferten Belastungsbereich soll eine Hilfe bei der Bewertung im Hinblick auf die Eignung für die unterschiedlichen Belastungsgruppen sein. Diese muss jedoch auf die individuellen Voraussetzungen jedes einzelnen Patienten überprüft und relativiert werden.


Abb. 5: Dauerbelastung in Watt bei verschiedenen Bewegungsformen in Therapie und Freizeit/Alltag

25-50 Watt:
- Gehen in der Ebene (3 - 4 km/h)

50-75 Watt:
Gehen in der Ebene ( 4 - 5 km/h)
Gehen bei 10 Prozent Steigung (2,5 km)
Walking
Leichtes Nordic Walking
Radfahren in der Ebene (10-14 km/h)
Evtl. langsames Schwimmen (gute Technik/gute linksventrikuläre Funktion)
Golf (ebenes Gelände)

75-100 Watt:
- Gehen in der Ebene (6-8 km/h)
- Nordic Walking
- Langsamer Dauerlauf (Jogging)
- Radfahren in der Ebene (15-18 km/h)
- Schwimmen (langsam/gute Technik)
- Skiwandern
- Wanderrudern
- Treppensteigen (mehrere Stockwerke mit Pausen)

Über 100 Watt:
- Zügiger Dauerlauf (Jogging) (8-9 km/h)
- Radfahren in der Ebene (19-21 km/h)
- Schwimmen (zügig/schlechte Technik)
- Skilanglauf
- Rudern
- Treppensteigen (mehrere Stockwerke ohne Pausen)


Ein Ausdauertraining kann je nach kardiopulmonaler Belastbarkeit, Erkrankungen des Bewegungsapparates und individueller Neigung als Lauftraining, Walking oder Nordic Walking, Ergometer- oder Radfahrtraining und Schwimmtraining durchgeführt werden. Insbesondere das Nordic Walking hat sich in den letzten Jahren zu einer hervorragenden Alternative zum Lauftraining entwickelt. Diese gelenkschonende Bewegungsform bietet neben einem ähnlich hohen Kalorienverbrauch durch den Ganzkörpereinsatz auch ein hohes Maß an individueller Belastungsdosierung und ist damit sowohl für die Übungs- als auch für die Trainingsgruppe geeignet(79) (Abbildung 5 und 6).


Abb. 6: Eignung verschiedener Sportarten für Patienten von Übungs- und Trainingsgruppen

Geeignete Sportarten

Trainingsgruppe
Lauftraining/Jogging
Wandern
Nordic Walking
Gymnastik
Krafttraining/MTT
Ergometertraining
Radfahren
Wassergymnastik
Schwimmen (ohne Tauchen)
Skilanglauf
Inlineskating
Federball
Volleyball, Faustball (mit Regeländerung, ohne Wettkampfcharakter)
Golf
Reiten
Kegeln (ohne Pressatmung)
Tanzen/Bewegung nach Musik

Übungsgruppe
Spazierengehen
Wandern
Walking/Nordic Walking
Gymnastik
Krafttraining/MTT
Ergometertraining
Radfahren/Radeln (Ebene)
Wassergymnastik (bei geringgradig eingeschränkter linksventrikulärer Funktion)
Inlineskating
Golf (ebenes Gelände)
Reiten (leichter Trab)
Tanzen/Bewegung nach Musik

Bedingt geeignete Sportarten

Trainingsgruppe
Tischtennis (ohne Wettkampfcharakter)
Volleyball (evtl. auch ohne Regeländerungen)
Basketball/Unihockey (mit grundlegenden Regeländerungen)
Abfahrt-Ski (ohne Abfahrtshocke, leichte Abfahrten, nicht über 2000 m Höhe)
Wanderrudern
evtl. Tennis-Doppel
evtl. Badminton-Doppel
evtl. Surfen (geringe Windstärke, gute Technik)

Übungsgruppe
Kegeln (ohne Pressatmung)
evtl. Tischtennis (ohne Wettkampfcharakter)
Volleyball, Faustball (mit Regeländerungen, ohne Wettkampfcharakter)
Skiwandern (wenige, geringe Steigungen)
evtl. langsames Schwimmen (bei leicht eingeschränkter linksventrikulärer Funktion und guter Technik)

Ungeeignete Sportarten

Trainingsgruppe
Kraftsport
Abfahrt-Ski (schwere Abfahrten über 2000 m Höhe)
Tennis-Einzel
Badminton/Squash
(Wettkampf-)Rudern/Paddeln
Handball, Basketball, Fußball

Übungsgruppe
Kraftsport
Abfahrt-Ski
Surfen
Tennis
Badminton/Squash
Handball, Basketball, Fußball

Die Belastung beim Schwimmen hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab und lässt sich noch schwerer als andere Ausdauersportarten einer Wattbelastung zu ordnen. Beim Eintauchen ins Wasser kommt es durch den hydrostatischen Druck auf die subkutanen Blutgefäße (Venen) zu einer Blutvolumenverschiebung in den Thorakalraum. Die Blutvolumenverschiebung kann bis zu 700 ml betragen, wodurch das enddiastolische Herzvolumen im Wasser um 120-180 ml zunehmen kann. Dies führt zu einer verstärkten Vordehnung des Myokards und zu einer Erhöhung des Schlagvolumens, die mit einer Verlangsamung der Herzfrequenz (Tauchbradykardie) einhergeht(5,80,81).

Bücking(82) und Meyer(83) ermittelten bei Patienten mit mäßig schwerem bis schwerem Myokardinfarkt bei halstiefer Immersion in aufrechter Körperposition pathologische mittlere Pulmonalarteriendrücke (PAPm) und mittlere Pulmonalkapillardrücke (PCPm). Bei langsamem Schwimmen (20-25 m/min) wurden höhere PAPm-Werte und PCPm-Werte gemessen als bei einer LiegendFahrradergometrie mit einer Belastung von 100 Watt. Bei Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz zeigte sich während halstiefer Immersion eine Abnahme bzw. ausbleibende Steigerung des Schlagvolumens, was auf eine linksventrikuläre Volumenüberlastung hinweist, obwohl sich die Patienten überwiegend wohl fühlten(83). Die Autoren schlussfolgern aus diesen Ergebnissen, dass Patienten mit einem schweren Myokardinfarkt und einer schweren Herzinsuffizienz an einer Wassergymnastik bei aufrechter Körperposition und einer Eintauchtiefe bis unterhalb des Xiphoids teilnehmen dürfen. Schwimmen sei jedoch nur für Patienten mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion (EF) > 50 Prozent geeignet(83).

Zum vermehrten Auftreten von - wahrscheinlich durch die erhöhte myokardiale Wandspannung ausgelösten Herzrhythmusstörungen im Wasser gibt es unterschiedliche Ergebnisse. Während in den Studien von Samek(84) und Hollmann(85) mehr Rhythmusstörungen als außerhalb des Wassers festgestellt wurden, konnten die schwimmtelemetrischen Untersuchungen von Schwan(80) und Urhausen(86) dies nicht bestätigen.

Bei der Beurteilung der Schwimmtauglichkeit müssen noch andere wichtige Faktoren berücksichtigt werden. Neben der Einstellung zum Wasser spielt die Schwimmtechnik eine wesentliche Rolle. Ein unökonomischer Schwimmstil, eine schlechte Atemtechnik oder Angst vor dem Wasser können die Herzbelastung erheblich erhöhen. Ein langsames Schwimmtempo muss unter diesen Bedingungen nicht unbedingt eine geringere Herzbelastung darstellen als das schnellere Tempo eines guten Schwimmers(80,81,86,87). Unter diesen Gesichtspunkten relativieren sich die von Samek(88) und Lehmann(89) gemessenen hohen Belastungen von 100-150 Watt bzw. 1,5 Watt/kg Körpergewicht bei einem Schwimmtempo, das subjektiv als "angenehm durchzuhalten" empfunden wird. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Schwimmbelastung nach objektiven Kriterien dosiert werden muss, auch wenn die Patienten ein geringes Anstrengungsgefühl haben. Der Trainings- bzw. Richtpuls aus dem Belastungs-EKG muss aufgrund der durch die Tauchbradykardie um ca. 10 Prozent verringerten Herzfrequenz entsprechend niedriger festgesetzt werden(80,81,87). Außerdem ist die Schulung in einer richtigen Schwimmtechnik eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Patienten die Intensität der Schwimmbelastung gut dosieren können.

Auch die Wassertemperatur hat Einfluss auf die Belastung von Herz und Kreislauf. Bei Temperaturen unter 24°C reagiert der Körper mit einer vermehrten Ausschüttung von Katecholaminen und einer Steigerung des Stoffwechsels, um die Körperkerntemperatur aufrecht zu erhalten, wodurch die Belastung für das Herz-Kreislaufsystem gesteigert wird. Die optimale Temperatur liegt bei 28-30°C für das Schwimmen und 30-32°C für die Wassergymnastik im Bewegungsbad(5,80,81).

Die uneinheitliche und kontroverse Studienlage zum Thema Schwimmen erschwert eine Empfehlung in der Frage, für welche Patienten die Wassertherapie geeignet ist. In der Ostseeklinik Schönberg-Holm hat sich folgende Regelung über viele Jahre bewährt: Patienten mit einer Belastbarkeit > 1 Watt/kg und einer EF > 50 Prozent dürfen am Schwimmen teilnehmen. Patienten mit einer Belastbarkeit von 0,5-1 Watt/kg Körpergewicht dürfen an einer Wassergymnastik im Bewegungsbad teilnehmen, wobei sie bei einer EF < 50 Prozent auf eine aufrechte Körperposition und eine Eintauchtiefe bis höchstens unterhalb des Xiphoid achten sollten. Für Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz oder schweren Herzrhythmusstörungen ist die Teilnahme an einer Wassertherapie nicht geeignet. Eine schwimmtelemetrische Untersuchung, insbesondere der Patienten mit einer Belastbarkeit unter 1 Watt/kg Körpergewicht, wäre wünschenswert und eigentlich erforderlich. Aus Kostengründen gibt es eine solche Möglichkeit jedoch nur in einigen wenigen Reha-Kliniken.

Die Unterscheidung zwischen Bewegungsbad und Schwimmen im Hinblick auf die Herz-Kreislaufbelastung erscheint in der Praxis bisweilen nicht ganz unproblematisch. Unter Umständen kann das lockere und entspannte Schwimmen mit guter Schwimm- und Atemtechnik sogar weniger belastend sein als eine Wassergymnastik.

Das Treppensteigen mit seinen relativ hohen Blutdruckund Herzfrequenzanstiegen(76) ist in Abbildung 5 einer Belastung von > 75 Watt (mit Pausen) bzw. > 100 Watt (ohne Pausen) zugeordnet. Es sollte den Patienten im Rahmen der stationären Bewegungstherapie mit einer dem Atemrhythmus entsprechenden Belastungs- und Pausengestaltung (bei der Ausatmung hochgehen, bei der Einatmung eine Pause machen) so vermittelt werden, dass sie in ihrem Alltag diese relativ hohe Belastung möglichst schonend bewältigen können. Den gering belastbaren Patienten aus der Hockergruppe sollte nahe gelegt werden, wenn möglich Fahrstuhl oder Rolltreppe zu benutzen.

Die Sporttherapiestunden sollten vielseitig und motivierend gestaltet werden. Hierzu gehört auch der gezielte Einsatz von Musik, z. B. während der Gymnastikeinheiten. Die Musik "trägt" die Patienten gewissermaßen durch die Übungen und lässt diese für die Patienten leichter erscheinen. Dabei muss auf mögliche Überlastungen geachtet werden, die dann auftreten können, wenn der Musikrhythmus die Patienten zum Überschreiten ihres Trainingspulses verleitet. Auch Tänze sind für die Herzgruppen gut geeignet.

Insbesondere Patienten nach einer Herzoperation oder einem frischen Infarkt sollten zusätzlich an einer Atemtherapie und Atemgymnastik teilnehmen, um die vitalen Funktionen des Atmungssystems wieder herzustellen. Diese Übungen können auch langfristig in die Gymnastik-, Wahrnehmungs- und Entspannungsübungen der ambulanten Herzgruppen eingebaut und durch Elemente aus dem Taiji und Qigong sowie aus dem Yoga abwechslungsreich ergänzt werden.


Weitere Bewegungsformen und Sportarten in Freizeit und Alltag

Therapeuten bzw. Übungsleiter und Ärzte tragen für die Inhalte innerhalb der Sporttherapiestunde die Verantwortung. Darüber hinaus sind sie aber auch als Fachleute für die körperlichen Aktivitäten nach der stationären Rehabilitation bzw. außerhalb der ambulanten Herzgruppe gefragt. Um hierfür Orientierungshilfe zu leisten, sollen nun einige Freizeitaktivitäten auf ihre Belastungsintensität und Eignung für Herzpatienten hin erörtert werden (Abbildung 5 und 6)

Die gleitenden und gelenkschonenden Bewegungsformen des Skilanglaufs und des Inlineskatings sind für die Patienten der Trainingsgruppe gut geeignet. Auch die Übungsgruppenpatienten können diese Sportarten ausüben. Skilanglauf sollte dann aber in Form von Skiwandern mit nur wenigen, geringen Steigungen durchgeführt werden.

Der alpine Skilauf ist durch frühere Untersuchungen, in denen die Belastung und das Blutdruckverhalten in der Abfahrtshocke über einen längeren Zeitraum gemessen wurden, als für Herzpatienten ungeeignet beurteilt worden(77). Außerdem nimmt die Gerinnungsneigung des Blutes in Höhenlagen zu. Wenn aber schwierige Abfahrten in einer Abfahrtshocke vermieden werden und die Patienten nicht in Höhenlagen über 2.000 m fahren, ist Abfahrtski für die Patienten der Trainingsgruppe durchaus geeignet. Skilanglauf kann unter Umständen (z. B. viele Steigungen) sogar belastender für das Herz-Kreislaufsystem sein.

Beim Wanderrudern/-paddeln treten im Gegensatz zum Wettkampfrudern nicht ganz so hohe Kraft- und infolgedessen Blutdruckbelastungen auf. Deshalb sind diese Bewegungsformen, anders als das Wettkampfrudern, für die besser belastbaren Herzpatienten geeignet. Die Blutdruckanstiege sind jedoch auch hierbei wegen der großen Kraftbelastung für Arm- und Rumpfmuskulatur nicht unerheblich(75-77).

Tennis ist aufgrund der während des Schlagens, das ohne Pressatmung nicht möglich ist, und der wegen der schnellen kurzfristigen Laufbelastungen auftretenden hohen Blutdruckbelastungen - bei normotonen Spielern wurden intraarteriell systolische Werte von 250 mm Hg gemessen - als Einzelsportart für Herzpatienten ungeeignet. Nur in Einzelfällen kann einem geübten und mit mindestens 1,5 Watt/kg Körpergewicht belastbaren Tennisspieler, für den Tennis zur Erhaltung seiner Lebensqualität beiträgt, das Spielen in einem Doppel erlaubt werden(77). Die gleiche Empfehlung gilt auch für Badminton. Hier ist die Druckbelastung wegen des geringeren Kraftaufwands- und nicht unbedingt erforderlicher Pressatmung während des Schlags zwar deutlich geringer als beim Tennis. Die kurzfristigen und unrhythmischen schnellen Laufbelastungen sind jedoch erheblich größer und deshalb im Rahmen eines Einzels für Herzpatienten ungeeignet. Aus den gleichen Gründen ist Squash unbedingt zu unterlassen. Beim Tischtennis sind die Belastungen aufgrund der kurzen Laufwege und geringen Druckbelastungen während der Schlagbewegung nicht so hoch. Deshalb kann es von Patienten einer Trainingsgruppe als Spiel ohne Wettkampfcharakter gespielt werden. Auch für die Patienten der Übungsgruppe ist Tischtennis sozusagen als lockeres "PingPong"-Spiel bedingt geeignet(77).

Für Patienten mit einer Vorliebe für Ballsportarten, die sie aufgrund ihrer Herzerkrankung nicht mehr ausüben sollten, empfiehlt sich auch Golf als eine sinnvolle Alternative. Die damit verbundene Belastung liegt in Abhängigkeit von Schlagtechnik und Geländebeschaffenheit bei 50-75 Watt(90). Der gesundheitliche Nutzen liegt hierbei vor allem beim "Spazierengehen zwischen den Löchern".

Die beliebte Freizeitaktivität Kegeln ließ in einer Studie von Zerzawy(77) zumindest kurzzeitig den Blutdruck auf Werte von systolisch 240 mm Hg und diastolisch 160 mm Hg steigen, weil die Kegler während der Schubphase unwillkürlich die Luft im Sinne einer Pressatmung angehalten hatten. Als die untersuchten Personen aufgefordert wurden, bewusst in die Kegelbewegung auszuatmen, sanken die Werte auf 210 zu 120 mm Hg. Auch diese Werte sind noch recht hoch, sodass diese Bewegungsform für Übungsgruppenpatienten nur bedingt geeignet ist.


Schlussbetrachtung

Damit das Prinzip der Individualität und Differenzierung gewahrt bleiben kann, sollten die Herzgruppen nicht mehr als 20 Teilnehmer haben. Nur dann ist eine ausreichende Überwachung, Kontrolle, Dokumentation und Kurzanamnese gewährleistet.

Auch oder gerade in den - im ambulanten Bereich häufig anzutreffenden - gemischten Gruppen, in denen Trainings- und Übungsgruppenpatienten gemeinsam Sport und Bewegung betreiben, müssen die Belastungen dem breiten Spektrum einer unterschiedlichen Belastbarkeit der Patienten angepasst sein. Im ambulanten Bereich wäre die verstärkte Gründung von ambulanten Hockergruppen wünschenswert, um den gering belastbaren Patienten eine Fortsetzung der stationären Bewegungstherapie am Wohnort zu ermöglichen.

Die Ziele der stationären und ambulanten Sport- und Bewegungstherapie bei chronischen Herzerkrankungen müssen den zunehmenden Forderungen nach einer Qualitätssicherung standhalten können(91). Eine gezielte und an der individuellen Belastbarkeit der Patienten orientierte Verordnung und Durchführung der Bewegungstherapie ist hierbei von zentraler Bedeutung.

Voraussetzung hierfür ist, dass die Ermittlung der Belastbarkeit durch ein standardisiertes und nach allgemein verbindlichen Regeln erstelltes Belastungs-EKG nicht nur in den Rehabilitationskliniken, sondern auch von den niedergelassenen Ärzten durchgeführt wird. Eine aufgrund einheitlicher Untersuchungskriterien erfolgende Einteilung in die verschiedenen Belastungsgruppen kann das Überlastungsrisiko - insbesondere in den ambulanten Herzgruppen - erheblich reduzieren.

Herzgruppenarzt und Therapeut bzw. Übungsleiter sind gemeinsam für eine an der Belastbarkeit der Patienten orientierte Auswahl, Gestaltung und Dosierung der in der Sporttherapie vermittelten Inhalte verantwortlich. Zudem sollen sie die Patienten auch zu einer körperlich aktiveren Lebensweise in Alltag und Freizeit motivieren. Deshalb bietet dieser Aufsatz eine Übersicht über die Belastungsintensität der wichtigsten Belastungsformen und Sportarten sowie deren Eignung für die unterschiedlichen Belastungsgruppen.

Die Zusammenfassung der aktuellen Studienlage zur Wirkung von Sport und körperlicher Aktivität auf Herzgesundheit bzw. chronische Herzkrankheiten, die in Teil 1 dieser Arbeit enthalten ist, unterstreicht den Wert einer auf diesen Erkenntnissen basierenden Sport- und Bewegungstherapie. Die in diesen Untersuchungen nachgewiesene positive Wirkung sogenannter Alltagsaktivitäten oder Belastungen von mittlerer Intensität - auch unterhalb der Intensität eines sportlichen Trainings - erweitert das Spektrum der Bewegungsformen und Sportarten, die in der Sport- und Bewegungstherapie für chronisch Herzkranke vermittelt und von den Patienten entsprechend ihrer Belastbarkeit und Neigung ausgewählt werden können.


Literatur bei den Verfassern oder im Internet www.aeksh.de Prof. Dr. Klaus-Dieter Kolenda, Kronshagen und Stefan Maurer, Ltd. Sporttherapeut der Ostseeklinik Schönberg-Holm


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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 12/2009 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2009/200912/h091204a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de


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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Dezember 2009
62. Jahrgang, Seite 65 - 71
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2010