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GESUNDHEIT/1044: Kindergesundheit - Verantwortung für das eigene Wohlbefinden kann man erlernen (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2012

Kindergesundheit
Verantwortung für das eigene Wohlbefinden kann man erlernen

Von Judith Eick



"Fit und stark plus", ein Projekt zur Gesundheitsförderung und Schmerzprävention, setzt auf Vorbeugung ab dem ersten Schuljahr. Ergebnisse vorgelegt.

Wann werden akute Schmerzen zu chronischen Schmerzen? Mit dieser Frage startete die Forschungsgruppe "Schmerzen" der Universität Lübeck vor acht Jahren eine Umfrage unter rund 1.500 Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein. 44,2 Prozent der Kinder gaben anhaltende und/oder wiederkehrende Schmerzen an. Eine alarmierend hohe Zahl. Kranke Kinder, die zu chronisch kranken Erwachsenen werden können, beschäftigen neben Eltern, Schule und Medizin heute vor allem die Kostenträger. Chronische Schmerzen verursachen jährlich Kosten von etwa 25 Milliarden Euro, das macht laut AOK etwa 17 Prozent der Gesamtkosten in der GKV aus - verursacht im Wesentlichen über Krankschreibungen und Frühberentungen. Prävention also ab wann und in welcher Form?

Das sich an die initiale Datenerhebung anschließende Grundschulprojekt "Fit und stark plus" setzt auf das frühzeitige Abfangen ungesunder Lebensgewohnheiten und beginnt mit der ersten Schulklasse. Neu ist daran, dass neben den klassischen Faktoren Bewegung, Ernährung und Schlaf auch soziopsychische Faktoren berücksichtigt werden. Im Gegensatz zu vielen anderen Präventionsprogrammen vereint das vom Lübecker Institut für angewandte Prävention und Gesundheitsforschung (IFA) entwickelte Programm aus diesem Grund physische und emotionale Lernelemente.

Nach fünf Jahren Erprobung in der Praxis wurden nun die abschließenden Ergebnisse aus 15 Grundschulen in Lübeck und Umgebung vorgelegt. Drei Kontrollgruppen wurden dabei verglichen: 1. Schulklassen, die das "Fit und stark plus" Programm durchlaufen haben; 2. Schulklassen, in denen nur die klassischen, also physischen, Gesundheitsparameter vermittelt wurden, und 3. Schulklassen ohne Präventionsprojekt.

Die Ergebnisse sind eindeutig: Hinsichtlich des Wissens und der Umsetzung von gesundheitsfördernden Maßnahmen sowie der körperlichen und emotionalen Wahrnehmung lagen die "Fit und stark plus"-Kinder vor der zweiten und deutlich vor der dritten Kontrollgruppe. Bei letzterer hatten sich im Laufe der ersten vier Schuljahre Wissen und Umsetzung von gesundheitsfördernden Maßnahmen sogar verschlechtert. Bei der Einnahme von Medikamenten war zwar bei allen drei Gruppen ein Anstieg zu verzeichnen, jedoch fiel dieser bei den "Fit und stark plus"-Kindern im Vergleich wesentlich geringer aus.

"Das ganzheitliche Präventionskonzept basiert auf der Selbstwirksamkeitserfahrung", beschreibt Susanne Samelin von der IFA den Lernansatz. "Die Kinder merken früh: Ich kann selbst etwas für mich und für mein Wohlbefinden tun." Spielerisch werden Lösungswege für Konflikte aufgezeigt und Entspannungsmethoden in den Alltag integriert. Der Freude am sozialen Miteinander wird sowohl in der Schule als auch im außerschulischen Bereich Entfaltungsraum gegeben.

Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg des Präventionsprogramms ist, dass es im Rahmen des regulären Unterrichts stattfindet, ohne diesen zu belasten. "Im Gegenteil", sagt eine der beteiligten Klassenlehrerinnen: "Das 'Wohlfühl-Programm' wirkt sich eindeutig positiv auf den Unterricht und das Lernverhalten der Schüler aus, eine Win-Win-Situation für Lehrer und Schüler".

Für die rund 400 Kinder, die an dem Forschungsprojekt teilgenommen haben, gilt: Sie haben weniger Schmerzen, gehen weniger zum Arzt, nehmen weniger Schmerzmittel ein und fühlen sich insgesamt gesünder. "Fit und stark plus" läuft auch nach Abschluss als Forschungsprojekt der Universität Lübeck weiter. Es wird von der AOK Nordwest und der privaten Possehl-Stiftung Lübeck mit jährlich rund 125.000 Euro und über Spenden finanziert.

Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 4/2012 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2012/201204/h12044a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt April 2012
65.‍ ‍Jahrgang, Seite 24
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2012