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DIAGNOSTIK/476: Forschung - Videobasierter Kopfimpulstest gibt schnell Hinweise auf Schlaganfall (DGKN)


Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) - 20. April 2015

Neues Verfahren zur Diagnose bei Schwindel

Videobasierter Kopfimpulstest gibt schnell Hinweise auf Schlaganfall


Darmstadt - Schwindel zählt zu den häufigsten Krankheitssymptomen. Seine Ursachen können sehr unterschiedlich sein, was die genaue Diagnose schwierig macht. Mit dem videobasierten Kopfimpulstest gibt es nun jedoch eine einfache Methode, mit der Ärzte bei Patienten mit akutem Schwindel schnell Hinweise für einen Schlaganfall erhalten können. Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) empfiehlt deshalb den Einsatz des neuen Tests - auch in Notaufnahmen.

Etwa jeder dritte Deutsche leidet mindestens einmal im Leben an krankhaftem Schwindel, mehr als jeder zehnte Hausarztpatient klagt darüber. Alles dreht sich, andere sehen verschwommen, sie fühlen sich benommen oder ihnen wird übel. Die Ursachen dafür reichen von Störungen des Gleichgewichtsorgans über zentral-neurologische und psychische Erkrankungen bis zu Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch. Das macht die Diagnose für Neurologen und Hals-Nasen-Ohren-Ärzte schwierig. Übliche Verfahren zur Untersuchung bei Schwindel sind die kalorische Spülung, bei der die Gehörgänge mit warmem und kaltem Wasser gespült werden, oder die Drehstuhl-Untersuchung, bei der der Patient gedreht und seine reflektorischen Augenbewegungen aufgezeichnet werden.

Seit wenigen Jahren gibt es den videobasierten Kopfimpulstest (vKIT), bei dem eine Kamera die Augenbewegungen misst, während der Kopf vom Untersucher rasch gedreht wird und der Patient gleichzeitig versucht einen Zielpunkt im Blick zu behalten. Da das Gleichgewichtsorgan sehr empfindlich auf Beschleunigungen reagiert, können Fehlfunktionen des Organs durch rasche Kopfbewegungen gut erfasst werden. Die Technik des vKIT habe sich kürzlich entscheidend verbessert, so dass nun auch solche schnellen Kopfbewegungen aufgezeichnet und in wenigen Minuten ausgewertet werden können, erklärt Professor Dr. med. Christoph Helmchen, Leiter der Schwindelambulanz des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein und Mitglied der DGKN-Fortbildungskommission. Der neue Test gewinnt zunehmend an Bedeutung: "Mehr als hundert Hals-Nasen-Ohren-Ärzte und Neurologen in Deutschland verwenden das Video-System bereits."

Die Gründe dafür liegen laut Helmchen auf der Hand: Eine von ihm geleitete Studie an mehr als 1500 Schwindelpatienten zeigt, dass der vKIT für die Patienten verträglicher ist und deutlich weniger Zeit in Anspruch nimmt als eine einstündige kalorische Spülung oder eine Drehstuhl-Untersuchung: "Mit dem vKIT finden wir in 15 Minuten heraus, ob die Ursache für den Schwindel im Innenohr oder im Gehirn liegt." Je nach Ergebnis lässt sich damit unmittelbar ein Schlaganfall ausschließen, weshalb der DGKN-Experte den Video-Test auch für Notaufnahmen in Kliniken empfiehlt. "Viele Menschen, die mit Schwindel die Notaufnahme erreichen, leiden an einem vestibulären Schwindel, bei dem die Ursache im Innenohr liegt", erklärt Helmchen. Die bisher übliche Magnetresonanztomographie (MRT) sei für diese Diagnose meistens nicht geeignet und auch nicht notwendig, folgert der DGKN-Experte aus den Ergebnissen einer amerikanischen Studie. Diese zeigt, dass Ärzte mittels vKIT und zwei anderen einfachen Untersuchungen einen Schlaganfall als Ursache einer akuten Schwindelepisode genauso gut diagnostizieren können wie mit MRT, allerdings in erheblich kürzerer Zeit. Helmchen geht sogar noch weiter: "Der videobasierte Kopfimpulstest könnte künftig den gleichen Stellenwert erlangen, wie das EKG für den Neurologen in den Notaufnahmen."


Quellen:

Machner B et al. Videobasierter Kopfimpulstest. Bedeutung für die Routinediagnostik von Schwindelerkrankungen. Nervenarzt. 2013, 84:975-983. DOI: 10.1007/s00115-013-3824-6

Newman-Toker DE et al. Quantitative video-oculography to help diagnose stroke in acute vertigo and dizziness: toward an ECG for the eyes. Stroke. 2013, 44(4):1158-61. DOI: 10.1161/STROKEAHA.111.000033


Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) ist die medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft für Ärzte und Wissenschaftler in Deutschland, die auf dem Gebiet der klinischen und experimentellen Neurophysiologie tätig sind. Anliegen der DGKN ist es, die Forschung auf diesem Gebiet zu fördern sowie eine qualitätsgesicherte Aus-, Weiter- und Fortbildung zu garantieren. Zu diesem Zweck richtet die DGKN wissenschaftliche Tagungen, Symposien und Fortbildungsveranstaltungen aus. Sie erarbeitet Richtlinien und Empfehlungen für die Anwendung von Methoden wie EEG, EMG oder Ultraschall. Darüber hinaus setzt sich die DGKN für den wissenschaftlichen Nachwuchs ein, indem sie etwa Stipendien und Preise vor allem für junge Forscher vergibt. Die Methoden der klinischen Neurophysiologie kommen Patienten bei der Diagnose und Therapie von neurologischen Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer, Migräne, Epilepsie, Schlaganfall oder Multiple Sklerose zugute.

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Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und
funktionelle Bildgebung (DGKN)
Pressemitteilung vom 20. April 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. April 2015

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