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MELDUNG/032: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 05.01.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Neue Erkenntnisse über die komplizierten Abläufe nach der Geburt
→  Zunehmende Leberverfettung senkt Geschlechtshormon-steuerndes Protein
      und erhöht damit Diabetesrisiko
→  Herzinfarkt und Schlaganfall effektiver therapieren
      Würzburger Forscher klären Mechanismus bei der Blutgerinnung auf

Raute

Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München - 04.01.2010

Neue Erkenntnisse über die komplizierten Abläufe nach der Geburt

Sobald ein Baby nach der Geburt zu atmen beginnt, setzt ein komplexer Prozess ein. Herz- und Lungenkreislauf müssen sich in kurzer Zeit den neuen Umständen anpassen. Viele Aspekte in diesem Ablauf, bei dem auch der Verschluss des Ductus arteriosus, eines Gefäßes des Blutkreislaufs des ungeborenen Kindes, eine große Rolle spielt, waren bisher ungeklärt. Eine aktuell in Nature Medicine erschienene Arbeit von Dr. Katrin Echtler und Prof. Steffen Massberg vom Zentrum für kardiovaskuläre Erkrankungen der TU München erklärt nun zumindest einen Teil dieser hochkomplizierten Mechanismen und erweitert das gegenwärtige Verständnis wesentlich.

Über den Ductus arteriosus, der beim ungeborenen Kind eine Verbindung zwischen Aorta und Pulmonalarterie herstellt, wird das mit jedem Herzschlag aus der rechten Herzkammer gepumpte Blut weg von den noch nicht belüfteten fetalen Lungen direkt in die Hauptschlagader umgeleitet. Unmittelbar nach Geburt muss sich der Ductus spontan verschließen, andernfalls drohen Lungenhochdruck, Herzkreislaufversagen und respiratorische Komplikationen. Das Team um Echtler und Massberg zeigte erstmals, dass die für die Blutstillung verantwortlichen Blutplättchen eine entscheidende Rolle beim Verschluss des Ductus arteriosus spielen. Die Wissenschaftler konnten an Mäusen nachweisen, dass Blutplättchen nach der Geburt im Ductus arteriosus kleine Gerinnsel bilden und auf diesem Weg zu dessen Verschluss beitragen. Bei Mäusen mit defekten oder fehlenden Blutplättchen trat entsprechend gehäuft ein offener Ductus arteriosus auf. Die betroffenen Mäuse entwickelten dabei Komplikationen, die denen neugeborener Kinder mit offenem Ductus arteriosus stark ähneln: ausgeprägter Hochdruck im Lungenkreislauf und exzessive Rechtsherzbelastung.

In einer klinischen Studie konnten Echtler und Massberg zeigen, dass frühgeborene Säuglinge, die bei der Geburt an einem Mangel an Blutplättchen leiden, ein deutlich höheres Risiko für einen gestörten Verschluss des Ductus arteriosus aufweisen. Aufbauend auf diesen Ergebnissen können nun entsprechende Therapiemaßnahmen entwickelt werden.

Publikation:
'Platelets contribute to postnatal occlusion of the ductus arteriosus'
Nature Medicine

Weitere Informationen finden Sie unter
http://dx.doi.org/10.1038/nm.2060

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution860

Quelle: Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München, Tanja Schmidhofer, 04.01.2010

Raute

Universitätsklinikum Tübingen - 04.01.2010

Zunehmende Leberverfettung senkt Geschlechtshormon-steuerndes Protein und erhöht damit Diabetesrisiko

Aktuell im New England Journal of Medicine

Die Zahl der weltweit an Diabetes Erkrankten nimmt stetig zu. In Deutschland wird die Zahl auf rund 7,5 Millionen Diabetiker geschätzt. Das bedeutet, dass etwa jeder 10. Bundesbürger bereits erkrankt ist. Über 90 Prozent der Erkrankten leiden an einem Typ 2 Diabetes. Dabei sind zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr mehr Männer als Frauen betroffen, ab dem 60. Lebensjahr kehrt sich das Verhältnis um.

Das Risiko kann sich bei Frauen durch einen hohen (bis zu 60 Prozent), bei Männern hingegen durch einen niedrigen (bis zu 42 Prozent) Testosteronspiegel erhöhen. Ein hoher Östrogenspiegel dagegen ist sowohl für Männer als auch für Frauen mit einem erhöhten Risiko für Typ 2 Diabetes behaftet. Eine noch wichtigere Rolle bei der Risikoeinschätzung spielt allerdings bei Männern als auch bei Frauen die Bioverfügbarkeit dieser Hormone, die durch das Protein Sex-Hormone-Binding Globulin (SHBG) reguliert wird.

Wissenschaftler am Tübinger Universitätsklinikum konnten jetzt in einer Studie** unter Leitung von Prof. Hans-Ulrich Häring, Prof. Andreas Fritsche und Privatdozent Dr. Norbert Stefan nachweisen, dass vor allem eine Fettleber den Wert dieses, vor Diabetes schützenden Proteins (SHBG) erniedrigt. Norbert Stefan, Wissenschaftler und Heisenberg Stipendiat an der Medizinischen Uniklinik Tübingen: "Falls sich unsere Erkenntnisse in weiteren Studien bestätigen, hätte der behandelnde Arzt damit eine Möglichkeit mittels der Bestimmung von SHBG im Blut das Diabetesrisiko und das Vorliegen einer Fettleber besser abzuschätzen. Parallel könnten die Ergebnisse einen neuen Ansatzpunkt für die Entwicklung von Medikamenten zur Prävention dieser Volkskrankheit sein."

In einer kürzlich erschienenen Arbeit*** im renommierten New England Journal of Medicine berichteten Wissenschaftler der Harvard Medical School in den USA, dass hohe Blutspiegel von SHBG stark und kausal am Schutz vor Diabetes beteiligt sind.

Norbert Stefan, Fritz Schick und Hans-Ulrich Häring vom Universitätsklinikum Tübingen konnten nun zeigen, dass vor allem eine zunehmende Verfettung der Leber am Abfall der SHBG Spiegel beim Menschen beteiligt ist. Bedeutsam dabei ist auch, dass unter Reduktion des Fettgehalts in der Leber während einer Lebensstil-Intervention, die SHBG Spiegel wieder anstiegen. Diese Erkenntnisse wurden am 31.12.2009 im New England Journal of Medicine veröffentlicht.

Untersucht wurde, welche Ereignisse, die an der Entstehung des Typ 2 Diabetes beteiligt sind, wie z.B. Zunahme der Gesamtkörperfettmasse oder der Fettmasse im Bauch, die Verringerung der Blutspiegel von SHBG beim Menschen verursachen.

Seit 2003 wird in der Medizinischen Universitätsklinik Tübingen, in enger Zusammenarbeit mit der Sektion für Experimentelle Radiologie, bei Menschen mit einem erhöhten Risiko für Diabetes der Nutzen der Umstellung auf gesunde Ernährung und die Steigerung der körperlichen Aktivität auf den Stoffwechsel wissenschaftlich untersucht. Ziel ist dabei, weitere Erkenntnisse zur Prävention des Diabetes und seiner Folgeerkrankungen zu bekommen.

Originalpublikationen

** Sex Hormone-Binding Globulin and Risk of Type 2 Diabetes
   Norbert Stefan, Fritz Schick, Hans-Ulrich Häring
   N Engl J Med. 2009 Dez 31;361(27):2675-76.
   DOI 10.1056/NEJMc0910143

*** Sex Hormone-Binding Globulin and Risk of Type 2 Diabetes in Women
     and Men Ding EL, Song Y, Manson JE, Hunter DJ,
     Lee CC, Rifai N, Buring JE, Gaziano JM, Liu S.
     N Engl J Med. 2009 Sep 17;361(12):1152-63.
     DOI 10.1056/NEJMoa0804381

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution82

Quelle: Universitätsklinikum Tübingen, Dr. Ellen Katz, 04.01.2010

Raute

Rudolf-Virchow-Zentrum / DFG - Forschungszentrum für Experimentelle Biomedizin - 05.01.2010

Herzinfarkt und Schlaganfall effektiver therapieren

Würzburger Forscher klären Mechanismus bei der Blutgerinnung auf

Würzburg, 04.01.2010. Das Fehlen eines Schlüsselproteins für die Blutgerinnung, der Phospholipase D1, schützt vor Herzinfarkt und Schlaganfall ohne den lebenswichtigen Prozess selbst zu beeinflussen. Das fanden Würzburger Wissenschaftler um Prof. Dr. Bernhard Nieswandt vom Rudolf-Virchow-Zentrum der Universität Würzburg heraus. Damit könnte das Protein zukünftig eine wichtige Rolle bei der Therapie einnehmen, denn die meisten bisher verfügbaren Medikamente erhöhen die Gefahr unkontrollierter Blutungen und erschweren deshalb die Therapie. Ihre Ergebnisse beschreiben die Wissenschaftler am 05. Januar 2010 in der Online-Veröffentlichung der Fachzeitschrift "Science Signaling".

Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall sind das größte Gesundheitsproblem in westlichen Gesellschaften. Durchblutungsstörungen in Arterien sind hierfür eine der wichtigsten Ursachen. Diese treten auf, wenn Blutgefäße durch einen Blutpfropf verstopft werden. Ein solcher Blutpfropf entsteht an beschädigten Gefäßwänden durch die Anlagerung von Blutplättchen. Gelangen diese an eine beschädigte Stelle, so werden sie von der Gefäßwand aktiviert und verändern ihre Form und Oberflächeneigenschaften so, dass sie sich aneinander und an der Wand des Blutgefäßes festkleben können. Ist der Blutpfropf so groß, dass er das gesamte Gefäß verschließt, kann das nachfolgende Gewebe nicht mehr durchblutet werden. Besonders tragisch ist das im Herzen, dem Gehirn oder der Lunge. Es kommt zum Herzinfarkt, Schlaganfall oder zu einer Lungenembolie.

Durchblutungsstörungen werden daher schon früh mit leichten Blutverdünnern wie Aspirin behandelt, beim Infarkt können in manchen Fällen stark wirksame Medikamente die Blutpfropfen auflösen. Doch alle bisher verfügbaren Medikamente beeinflussen auch immer die normale Blutstillung, die lebenswichtig ist, um uns bei Verletzungen vor einem unkontrollierten Blutverlust zu schützen. Denn krankhafte und gesunde Blutstillung laufen im Körper über sehr ähnliche Mechanismen. Als Nebenwirkungen sind daher eine erschwerte Stillung von blutenden Wunden und bei starken Medikamenten innere Blutungen bekannt. Seit einigen Jahrzehnten suchen Wissenschaftler daher nach kleinsten Unterschieden zwischen dem Ablauf der normaler Blutgerinnung und der Entstehung krankhafter Gefäßverschlüsse.

Einen wichtigen Unterschied zeigen die Würzburger Wissenschaftler um Bernhard Nieswandt in ihrer aktuellen Studie. In den Arterien, in denen ein krankhafter Blutpfropf besonders gefährlich ist, werden stabile Pfropfen nur mit Hilfe des Enzyms Phospholipase D 1 (PLD 1), das sich in den Blutplättchen befindet, gebildet. Das haben die Wissenschaftler herausgefunden, indem sie die Produktion des Enzyms in Mäusen gezielt verhinderten und deren Blutgerinnung mit gesunden Mäusen verglichen. Außerhalb des Körpers untersuchten sie die Ausbildung eines Blutpfropfs in nachgebildeten Blutgefäßen verschiedener Größe. Um die Wirkung auf den gesamten Organismus zu bestimmen, lösten sie Verletzungen in der Hauptschlagader aus, wie sie bei krankhaft veränderten Gefäßen auftreten. Die Mäuse ohne PLD 1 bildeten keine großen Blutpfropfen aus und waren zum Großteil vor Infarkt und Schlaganfall geschützt.

Interessant ist, dass PLD 1 besonders für die krankhafte Blutgerinnung wichtig zu sein scheint, für die normale Blutgerinnung aber nicht unbedingt benötigt wird. Im verletzten Gefäß aktiviert es so genannte Integrine auf der Oberfläche der Blutplättchen, wenn sich bereits einige Plättchen an die Gefäßwand geheftet haben. Das aktivierte Integrin ist eine Art Klebstoff, der die Plättchen dann noch einmal untereinander verklumpt und den Pfropf stabilisiert. In den Arterien, in denen die meisten akut lebensgefährlichen Blutpfropfen entstehen, nimmt PLD 1 eine Schlüsselrolle ein und ist daher besonders interessant für einen möglichen Therapieansatz. "In den Arterien wirken auf die Blutplättchen sehr viel höhere Scherkräfte ein als in den Venen, die die Plättchen stark aktivieren, gleichzeitig aber die Entstehung eines Pfropfens erschweren. Daher scheint PLD 1 hier als eine Art Verstärker wichtig zu sein, damit sich die Plättchen überhaupt untereinander verklumpen können", so Bernhard Nieswandt. Diesen Verstärker könnten die Wissenschaftler blockieren und damit Durchblutungsstörungen und den Gefäßverschluss verhindern, ohne die normale Blutgerinnung zu beeinflussen.

Publikation:
M. Elvers, D. Stegner, I. Hagedorn, C. Kleinschnitz, A. Braun, M. E. J. Kuijpers, M. Boesl, Q. Chen, J. W. M. Heemskerk, G. Stoll, M. A. Frohman, B. Nieswandt
Impaired aIIbb3 integrin activation and shear-dependent thrombus formation in mice lacking phospholipase D1.
Sci. Signal. 3, ra1 2010).
doi: 10.1126/scisignal.2000551

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:

• http://idw-online.de/pages/de/image106917
Eine Maus, die das Protein PLD 1 produziert, bildet nach einer Gefäßschädigung einen Blutpfropf aus, der das Gefäß verschließt. (Querschnitt durch eine Bauchschlagader)

• http://idw-online.de/pages/de/image106918
In der Schlagader einer Maus, die das Protein PLD 1 nicht bildet, kann nach Gefäßschädigung kein Blutpfropf gebildet werden. (Querschnitt durch eine Bauchschlagader)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution800

Quelle: Rudolf-Virchow-Zentrum / DFG - Forschungszentrum für Experimentelle Biomedizin, Sonja Jülich-Abbas, 05.01.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2010