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FORSCHUNG/3609: Wie lange Nervenfasern die Bewegungen unserer Extremitäten verbinden (idw)


Universität Basel, Biozentrum - 17.11.2016

Laufen hat Hand und Fuss: Wie lange Nervenfasern die Bewegungen unserer Extremitäten verbinden


Wir Menschen laufen mit unseren Beinen. Das ist richtig und doch nicht ganz: Laufen ist eine koordinierte Ganzkörperbewegung, die Beine und Arme mit einbezieht. Eine Forschungsgruppe am Biozentrum der Universität Basel und am Friedrich Miescher Institut für Biomedical Research hat verschiedene Populationen von Nervenzellen mit langen Verbindungen im Rückenmark identifiziert. Die im Fachjournal "Neuron" veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass diese Nervenverbindungen die Bewegung von Armen und Beinen beim Laufen koordinieren und für eine stabile Körperhaltung sorgen.

Die Laufbewegung entsteht durch eine hoch kontrollierte Abfolge von Muskelkontraktionen, welche von komplexen Nervennetzwerken im Gehirn und im Rückenmark gesteuert werden. Die Forschungsgruppe von Prof. Silvia Arber am Biozentrum der Universität Basel und am Friedrich Miescher Institut für Biomedical Research (FMI) fand nun heraus, dass spezifische lang projizierende Nervenverbindungen, die unser Rückenmark durchlaufen, eine wichtige Grundlage für die Koordination von Armen und Beinen bilden. Diese Nervenzellen koppeln lokale Netzwerke über lange Distanzen und sorgen so dafür, dass unser Körper beim Laufen Haltung und Rhythmus behalten kann.

Nervennetzwerke im Rückenmark spiegeln die Laufbewegung wider

Auch wenn sich der Mensch im Laufe der Evolution irgendwann aufgerichtet hat, so muss er beim Laufen wie jeder Vierfüssler seine vier Gliedmassen koordinieren und alternierend bewegen. "Wir konnten zeigen, dass sich die gegenläufige Bewegung von Armen und Beinen im Nervennetzwerk des Rückenmarks widerspiegelt", so Ludwig Ruder, Erstautor der Studie. So kreuzen die meisten aktivierenden dieser Nervenverbindungen die Mittellinie des Rückenmarks und kontaktieren gegenüberliegende Netzwerke. Im Gegensatz dazu verlaufen die hemmenden Nervenzellen mehrheitlich auf der gleichen Körperhälfte.

Der diagonale, gespiegelte Verlauf der aktivierenden Nervenverbindungen ist sehr interessant, wenn man sich die Koordination von Armen und Beinen bei einem Läufer wie Usain Bolt genauer anschaut. "Beim Laufen bewegen sich eben nicht nur seine Beine, sondern zeitgleich und diametral dazu auch seine Arme - in völliger Abstimmung miteinander", so Ruder.

Lang projizierende Nervenzellen kontrollieren ganzkörperliche Bewegung ...

Um die Bedeutung der langen Nervenverbindungen im Rückenmark für die Laufbewegung aufzuzeigen, haben die Wissenschaftler lang projizierende Nervenzellen selektiv ausgeschaltet. "Sind diese Verbindungen im Rückenmark, welche lokale Netzwerke miteinander koppeln, inaktiv, geht nicht nur die Stabilität und Schnelligkeit beim Laufen verloren, auch die koordinierte Arm- und Beinbewegung gerät bei hoher Geschwindigkeit durcheinander", so Ruder. Interessant dabei ist, dass lokale Bewegungsmuster, die nur einzelne Extremitäten betreffen, davon nicht beeinträchtigt sind. Dies verdeutlicht die ganzkörperliche Rolle der lang projizierenden Nervenzellen.

... und verteilen Informationen des Gehirns

In einem weiteren Schritt fand das Forschungsteam heraus, dass lang projizierende Nervenzellen ihre Signale im ganzen Rückenmark verteilen und weitläufige Informationen aus dem Gehirn erhalten. Die Anordnung der lang projizierenden Nervenzellen und ihre Verbindungen machen sie damit zu einer wichtigen Schnittstelle für die Integration und Verbreitung von Signalen des Gehirns.

Bislang haben Wissenschaftler vor allem lokale Nervennetzwerke im Rückenmark und deren Rolle in der Bewegung untersucht. Dabei blieben die lang projizierenden Nervenverbindungen und ihre Bedeutung weitgehend unberücksichtigt. "Die Ergebnisse der neuen Studie zeigen jedoch, dass Nervenzellen im Rückenmark mit langen Projektionen eine sehr wichtige Rolle für die Koordination des Laufens spielen", erklärt Silvia Arber. "Wir untersuchen nun, wie das Gehirn mit den lokalen und den lang projizierenden Neuronen im Rückenmark unterschiedlich interagiert, um diese jeweils spezifisch zu kontrollieren." Solche Ergebnisse können langfristig wichtig sein, um eine funktionelle Wiederherstellung nach Rückenmarkverletzungen zu erreichen.


Originalbeitrag

Ludwig Ruder, Aya Takeoka and Silvia Arber
Long-Distance Descending Spinal Neurons Ensure Quadrupedal Locomotor Stability
Neuron (2016), doi: 10.1016/j.neuron.2016.10.032

Weitere Auskünfte

Heike Sacher
Universität Basel, Biozentrum, Kommunikation
E-Mail: heike.sacher@unibas.ch

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution74

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Basel, Heike Sacher, Biozentrum, 17.11.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. November 2016

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