Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → FAKTEN


FORSCHUNG/3508: Neurowissenschaft - Bislang unbekannte Funktion von Cannabinoid-Rezeptor entdeckt (idw)


Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE) - 02.05.2016

Neurowissenschaftler entdecken bislang unbekannte Funktion von Cannabinoid-Rezeptor


Im Gehirn herrscht ein sensibles Zusammenspiel von Signalstoffen und zellulärer Aktivität. Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen und der Charité - Universitätsmedizin Berlin und haben in diesem Orchester einen weiteren Akteur identifiziert: In einer Laborstudie stellten sie fest, dass der sogenannte Cannabinoid-Rezeptor Typ 2 die Informationsverarbeitung innerhalb des Hippocampus beeinflusst. Dieses Hirnareal ist maßgeblich an der Bildung von Langzeit-Erinnerungen beteiligt. Die Erkenntnisse könnten zu einem besseren Verständnis der Krankheitsmechanismen von Schizophrenie und Alzheimer beitragen, sie sind im aktuellen Fachjournal "Neuron" veröffentlicht.

Der Cannabinoid-Rezeptor Typ 2, auch "CB2-Rezeptor" genannt, ist ein spezielles Membranprotein, über das eine Zelle chemische Signale empfangen kann. Dadurch wird ihre Aktivität gesteuert. "Dieser Rezeptor galt bisher vor allem als Teil des Immunsystems, ohne Funktion in Nervenzellen. Unsere Studie zeigt nun, dass er auch für die Signalverarbeitung des Gehirns eine wichtige Rolle spielt", erläutert Prof. Dr. Dietmar Schmitz, Berliner Standortsprecher des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und Direktor des Neurowissenschaftlichen Forschungszentrums an der Charité (NWFZ/NeuroCure). Neben Berliner Fachkollegen haben sich an der aktuellen Studie auch Wissenschaftler der Universität Bonn und des US-amerikanischen "National Institute on Drug Abuse" beteiligt.

Wie die Forscher im Tiermodell nachweisen konnten, hebt der CB2-Rezeptor die Erregungsschwelle von Nervenzellen des Hippocampus. "Die Arbeitsweise des Gehirns beruht darauf, dass Nervenimpulse auf nachgeschaltete Zellen in manchen Situationen erregend, in anderen Fällen unterdrückend wirken", sagt Dr. Vanessa Stempel, Erstautorin der aktuellen Veröffentlichung. "Der CB2-Rezeptor wirkt wie eine Stellschraube, mit der solche Kommunikationsprozesse justiert werden", so die Wissenschaftlerin weiter, die inzwischen im britischen Cambridge forscht.

Bestandteil des "endogenen Cannabinoid-Systems"

Der CB2-Rezeptor zählt zum endogenen Cannabinoid-Systems (ECS). Diese Familie aus Rezeptoren und Botenstoffen kommt bei vielen Lebewesen vor, so auch beim Menschen. Es handelt sich um ein biochemisches Regelsystem, das an der Steuerung zahlreicher physiologischer Vorgänge beteiligt ist. Sein Name basiert auf der bereits länger bekannten Tatsache, dass Wirkstoffe der Cannabispflanze an Rezeptoren des ECS ankoppeln. Bislang sind zwei Sorten solcher Rezeptoren bekannt. Der CB2-Rezeptor hat keine psychoaktive Wirkung. Die durch Einnahme von Cannabis aufgelösten Rauscheffekte werden daher dem "Cannabinoid-Rezeptor Typ 1" zugeschrieben.

Mögliche Anwendung in der Therapie

Die Ergebnisse der aktuellen Studie könnten zum besseren Verständnis von Krankheitsmechanismen beitragen und einen Ansatzpunkt für neuartige Medikamente aufzeigen. "Bei Schizophrenie, Depression, Alzheimer und anderen neuropsychiatrischen Erkrankungen ist die Hirnaktivität gestört. Pharmaka, die an den CB2-Rezeptor binden, könnten die Aktivität der Hirnzellen möglicherweise beeinflussen und somit Bestandteil einer Therapie sein", resümiert Prof. Schmitz.


Originalveröffentlichung
"Cannabinoid type 2 receptors mediate a cell type-specific plasticity in the hippocampus", A. Vanessa Stempel, Alexander Stumpf, Hai-Ying Zhang, Tugba Özdogan, Ulrike Pannasch, Anne-Kathrin Theis, David-Marian Otte, Alexandra Wojtalla, Ildikó Rácz, Alexey Ponomarenko, Zheng-Xiong Xi, Andreas Zimmer, Dietmar Schmitz, Neuron
http://www.cell.com/neuron/fulltext/S0896-6273(16)30025-3
(DOI: 10.1016/j.neuron.2016.03.034)

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dzne.de/ueber-uns/presse/meldungen/2016/pressemitteilung-nr-6.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1369

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE), Dr. Marcus Neitzert, 02.05.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang