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MELDUNG/015: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 03.12.09 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Der Haltbarkeit von Impfstoffen auf der Spur
→  Neuartiges Trennverfahren für therapeutische Antikörper
→  Virtuelle Ärztebesprechung
→  Weniger Komplikationen nach Knochenmark-Transplantation
→  Molekulare Anker als Qualitätskontrolle der bei
      Alzheimer und Tumoren beteiligten Gammasekretase
→  Neue Möglichkeiten für eine gezielte pharmakologische Intervention bei Immunkrankheiten

Raute

Universität Regensburg - 02.12.2009

Der Haltbarkeit von Impfstoffen auf der Spur

Universität Regensburg hat neuartige Sensoren für die Haltbarkeit von Impfstoffen entwickelt

Aus verschiedenen Studien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht hervor, dass bis zu 35 % der frostempfindlichen Impfstoffe während ihres Transports unbrauchbar werden, weil sie Temperaturen unter dem Gefrierpunkt ausgesetzt sind. Die Folgen für die jeweils Betroffenen liegen auf der Hand. Es gilt für die Forschung daher, beständig Verfahren zur Überwachung der Lagertemperatur von Impfstoffen voranzutreiben.

Dies ist einer Gruppe von Chemikern der Universität Regensburg auf herausragende Weise gelungen. Ihnen gelang die Entwicklung eines neuartigen Frostsensors, der auf den Verpackungen von Impfstoffen angebracht wird und eine Unterschreitung der Lager- oder Transporttemperatur unter den Gefrierpunkt von Wasser durch eine irreversible Farbänderung zuverlässig anzeigt. Die Entwicklung wurde im Rahmen eines Forschungsvorhabens auf den Weg gebracht, das von der britischen Firma TimeStrip in einem Umfang von rund 150.000 Euro finanziell unterstützt wurde. Maßgeblich an den Forschungen beteiligt war PD Dr. Vladimir Mirsky, der mittlerweile einen Ruf auf eine Professur an die Hochschule Lausitz erhalten hat.

Die Regensburger Wissenschaftler hatten im Rahmen ihrer Forschungen verschiedene Probleme zu lösen. Im Vordergrund stand zunächst die Suche nach geeigneten Sensormaterialien, die eine markante Farbänderung am Gefrierpunkt von Wasser aufweisen. Hier fiel die Wahl auf Gold-Nanopartikel (Größe: 5 - 10 nm), die in Lösung eine tiefrote Färbung zeigen. Friert diese Lösung ein, erfolgt eine irreversible Aggregation der Partikel. Dabei geht die rote Farbe verloren und man erhält eine farblose Suspension.

Darüber hinaus muss ein Frostsensor eine gewisse Langzeitstabilität aufweisen. Auch das war mit der Wahl von Gold-Nanopartikel gegeben. In dem gewünschten Zeitraum von mehreren Monaten trat keine Farbänderung bei Lagerungen über den Gefrierpunkt auf. Um zu gewährleisten, dass der Impfstoff auf keinen Fall friert, wurde zudem der Gefrierpunkt der Lösung mit den Gold-Nanopartikeln geringfügig nach oben gesetzt, indem Wasser gegen "schweres" (deuteriertes) Wasser ausgetauscht wurde. Dieses gefriert im Gegensatz zu normalem Wasser bereits bei 3,8 °C.

Der auf dieser Grundlage entwickelte Frostsensor ist mittlerweile in die Produktion (alpha-Serie) gegangen. Ein europäisches Patent ist eingereicht worden. Verschiedene Anwender konnten die Funktionsweise des Sensors bislang erfolgreich testen.

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
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Der neu entwickelte Frostsensor

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Quelle: Universität Regensburg, Alexander Schlaak, 02.12.2009

Raute

Fraunhofer-Gesellschaft - 02.12.2009

Virtuelle Ärztebesprechung

Telemedizin vereinfacht die Kommunikation zwischen Hausärzten, Krankenhäusern und Pflegediensten - doch die bisher verfügbaren Lösungen sind wenig flexibel und daher sehr teuer. Eine neue Software lässt sich an unterschiedliche Anwendungen anpassen.

Die Wunde des Diabetes-Patienten heilt schlecht. Damit die Behandlung anschlägt, sollte sich der Hausarzt mit Fachkollegen und Pflegepersonal abstimmen: Welche Behandlung eignet sich am besten? Die Dateien mit den Diagnosen per Mail zu verschicken und dann am Telefon zu beratschlagen, ist recht aufwändig. Telemedizin könnte die Kommunikation erleichtern und die räumlichen Distanzen leichter überbrücken. Bislang hat sich jedoch noch keine Lösung am Markt etabliert. "Die heute verfügbaren Programme sind meist Einzellösungen, die sich nicht so einfach auf andere Anwendungsszenarien übertragen lassen", sagt Oliver Koch vom Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST. Die Software müsste also für jede Anwendung neu programmiert werden, was aufwändig und teuer ist.

Forscher am ISST haben nun in Kooperation mit dem Evangelischen Krankenhaus Witten eine Software entwickelt, die eine einfache und kostengünstige Abstimmung ermöglicht. "Unser Programm ist modular aufgebaut - es gibt Basisdienste und ergänzend dazu individuelle Fachanwendungen", erklärt Koch. Für grundlegende Programmfunktionen wie eine Barcodeerkennung nutzen die Wissenschaftler existierende Open-Source-Lösungen. Diese lassen sich leicht an spezifische Fachanwendungen anpassen; der Programmierer muss dazu lediglich einige Parameter verändern.

Mit Hilfte der Software findet in Witten eine wöchentliche "Wundkonferenz" statt, in der Ärzte problematische Wundheilverläufe vorstellen und Therapiemaßnahmen diskutieren. Über einen Link kann sich der Arzt registrieren und das Programm herunterladen - ein Installationsassistent unterstützt ihn dabei. Nachdem er die Einwilligung des Patienten eingeholt hat, gibt er dessen Daten in eine Maske ein, unter anderem eine Beschreibung der Wunde und Laborbefunde. Anschließend lädt er Fotos der Wunde hoch. Dazu nutzt er einen Barcode, den er zusammen mit der Wunde fotografiert. Der Barcode ordnet die Bilder automatisch der Patientenakte zu. Bei Bedarf kann der Arzt immer wieder aktuelle Fotos hinzufügen. Verläuft der Heilungsprozess gut? Mit einem Klick können sich die Konferenzteilnehmer die Fotos als Serie anzeigen lassen. Zusätzlich filtert die Software automatisch neue Informationen über den Therapieverlauf heraus. Alle Daten werden zentral auf dem Server im Krankenhaus Witten abgespeichert. Bislang wurden bereits über 300 Fälle in dem virtuellen Netzwerk dokumentiert. Nun wollen die Forscher den Fundus an Basisdiensten erweitern und Anforderungen an neue Dienste evaluieren.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.fraunhofer.de/presse/presseinformationen/2009/12/virtuelle-aerztebesprechung.jsp
Ansprechpartner

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Eine neue Software für Telemedizin erleichtert die Absprachen zwischen Hausarzt, Fachkollegen und Pflegepersonal und hilft dabei, die optimale Therapie zu finden.

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Quelle: Fraunhofer-Gesellschaft, Dr. Janine Drexler, 02.12.2009

Raute

Hochschule Biberach - 01.12.2009

Neuartiges Trennverfahren für therapeutische Antikörper

Die Hochschule Biberach übernimmt die Koordinierung eines interdisziplinären BMBF-Forschungsprojekts mit einem Gesamtbudget von 3,2 Mio. Euro. Die Kooperationspartner der Biberacher Fakultät Pharmazeutische Biotechnologie sind das Karlsruher Institut für Technologie KIT (die Fusion der Universität Karlsruhe mit dem Forschungszentrum Karlsruhe) sowie die Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim und Rentschler Biotechnologie.

Im Mittelpunkt des Forschungsprojektes "Technische Proteinkristallisation zur Aufreinigung, Stabilisierung und Formulierung pharmazeutisch aktiver Proteine" mit einer Laufzeit von drei Jahren steht die Entwicklung von Antikörpern, die über ein neuartiges Trennverfahren gewonnen werden sollen; diese Kristallisation orientiert sich an den tatsächlichen Produktionsmaßstäben der Branche, so dass eine Übertragung sichergestellt sei, so Prof. Dr. Hans Kiefer, im Institut für Pharmazeutische Biotechnologie verantwortlich für das Forschungsvorhaben.

"Ich freue mich sehr, dass das 2007 gegründete Institut für Pharmazeutische Biotechnologie bereits jetzt ein solches Großprojekt koordiniert. Damit ist der Grundstein für ein interdisziplinäres Netzwerk von Firmen, Proteinchemikern und Verfahrenstechnikern gelegt". Zielsetzung sei der Aufbau eines Biberacher Kompetenzzentrums für die Biotechnologische Aufarbeitung von Proteinen. Mit dem Forschungsprojekt käme man diesem Ziel einen großen Schritt näher, so Kiefer.

Bisher stünden der Industrie für die Aufreinigung etablierte Verfahren zur Verfügung, die zwar verlässlich aber wenig flexibel und dadurch entwicklungsintensiv und teuer seien. Bezüglich Maßstab, Reinheit oder Kontaminationsfreiheit müsse das Verfahren zur Aufreinigung pharmazeutisch aktiver Proteine ständig an die wachsenden Anforderungen angepasst werden, so Kiefer. Wünschenswert dagegen seien im sogenannten Downstream-Processing Verfahrensschritte, die kontinuierlich durchführbar sind, sich robust gegenüber Variationen in den Prozessparametern verhalten und kostengünstige Materialien einsetzen, die behördlichen Vorschriften für die biopharmazeutische Produktherstellung entsprechen (Good Manufacturing Practice).

Innerhalb des BMBF-Projektes will man in interdisziplinärer Zusammenarbeit von Biologen, Biochemikern, Chemikern und Verfahrenstechnikern erforschen, wie die technische Proteinkristallisation als neuartiges Trennverfahren für Biopharmaka, insbesondere Antikörper, eingesetzt werden kann. Der Prozess werde soweit hochskaliert, dass eine Übertragung auf Produktionsmaßstäbe der Industrie sichergestellt sei, so Kiefer.

Zunächst würden mit physikalisch-chemischen Methoden optimale Bedingungen gesucht, unter denen sich die Proteine ohne Aktivitätsverlust kristallisieren lassen, beschreibt Prof. Kiefer das Vorgehen. Dabei werde zunächst auf Screeningverfahren zurückgegriffen, die in der Strukturbiologie üblich seien. Anschließend würden detaillierte Phasendiagramme erstellt, die eine spätere Prozesskontrolle ermöglichen. Die Anforderungen der Industrie an diesen Prozess seien von Beginn an durch die Pharmaunternehmen klar definiert, so dass eine wirtschaftliche Umsetzbarkeit sichergestellt ist sobald die gesetzten Meilensteine erreicht seien.

Das Forschungsprojekt ist für die noch junge Fakultät Pharmazeutische Biotechnologie von großer Bedeutung. " Die Etablierung der Pharmazeutischen Biotechnologie an der Hochschule Biberach findet mit der erfolgreichen Entwicklung der Forschung eine wichtige Fortsetzung", so Prof. Hans-Ulrich Kilian, Prorektor für Forschung. Dies sei auch ein wichtiges Signal für den Master-Studiengang Pharmazeutische Biotechnologie, der zum Sommersemester 2010 in Kooperation mit der Universität Ulm startet. Die Lehre profitiere direkt von den Forschungsaktivitäten der Professoren, insbesondere im Master-Bereich, so Kilian.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.hochschule-biberach.de

Kontaktdaten Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution514

Quelle: Hochschule Biberach, Anette Schober-Knitz, 01.12.2009

Raute

Helmholtz Zentrum München / Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 02.12.2009

Weniger Komplikationen nach Knochenmark-Transplantation

José Carreras Leukämie-Stiftung fördert neues Forschungsprojekt am Helmholtz Zentrum München

Neuherberg / München, 2.12.2009. Die José Carreras Leukämie-Stiftung fördert ein neues Forschungsprojekt am Helmholtz Zentrum München. Dr. Andreas Moosmann von der Klinischen Kooperationsgruppe Molekulare Onkologie und der Abteilung Genvektoren untersucht, wie sich Komplikationen nach einer Knochenmarktransplantation zukünftig besser behandeln lassen. Die José Carreras Leukämie-Stiftung fördert das auf die Dauer von drei Jahren angelegte Forschungsprojekt mit 130.000 Euro.

Immer mehr Patienten erhalten nach einer Knochenmarktransplantation zusätzlich T-Zellen des Spenders, um eine lebensbedrohliche Infektion mit dem häufig vorhandenen Cytomegalievirus (CMV) zu verhindern. Diese so genannte T-Zell-Therapie kann im schlimmsten Fall aber dazu führen, dass körpereigene Zellen angegriffen werden und es zu schweren Nebenwirkungen kommt.

"In dem neuen Projekt wollen wir genauer untersuchen, gegen welche körpereigene Zielstruktur sich dieses Phänomen richtet, wie häufig derartige T-Zellen bei verschiedenen Spendern vorkommen und wie man diese Probleme bei der T-Zell-Therapie verhindern kann", sagt Projektleiter Andreas Moosmann vom Helmholtz Zentrum München.

Viele gesunde Erwachsene sind Träger des Cytomegalievirus (CMV). Unter normalen Umständen bleibt die Virusinfektion unauffällig. Wird jedoch das Immunsystem massiv geschwächt, zum Beispiel bei einer Knochenmarktransplantation, kann die Virusinfektion sich im Körper mit teilweise lebensbedrohlichen Folgen ausbreiten. Den Patienten fehlen oft T-Zellen, die eine CMV-Infektion im Zaum halten könnten.

Falls der Knochenmarkspender selbst CMV-Träger ist, hat er virusspezifische T-Zellen. Daher besteht eine wirkungsvolle Therapie in der Übertragung solcher T -Zellen vom Spender auf den Patienten. Besonders wichtig ist speziell die Übertragung von CD8-T-Zellen. Das sind Killerzellen, die in der Lage sind, virusinfizierte Körperzellen zu erkennen und abzutöten, um die Virusvermehrung zu verhindern. Bei dieser T-Zell-Therapie erkennen manche T-Zellen aber auch körpereigene Strukturen des Empfängers, die mit dem Virus gar nichts zu tun haben. Würden solche Immunzellen übertragen, könnten sie Zellen des Patienten angreifen - es käme zu lebensbedrohlichen Komplikationen.

Die Arbeitsgruppe von Dr. Andreas Moosmann hatte diese Reaktivität bereits in der Vergangenheit bei CMV-spezifischen CD8-T-Zellen identifiziert. "Mit den jetzt bewilligten Projektgeldern können wir dem Phänomen auf den Grund gehen, um zukünftig Patienten noch besser behandeln zu können und Komplikationen zu minimieren", sagt Moosmann. Weitere Informationen

Das Helmholtz Zentrum München ist das deutsche Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt. Als führendes Zentrum mit der Ausrichtung auf Environmental Health erforscht es chronische und komplexe Krankheiten, die aus dem Zusammenwirken von Umweltfaktoren und individueller genetischer Disposition entstehen. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 1700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens auf einem 50 Hektar großen Forschungscampus. Das Helmholtz Zentrum München gehört der größten deutschen Wissenschaftsorganisation, der Helmholtz-Gemeinschaft an, in der sich 16 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit insgesamt 26500 Beschäftigten zusammengeschlossen haben.

Die Arbeitsgruppe von Dr. Andreas Moosmann ist an der Klinischen Kooperationsgruppe Molekulare Onkologie und der Abteilung Genvektoren angesiedelt und befasst sich mit der Untersuchung von antiviralen T-Zellen und der Entwicklung von Immuntherapien gegen verschiedene Virusinfektionen.

Hintergrundinformation José Carreras Leukämie-Stiftung:
Der spanische Tenor José Carreras gründete die Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung im Jahre 1995 aus Dankbarkeit, dass er von seiner Leukämie-Erkrankung geheilt werden konnte, und um anderen Leukämiepatienten zu helfen. Die Stiftung hat bislang über 700 Projekte ermöglicht, die die Erforschung von Heilungsmöglichkeiten, die Förderung von Behandlungseinrichtungen, wie Transplantationseinheiten, Tageskliniken und Rehabilitationszentren, sowie die Unterstützung von Selbsthilfegruppen und Elterninitiativen zum Ziel haben.

Weitere Informationen und Einblicke in die Projekte gibt es unter
www.carreras-stiftung.de

• 15. José Carreras Gala: Die 15. José Carreras Gala findet am 17. Dezember 2009 um 20.15 Uhr statt und wird live in der ARD übertragen. Startenor José Carreras wird sich zusammen mit weiteren weltberühmten Stars für Menschen, die an Leukämie leiden, einsetzen.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.helmholtz-muenchen.de/presse-und-medien/pressemitteilungen/
pressemitteilungen-2009/pressemitteilung-2009-detail/article/12551/9/index.html
(Link bitte im Browser zusammenfügen)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution44

Quelle: Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Michael van den Heuvel, 02.12.2009

Raute

Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut e.V. (FLI) - 02.12.2009

Molekulare Anker als Qualitätskontrolle der bei Alzheimer und Tumoren beteiligten Gammasekretase

Das Enzym Gammasekretase schneidet in den Körperzellen verschiedene Proteine zurecht, die die Embryonalentwicklung steuern, die bei der Tumorentstehung eine Rolle spielen und die zu Alzheimer-Plaques führen können. Wie aber wird die Gammasekretase selbst reguliert? Eine weitgehend unbekannte molekulare Qualitätskontrolle kontrolliert zum einen den korrekten Zusammenbau der Gammasekretase. Gleichzeitig verhindert sie den Transport fehlerhafter oder unvollständiger Gammasekretase-Komplexe an ihren Bestimmungsort. Am Jenaer Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut wurden molekulare Anker als Bestandteile dieser Qualitätskontrolle entdeckt.

Qualitätskontrolle ist ein wichtiger Teil jeder Produktion, ob in der Herstellung von Arzneimitteln, oder in der Auslieferung von Autos. Kein Wunder, dass auch unsere Körperzellen intensive Qualitätskontrolle betreiben bei der Herstellung ihrer "Produkte", zum Beispiel der Proteine, welche alle unsere Lebenseigenschaften bestimmen. Eine besondere Anforderung wird gestellt, wenn ein Protein, wie in diesem Fall, aus mehreren Teilen zusammengebaut werden muss.

Die Gammasekretase sitzt als großes Membranprotein in der Plasmamembran der Zelle. Mit ihrer Enzymfunktion schneidet und aktiviert sie andere Proteine, die innerhalb und außerhalb der Zelle wichtige Funktionen ausüben. Wie wird aber die Gammasekretase kontrolliert? Am Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena geht Dr. Christoph Kaether, Leiter der Forschungsgruppe "Membrantransport und Alzheimer", dieser Frage nach: "Wir konnten bereits früher nachweisen, dass die Aktivität der Gammasekretase wesentlich über ihren Zusammenbau und ihren Transport reguliert wird". So unterliegt das Zusammensetzen der Sekretase aus ihren 4 verschiedenen Proteinbausteinen, den sogenannten Untereinheiten, einer strengen Qualitätskontrolle. Die einzelnen Untereinheiten werden nämlich zunächst an deren Entstehungsort, im endoplasmatischen Retikulum (ER) im Inneren der Zelle, zurückgehalten. Dieses Verankern ist der erste Schritt des komplexen Kontrollvorgangs.

Bindeproteine im ER erkennen hierbei eine genaue Abfolge von Aminosäurebausteine der Sekretase-Untereinheiten. Die Aminosäureabfolgen fungieren damit als molekulare Ankerpunkte. Details solcher Ankerpunkte wurden nun in Präsenilin1 und Pen2, zwei Gammasekretase-Untereinheiten, erstmalig erkannt. "Im Präsenilin1 fanden wir als Ankerpunkt eine Abfolge von nur 3 Aminosäuren, durch die die Untereinheit im ER zurückgehalten wird", so Matthias Fassler, Doktorand und Erstautor der jüngst veröffentlichten Studie. Fassler, dessen erfolgreiche Arbeit am FLI auch durch ein Stipendium der Hans und Ilse Breuer-Stiftung gefördert wurde, entdeckte noch eine weitere Überraschung. Er fand heraus, an welchen Stellen Präsenilin1 und Pen2 aneinander andocken und so die Sekretase zusammen halten. Das besondere dabei: Während Präsenilin1 und Pen2 eng interagieren, werden gleichzeitig deren molekulare Ankerpunkte getarnt.

"Durch die Tarnung der Ankerpunkte wird der Qualitätskontrolle ein vollständiger und korrekter Zusammenbau der Gammasekretase angezeigt", bestätigt Kaether die doppelte Bedeutung ihrer Entdeckung. Erst jetzt kann die Gammasekretase an ihre Bestimmungsorte exportiert werden und ihre biologischen Enzymfunktionen ausüben. Dass die einzelnen Untereinheiten festgehalten werden und erst der korrekte Zusammenbau die Verankerung löst, ist der faszinierende Mechanismus dieser Qualitätskontrolle.

Einmal zusammengebaut und aktiv, schneidet die Gammasekretase, vermutlich in der Plasmamembran, das Amyloid-Vorläuferprotein (APP) zu kurzen Amyloidpeptiden. Unkorrekte Schnitte und fehlerhafte Anlagerung der Amyloidpeptide führen jedoch zu krankhaften Aggregationen. Diese werden als Amyloidablagerungen, auch Plaques genannt, in den Gehirnen von Alzheimer-Patienten gefunden. Aber auch beim Zurechtschneiden und damit der Aktivierung des Membranrezeptors "Notch" spielt die Gammasekretase eine entscheidende Rolle. Vom Notch-Rezeptormolekül schneidet sie im Zellinneren ein kleines Notch-Protein ab. Dieses kann im Zellkern Gene regulieren, die insbesondere die Embryonalentwicklung des Organismus und die Kommunikation zwischen Nervenzellen steuern. Notch selbst ist aber auch bei vielen Tumoren fehlreguliert und ursächlich an der Tumorentstehung beteiligt.

Mit dem besseren Verständnis der molekularen Qualitätskontrolle wird die übergeordnete Rolle der Gammasekretase in so unterschiedlichen Prozessen wie der Embryonalentwicklung und Krankheiten wie Krebs und Alzheimer besser einzuordnen sein. Zur Erforschung von altersbedingter Neurodegeneration werden am FLI aber auch weitere, alternative Ansätze verfolgt. So untersucht die Forschungsgruppe von Manuel Than mittels Proteinkristallographie die dreidimensionale Struktur Alzheimer-relevanter Proteine, wie des APP. Mit der Strukturaufklärung der Alzheimer-Fibrillen und der Entdeckung eines Antikörpers, der spezifisch diese Fibrillen erkennt, wurden in der Forschungsgruppe von Marcus Fändrich bereits neue Werkzeuge für die Erforschung und Diagnose von Alzheimer-Fibrillen gefunden. "Ob und wann diese wichtigen Grundlagenerkenntnisse auch von diagnostischem oder therapeutischem Nutzen für die Patienten sein können, wird aber erst nach weiteren Jahren intensiver Forschung absehbar sein", so Prof. Dr. Peter Herrlich, wissenschaftlicher Direktor des FLI.

Originalveröffentlichung:
Masking of transmembrane-based retention signals controls ER-export of Gammasecretase.
Matthias Fassler, Michael Zocher, Sebastian Klare, Alerie Guzman de la Fuente, Johanna Scheuermann, Anja Capell, Christian Haass, Christina Valkova, Anbazhagan Veerappan, Dirk Schneider, Christoph Kaether
Traffic, Accepted Nov 5 2009
DOI: 10.1111/j.1600-0854.2009.01014.x

Kontakt:
Dr. Christoph Kaether
Forschungsgruppe "Membrane traffic and Alzheimer's Disease"
Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI)
Beutenbergstr. 11, D-07745 Jena
ckaether@fli-leibniz.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image105451
Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme einer Zelle: Der Ankerpunkt von Präsenilin 1 wurde auf ein Reporterprotein übertragen (rot gefärbt). Ein typisches Protein des ER (Calnexin) erscheint grün. Aus der Überlagerung (gelb) der beiden ergibt sich die Färbung des ER. Typisch sind Strukturen, die den Zellkern (blau) umhüllen.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
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Quelle: Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut e.V. (FLI), Dr. Eberhard Fritz, 02.12.2009

Raute

Universitätsklinikum Tübingen - 02.12.2009

Neue Möglichkeiten für eine gezielte pharmakologische Intervention bei Immunkrankheiten

Protoonkogen Ras steuert spezifische Immunantworten über die Lipidkinase PI3K-gamma
DOI: www.pnas.org_cgi_doi_10.1073_pnas.0905506106

Allergien, Asthma oder Rheuma sind Krankheiten, die nicht nur die Lebensqualität erheblich einschränken, sondern auch lebensbedrohlich sein können. Ihnen gemein ist eine Überreaktion des Immunsystems auf körperfremde Erreger oder im Fall von Autoimmunerkrankungen auf körpereigene und vermeintlich als fremd erkannte Stoffe. Die Folge sind häufig überschießende Abwehrreaktionen des Körpers, die mit der vermehrten Einwanderung weißer Blutzellen, sog. Leukozyten, in den Entzündungsherd einhergehen. Die Leukozyten produzieren ihrerseits Botenstoffe, die primär der Bekämpfung des Erregers dienen, häufig jedoch auch entzündliche Prozesse verstärken.

Die Arzneimittel, die im Augenblick gegen immunologische Erkrankungen eingesetzt werden, unterdrücken diese Immunantwort, wodurch eine Linderung der Symptomatik mit einer Schwächung des Immunsystems, einer Immunsuppression, einhergeht. Dies führt zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen und begünstigt langfristig sogar die Tumorbildung.

Deshalb wird intensiv nach neuen Strategien für einen differenzierten Eingriff in das Immunsystem geforscht.

In einer kürzlich veröffentlichten Arbeit** gelang es erstmals, Unterschiede in den Aktivierungsprozessen eines Schlüsselenzyms der zellulären Immunantwort, der Phosphoinositid 3-Kinase-gamma (PI3K-gamma), aufzudecken. Diese Befunde zeigen erstmalig, dass PI3K-gamma in einem Leukozyten zeitlich und räumlich voneinander getrennt unterschiedliche Abwehrreaktionen steuern kann. Diese neue Erkenntnis über divergierende Regulationswege der PI3K-gamma weist den Weg für neue Strategien, gezielt mit Wirkstoffen spezifische Funktionen des Leukozyten zu beeinflussen. Somit könnten möglicherweise Überreaktionen des Immunsystems verhindert werden, ohne dass es gleichzeitig zu einer Immunsuppression kommt.

Während der Immunantwort reguliert die PI3K-gamma vielfältige Abwehrmechanismen, die zur Einwanderung der Leukozyten in den Entzündungsherd, zur Freisetzung toxischer Sauerstoffradikale und anderer Botenstoffe und letztendlich zur Phagozytose und Abtötung des Erregers führen. Infolgedessen weisen Mäuse, bei denen das Gen für PI3K-gamma inaktiviert wurde, starke Defekte der Immunabwehr auf. Gleichzeitig zeigte sich aber in Krankheitsmodellen der rheumatoiden Arthritis, des systemischen Lupus erythematodes oder der Atherosklerose, dass der Verlust der PI3K-gamma-Aktivität zu einem teilweise sogar vollständigen Stillstand des Krankheitsverlaufs führt. Aufgrund dieser Befunde wird die PI3K-gamma als erfolgversprechende Zielstruktur für die Entwicklung neuer Wirkstoffe gegen chronische Entzündungen angesehen.

Erschwert wird die Suche nach PI3K-gamma-basierten Entzündungshemmern jedoch durch die Tatsache, dass die PI3K-gamma neben ihrer dominanten immunologischen Rolle auch wichtige Funktionen in anderen Zellen, z.B. des Herz-Kreislaufsystems übernimmt. Es ist deshalb zu befürchten, dass PI3K-gamma-Inhibitoren auch andere Körperfunktionen beeinträchtigen und unerwünschte Arzneimittelwirkungen hervorrufen. Deshalb ist eine differenzierte Hemmung dieses zellulären Signalgebers erforderlich.

Wissenschaftler um Dr. Barbara Kurig und Professor Bernd Nürnberg am Universitätsklinikum Tübingen haben nun entdeckt, dass es hierfür tatsächlich eine molekulare Grundlage gibt, die eine weitaus selektivere Hemmung von PI3K-Signalen ermöglichen könnte. Die PI3K-gamma ist ein Proteinkomplex, der sich aus einer katalytischen sowie einer regulatorischen Untereinheit, der p101 bzw. der erst kürzlich beschriebenen p87, zusammensetzt. Die Entdeckung dieser zweiten Untereinheit ließ vermuten, dass p87 und p101 für verschiedene Effekte der PI3K-gamma verantwortlich sein könnten. Jedoch wurde bislang vergeblich nach Anhaltspunkten hierfür gesucht.

Die Tübinger Wissenschaftler zeigen in ihrer jüngsten Publikation, dass beide regulatorischen PI3K-gamma-Untereinheiten über unterschiedliche Mechanismen gesteuert werden. Sie entdeckten, dass dem Protoonkogen Ras eine essentielle Funktion bei der Aktivierung des p87-, nicht jedoch des p101-Dimers der PI3K zukommt. In der Allergie hat dies z.B. bei Mastzellen zur Folge, dass Ras die PI3K-gamma-vermittelte Histamin-Freisetzung aktiviert. Diese neue Rolle von Ras für die selektive Regulation der PI3K-gamma ist insofern überraschend, da Ras bisher eher als ein zentraler Schalter für Wachstumsprozesse bekannt war.

Auf Basis ihrer Erkenntnisse untersucht die Forschergruppe um Dr. Kurig und Professor Nürnberg nun, welche Immunfunktionen von PI3K-gamma Ras-vermittelt oder aber unabhängig von dem Protoonkogen gesteuert werden. Die Wissenschaftler haben die Hoffnung, dass aufgrund der unterschiedlichen PI3K-gamma-Regulation neue Ansätze eines differenzierten pharmakologischen Eingriffs in bestimmte Immunprozesse oder andere PI3K-gamma-Funktionen entwickelt werden können. Ziel sind potentere Medikamente, die zugleich besser verträglich als die derzeit verfügbaren Arzneimittel sind.

Ansprechpartner für nähere Informationen

Universitätsklinikum Tübingen
Abteilung Pharmakologie und Experimentelle Therapie
Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie
und
Interfakultäres Zentrum für Pharmakogenomik und Arzneimittelforschung (IZePhA)
Wilhelmstrasse 56, D-72074 Tübingen
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Bernd Nürnberg
bernd.nuernberg@uni-tuebingen.de

** Titel der Originalpublikation
Kurig B., Shymanets A., Bohnacker T., Prajwal, Brock C., Ahmadian M.R., Schaefer M., Gohla A., Harteneck C., Wymann M.P., Jeanclos E., Nürnberg B. (2009):
Ras is an indispensable co-regulator of the class IB phosphoinositide 3-kinase p87/p110?.
Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 106 , 20312-20317
DOI: www.pnas.org_cgi_doi_10.1073_pnas.0905506106

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http://idw-online.de/pages/de/image105521
Die in ihrem inaktiven Zustand im Zytosol lokalisierte PI3K (gelb) wird durch Ras-Proteine (rot) an die Plasmamembran rekrutiert und aktiviert

http://idw-online.de/pages/de/image105522
Prof. Bernd Nürnberg

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution82

Quelle: Universitätsklinikum Tübingen, Dr. Ellen Katz, 02.12.2009

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2009