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MELDUNG/035: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 08.01.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Förderung des Wachstums von hämatologischen Neoplasien durch mesenchymale Stammzellen
→  Neues Fachbuch: Umfassender Überblick über die Stammzellforschung
→  Genetische Ursache der Bewegungsstörung ADSD
      (Autosomal-Dominante Striatale Degeneration) gefunden

Raute

Wilhelm Sander-Stiftung - 07.01.2010

Förderung des Wachstums von hämatologischen Neoplasien durch mesenchymale Stammzellen

Die entarteten Zellen des Lymphknotenkrebs (Lymphom) aber auch Leukämiezellen benötigen für ihr Wachstum die Unterstützung durch eine geeignete Umgebung (griech. Stroma, Bett), welche sich im Lymphknoten oder Knochenmark findet. Dieses Stroma ist dadurch gekennzeichnet, dass es bestimmte Wachstumsfaktoren bereitstellt und durch Gefäßwachstum die Blutversorgung der entarteten Zellen sicherstellt.

Das Stroma ist ein komplexes Netzwerk aus einer Vielzahl von verschiedenen Zellen, von denen vor allem im Knochenmark sog. mesenchymale Stammzellen (MSC) eine wichtige Rolle spielen. Sie stellen eine heterogene Population nicht-blutbildender Stammzellen dar, die kein spezielles Aussehen besitzen, allerdings die Fähigkeit zur Selbsterneuerung und Differenzierung in verschiedene Gewebe, wie Knochen, Fettgewebe und Knorpel aufweisen. Ursprünglich wurden diese Zellen im Knochenmark identifiziert, wo sie an der Ausbildung der blutbildenden Stammzellnische beteiligt sind, sie finden sich jedoch auch in anderen Geweben wie z.B. dem Fettgewebe.

Neben dieser Eigenschaft können mesenchymale Stammzellen aber auch Immunreaktionen beeinflussen und unterdrücken, wobei hier die zu Grunde liegenden Mechanismen nur zum Teil verstanden sind. Es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch unklar, ob es den entarteten Zellen nicht möglich ist, sich durch Umwandlung in mesenchymale Zellen Ihr "Bett" sozusagen selber zu schaffen.

Die Behandlung von Lymphknotenkrebs (Lymphomen), Leukämien und anderer Erkrankungen des Knochenmarks durch die Transplantation von blutbildenden Stammzellen eines fremden (allogenen) Spenders ist ein Therapieverfahren, das seit Jahrzehnten mit Erfolg eingesetzt wird. Da durch die Transplantation von blutbildenden Stammzellen quasi auch das Immunsystem des Spenders transplantiert wird, kann es jedoch zur sog. Spender-gegen-Wirt-Reaktion (englisch: Graft Versus Host Disease, GvHD) mit lebensbedrohlichen Komplikationen kommen. Die Unterdrückung dieser Immunreaktion durch die Gabe von mesenchymalen Stammzellen stellt hier einen neuen, vielversprechenden Therapieansatz dar, wobei derzeit unklar ist, welche Auswirkungen dies auf die Grunderkrankung wie z.B. einer Leukämie hat, da mesenchymale Stammzellen das Wachstum von Leukämien oder Lymphknotenkrebs fördern können. Durch die Unterdrückung der Immunreaktion (GvHD) mittels mesenchymaler Stammzellen wird zwar auf der einen Seite versucht, entsprechende Komplikationen zu vermeiden, auf der anderen Seite birgt diese Form der Therapie aber auch das Risiko, das Wachstum von residuellen Leukämiezellen nach Transplantation zu fördern.

Die Arbeitsgruppe um Dr. Kammertöns und Dr. Gerbitz an der Charité will daher folgende Fragen klären:

1.) Können mesenchymale Stammzellen aus Lymphomen isoliert und gezüchtet werden.
2.) Sind Lymphomzellen in der Lage selbst mesenchymale Stammzellen zu bilden.
3.) Fördern mesenchymale Stammzellen das Wachstum von Lymphomen
4.) Werden mesenchymale Stammzellen in Lymphomen vor Ort gebildet oder aus dem Knochenmark rekrutiert.

Das Verständnis der Wachstumsförderung und Unterdrückung von Immunreaktionen durch mesenchymale Stammzellen soll der Optimierung dieser Therapieform dienen, aber auch mögliche Risiken und Nebenwirkungen genauer beleuchten. Das Projekt verbindet insofern die aus dem klinischen Einsatz von MSC resultierenden Fragen mit tumorbiologischen und immunologischen Grundlagenfragen, wie Sie im Institut für Immunologie am Campus Benjamin Franklin bearbeitet werden.

Die Projektleiter arbeiten am Institut für Immunologie am Campus Benjamin Franklin der Charité in Berlin.

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an
Dr. Thomas Kammertoens (thomas.kammertoens@charite.de)
oder an PD Dr. Armin Gerbitz (armin.gerbitz@charite.de)

Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert dieses Forschungsprojekt mit über 200.000 €.
Stiftungszweck der Stiftung ist die medizinische Forschung, insbesondere Projekte im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden dabei insgesamt über 190 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Weitere Informationen zur Stiftung:
http://www.wilhelm-sander-stiftung.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image107063
A: Umwandlung mesenchymaler Stromazellen aus Lymphomen in Fettgewebe. Gezeigt sind Stroma-Zellen nach mehrwöchiger Kultivierung nach Färbung mit OilRed-zum Nachweis von Fettzellen. B: grün fluoreszente mesenchmalye Stammzellen aus Knochenmark von Mäusen, die das Fluoreszierende Protein GFP bilden. Hiermit kann die Herkunft der Zellen bestimmt werden.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution890

Quelle: Wilhelm Sander-Stiftung, Bernhard Knappe, 07.01.2010

Raute

Universität Witten/Herdecke gGmbH - 07.01.2010

Umfassender Überblick über die Stammzellforschung

Neues Fachbuch von Prof. Thomas Dittmar und Prof. Kurt Zänker veröffentlicht

Über das Für und Wider der Verwendung von menschlichen Stammzellen für Therapiezwecke ist in den vergangenen Jahren sehr kontrovers diskutiert worden. Nun leisten auch Prof. Dr. Thomas Dittmar und Prof. Dr. Kurt Zänker von der Universität Witten/Herdecke mit dem unlängst erschienenen Buch "Stem Cell Biology in Health and Disease" ihren Beitrag zur Diskussion. Dabei geht es den beiden Forschern, die von einer Reihe hochrangiger Co-Autoren unterstützt wurden, darum, beide Seiten der Stammzellnutzung zu beleuchten, aber auch darum, selbst Position zu beziehen.

"Stammzellen sind aus wissenschaftlicher Sicht hochinteressant", sagt Prof. Thomas Dittmar. "Aufgrund ihrer Befähigung, sich in verschiedene Gewebe zu differenzieren, sind diese Zellen für die regenerative Medizin von großer Bedeutung, zum Beispiel in der Therapie von Herzinfarkt, Leberschäden oder neurologischen Erkrankungen wie Parkinson oder Multiple Sklerose. In tierexperimentellen Studien konnte dies bereits nachgewiesen werden, wobei die Ergebnisse teilweise widersprüchlich sind. Daher muss die Verwendung von Stammzellen für regenerative Zwecke am Menschen mit Vorsicht betrachtet werden. Klinische Protokolle über die Anwendung von Stammzellen existieren bisher nur für die Therapie von bestimmten Blutkrebserkrankungen, zum Beispiel für die Transplantation von Knochenmark."

Die Wittener Forscher gehen davon aus, dass Stammzellen eines Tages auch zur Therapie der oben genannten Erkrankungen zur Anwendung kommen werden. "Bis dahin muss jedoch noch viel Forschungsarbeit geleistet werden. Solange jedoch die Therapie noch nicht hinreichend erforscht ist, ist sie aus unserer Sicht mit großer Vorsicht zu betrachten", sagt Dittmar. Die Forschung brauche an dieser Stelle noch Zeit. Zeit, die ihr auf jeden Fall gegeben werden müsse, denn Stammzellen können auch bösartige Erkrankungen wie Krebs hervorrufen. Prof. Dittmar: "Wir wissen heute, dass Krebserkrankungen aus veränderten Stammzellen, die sich zu den so genannten Krebsstammzellen entwickeln, hervorgehen. Aus den Krebsstammzellen geht dann nicht nur der Primärtumor hervor, sondern sehr wahrscheinlich auch die Metastasen. Da Krebsstammzellen eine erhöhte Resistenz gegenüber Strahlung und Medikamenten, die in der Chemotherapie angewandt werden, aufweisen, wird ebenfalls vermutet, dass Krebsstammzellen die Krebstherapie überleben und nachfolgend die erneute Bildung des Tumors verursachen können."

Die Wittener Wissenschaftler sind sich sicher, dass diese Erkenntnisse wichtig sein werden für neue Krebstherapien, die gezielt auf die Eliminierung von Krebsstammzellen abzielen, um so dem Tumor seine Grundlage zu entziehen. "Gleich dem Entfernen von Löwenzahn im Garten muss das Übel Krebs an der Wurzel gepackt werden, um es gänzlich zu entfernen", so die Forscher.

Für das Buch, das einen umfassenden und objektiven Überblick über die Thematik der Stammzellforschung geben möchte, haben sich die beiden Forscher prominente Unterstützung gesichert. Als Co-Autoren wählten sie eine Reihe national und international anerkannter Experten, die bereits hochrangige Publikationen zum Thema verfasst haben. "Uns war es wichtig, hier die richtigen Fachleute für das Thema mit einer hervorragenden Expertise gewinnen zu können", erläutert Prof. Dittmar die Auswahlkriterien.

Thomas Dittmar / Kurt S. Zänker:
Stem Cell Biology in Health and Disease
Springer Verlag, erschienen 2009.

Mehr Informationen zum Thema erhalten Sie von Prof. Dr. Thomas Dittmar
thomas.dittmar@uni-wh.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution226

Quelle: Private Universität Witten/Herdecke gGmbH, Kay Gropp, 07.01.2010

Raute

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel - 07.01.2010

Botenstoff Dopamin - Rezeptorprotein PDE8B fehlt bei ADSD-Kranken

Aktuelle Publikation von Kieler Wissenschaftlern

Neue Erkenntnisse über die Funktionsweise von Dopamin im Gehirn verspricht ein Forschungsergebnis, das heute (7. Januar) in der einschlägigen Fachpresse erschien: Wissenschaftler der Kieler Universität fanden die genetische Ursache der Bewegungsstörung ADSD heraus, einer erblichen Degeneration der Basalganglien.

Eine einzige Erbgutveränderung bewirkt diese sehr seltene Krankheit, wie die Erstautorin Silke Appenzeller zeigen konnte. Gleichzeitig sind alle Menschen krank, die von der Veränderung auf diesem Gen, nämlich PDE8B, betroffen sind. Professor Gregor Kuhlenbäumer vom Institut für Experimentelle Medizin der neurologischen Universitätsklinik: "Anders als bei vielen Volkskrankheiten, bei denen eine Vielzahl von genetischen Risikofaktoren mit jeweils kleinem Effekt eine Rolle spielen, liegt hier nur eine einzige Ursache vor. Und jeder, der das Merkmal trägt, ist auch wirklich krank. Das heißt für uns Forscher, wir können die Auswirkungen auf der Ebene der Körperzellen hervorragend untersuchen, weil es eindeutige Effekte gibt. Diese so genannten monogenen Krankheiten dienen deshalb als hochinteressante Modelle zur Erforschung allgemeiner Vorgänge. In diesem Fall erhoffen wir uns weiteren Aufschluss über die Signalübertragung, die der Botenstoff Dopamin bewirkt."

Die verminderte Produktion von Dopamin im Gehirn ist der Hauptauslöser der Volkskrankheit Parkinson. Die Wissenschaftler hoffen, dass Erkenntnisse aus dem gerade gefundenen Modell neue Ansätze liefern, mehr über diese Volkskrankheiten herauszufinden.

In Zusammenarbeit mit Professor Bernd Ringelstein und Dr. Anja Schirmacher von der Universität Münster, die auch an der gegenwärtigen Veröffentlichung beteiligt sind, hatte Gregor Kuhlenbäumer, damals ebenfalls an der Uni Münster, die Krankheit ADSD (Autosomal-Dominante Striatale Degeneration) 2004 erstmals beschrieben. Silke Appenzeller konnte nun aktuell die zugrunde liegende Genveränderung eindeutig charakterisieren.

An dieser neuen Arbeit, die im "American Journal of Human Genetics" erschien, sind ebenfalls Wissenschaftler der Universitäten Antwerpen/Belgien sowie Debrecen/Ungarn und der Kieler Immunologie beteiligt. Als Krankenhäuser haben das Klinikum Osnabrück, das St. Franziskus Hospital, Ahlen sowie die Zürcher Höhenklinik Wald mitgewirkt. Gefördert wurde die vorliegende Arbeit durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).

American Journal of Human Genetics:
www.cell.com/AJHG/

Ein Bild steht zum Download bereit:
http://www.uni-kiel.de/download/pm/2010/2010-004-1.jpg
Bildunterschrift: Kernspintomografische Merkmale der erblichen Degeneration der Basalganglien (ADSD). Schnittbild durch das Gehirn von vorne nach hinten auf Höhe der Augen. a) Gesunde Kontrollperson, b) Patientin: Die betroffenen Gebiete der Basalganglien (Streifenkörper) stellen sich weiß dar. c) Dieselbe Abbildung wie b). Zur Verdeutlichung wurden die betroffenen Gebiete rot gefärbt. Copyright: UK S-H

Kontakt:
Institut für Experimentelle Medizin
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel

Professor Gregor Kuhlenbäumer
g.kuhlenbaeumer@neurologie.uni-kiel.de

Silke Appenzeller
s.appenzeller@neurologie.uni-kiel.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution235

Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Susanne Schuck, 07.01.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Januar 2010