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FORSCHUNG/2928: Chaperonkomplex NAC - Anstandsdame als Stressmanager (idw)


Universität Konstanz - 13.05.2013

Die Anstandsdame als Stressmanager

Der Chaperonkomplex NAC spielt eine entscheidende Rolle bei der Proteinherstellung und stressbedingten Proteinverklumpung



Im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit sind Konstanzer Biologinnen bei der Erforschung des hoch konservierten Proteinkomplexes Nascent Polypeptide-associated Complex (NAC) einen großen Schritt weitergekommen. Prof. Dr. Elke Deuerling, ihre Doktorandin Annika Scior und die an der Northwestern University in den USA forschenden Kollegen Prof. Dr. Rick Morimoto und Dr. Janine Kirstein-Miles konnten nachweisen, dass NAC gleich mehrere wichtige Aufgaben in der Zelle wahrnimmt: NAC reguliert die Aktivität der Ribosomen als Proteinproduzenten und überwacht die korrekte Proteinherstellung. Die Wissenschaftler haben nun noch eine weitere Funktion von NAC entdeckt: Der Proteinkomplex spielt im Zusammenhang mit der Verklumpung von Proteinen eine entscheidende Rolle. So konnten sie experimentell zeigen, dass NAC mit Proteinen wechselwirkt, die neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer und Chorea Huntington auslösen. Ihre Ergebnisse werden in einer der kommenden Ausgaben der Wissenschaftszeitschrift "EMBO Journal" der European Molecular Biology Organization veröffentlicht. Sie sind bereits jetzt als Advanced Online Publication unter dem Link
http://www.nature.com/emboj/journal/vaop/ncurrent/full/emboj201387a.html
nachzulesen.

Der Artikel ist die erste Publikation der Konstanzer Arbeitsgruppe im Rahmen ihres Projektes im Sonderforschungsbereich (SFB) "Chemical and Biological Principles of Cellular Proteostasis". Gleichzeitig ist es die erste Veröffentlichung des Labors von Elke Deuerling, der Sprecherin des SFB, zum Modellorganismus C. elegans. Dabei handelt es sich um einen maximal einen Millimeter langen, durchsichtigen Fadenwurm. Verklumpungen von Proteinen lassen sich mit Hilfe von grün-fluoreszierenden so genannten Reporterproteinen im Wurm unter dem Mikroskop sichtbar machen. Die genetischen und mikroskopischen Arbeiten wurden in den USA von Janine Kirstein-Miles übernommen. Die biochemische Analyse der Rolle von NAC bei der Proteinherstellung und Verklumpungen lag weitgehend an der Universität Konstanz in den Händen der Doktorandin Annika Scior. Sie konnte mit ihrer Methode biochemisch die Chaperon-Funktion von NAC, also die Kontrollfunktion der "Anstandsdame" über die korrekte Faltung der Proteine, experimentell nachweisen.

"Ist die Zelle fit, macht NAC seine normalen Hausaufgaben, stehen ihre Proteine unter Stress, verändert er seine Lokalisation", stellt Elke Deuerling fest. Im Labor wurden die Würmer einem Hitzeschock ausgesetzt. Auf die Stressreaktion in der Zelle, die Verklumpung von Proteinen, reagiert NAC mit einem Ortswechsel. Es löst sich vom Ribosom ab. Auf diese Weise wird die Proteinsynthese verringert. Die Biologinnen vermuten, dass die reduzierte Proteinproduktion der Zelle zum Vorteil gereicht. "Die Zelle verhindert dadurch, dass durch nachrückende Proteine noch mehr Stress entsteht. Die Probleme in der Zelle können behoben werden, und NAC kann wieder zurück zum Ribosom", so Annika Scior.

Wird der Hitzestress wieder zurückgefahren, lösen sich die Proteinverklumpungen auf und die Zellen können wieder regenerieren. NAC hat jedoch bereits in dieser Phase, vor seiner Rückkehr zum Ribosom, Einfluss auf das Geschehen: Ist NAC nicht vorhanden, funktioniert die Auflösung der Verklumpungen wesentlich schlechter. Er scheint somit nicht nur für die Synthese sowie die richtige Faltung der Proteine zuständig zu sein, sondern auch die Auflösung der Verklumpungen zu beeinflussen. In Würmern, in denen die NAC-Konzentration reduziert wurde, verklumpten außerdem die Proteine schneller. Je mehr NAC im Gegenzug vorhanden war, desto langsamer und später fanden die Verklumpungen statt. "NAC ist sowohl für den gesunden Zustand des Wurms wichtig als auch unter Stressbedingungen", fasst Elke Deuerling zusammen.


The nascent polypeptide-associated complex is a key regulator of proteostasis.
Kirstein-Miles J*, Scior A*, Deuerling E+, Morimoto RI+.
EMBO J. 2013 Apr 19. doi: 10.1038/emboj.2013.87. [Epub ahead of print]
* these authors contributed equally
+ corresponding authors


Kontakt:

Universität Konstanz
Kommunikation und Marketing
E-Mail: kum@uni-konstanz.de

Prof. Dr. Elke Deuerling
Molekulare Mikrobiologie
Fachbereich Biologie
Universität Konstanz
78457 Konstanz
E-Mail: elke.deuerling@uni-konstanz.de
http://www.uni-konstanz.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1282

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Konstanz, Julia Wandt, 13.05.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2013