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MELDUNG/238: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 18.11.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Erleichterung beim Austausch medizinischer Bilddaten
→  Herzkathetereingriff ohne Strahlenbelastung bei Kindern und Jugendlichen

Raute

OFFIS - Institut für Informatik - 16.11.2010

Erleichterung beim Austausch medizinischer Bilddaten

Anfang September 2010 wurde im Oldenburger Informatikinstitut OFFIS das Projekt "SWABIKö gestartet, das den Austausch von CDs bei der Durchführung von klinischen Studien erleichtern soll.

Medizinische Bilder werden im Rahmen klinischer Studien üblicherweise zwischen den beteiligten Institutionen auf CDs ausgetauscht. Diese CDs müssen weltweit den Anforderungen des sogenannten DICOM Standards (Digital Imaging and Communication in Medicine) genügen, der sowohl im normalen Behandlungskontext als auch in der klinischen Forschung bei der Durchführung von klinischen Studien Anwendung findet. Klinische Studien werden z. B. durchgeführt, um die Wirksamkeit neuer Medikamente zu prüfen. Im Behandlungszusammenhang werden Informationen zum Patienten wie Patientenname und Geburtsdatum sowie weitere Daten unsichtbar in jeder Bilddatei mit abgelegt. Um den Schutz der Patientendaten zu gewährleisten, definiert der DICOM Standard jedoch bestimmte Regeln, z. B. für den Einsatz in klinischen Studien. So müssen identifizierende Patientendaten entweder ersetzt oder entfernt werden. Dagegen müssen aber je nach Studie bestimmte Informationen erhalten bleiben (z. B. das Patientenalter), die eine sinnvolle Auswertung erst ermöglichen.

Das Forschungsprojekt "SWABIK" wurde am 1. September 2010 bei OFFIS gestartet. Das Projekt läuft über zwei volle Jahre und wird durch das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung (Förderkennzeichen 01 EZ 1023) gefördert. SWABIK steht für "Software-Werkzeuge für den Austausch von Bilddatenträgern in der klinischen Forschung". Das Projekt zielt darauf ab, den Austausch von medizinischen Bildern auf DICOM-Datenträgern zu unterstützen, um die Effizienz und Effektivität in der klinischen Forschung zu erhöhen. Um dieses Ziel zu erreichen, plant OFFIS Best-Practice-Leitfäden für den Umgang mit DICOM-Datenträgern in der klinischen Forschung zur Verfügung zu stellen, sowie standardisierte Software-Werkzeuge für das Erstellen und Einlesen von pseudonymisierten DICOM-Datenträgern zu entwickeln. Zudem soll eine Test-Software entstehen, mit der solche Datenträger auf etwaige Fehler untersucht werden können, die zu Problemen beim Einlesen führen könnten. Die Testergebnisse werden aufbereitet und Ärzten, Krankenschwestern oder auch Service-Technikern im Gesundheitswesen in einer geeigneten Darstellung präsentiert.

SWABIK wird von der Arbeitsgemeinschaft für Informationstechnologie (AGIT) der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) und durch die Koordinierungszentren für Klinische Studien (KKS-Netzwerk) unterstützt. Diese Organisationen steuern ihre praktischen Erfahrungen in der Durchführung klinischer Studien bei. Insgesamt wird das Projekt helfen, die Effektivität und Effizienz beim Austausch von medizinischen Bildern in der klinischen Forschung und insbesondere bei der Durchführung klinischer Studien zu steigern.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://swabik.offis.de
http://www.offis.de

OFFIS - Institut für Informatik
OFFIS ist ein 1991 gegründetes, international tätiges Forschungs- und Entwicklungsinstitut für ausgewählte Informatiktechnologien und praxisrelevante IT-Forschungsbereiche. Rund 250 Mitarbeiter vereinen in durchschnittlich 60 laufenden Forschungsprojekten Technologie- und Branchen-Know-how unter anderem in den Themenbereichen Energie, Gesundheit und Verkehr.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution663

Quelle: OFFIS - Institut für Informatik, Ann-Kathrin Sobeck, 16.11.2010

Raute

Universitätsklinikum Tübingen - 17.11.2010

Besonders sicherer Herzkathetereingriff für Kinder und Jugendliche

Ein großer Schritt nach vorne - besonders sicherer Herzkathetereingriff ohne Strahlenbelastung bei Kindern und Jugendlichen

Herzspezialisten und Elektrophysiologen am Universitätsklinikum Tübingen ist es erstmals in Deutschland gelungen, Herzrhythmusstörungen ohne Röntgenbelastung besonders sicher zu behandeln, indem Sie ein neues Verfahren nutzten, das den Anpressdruck des Katheters an den Herz- und Gefäßwänden kontrolliert. Der Eingriff wurde im Oktober an einer 16-jährigen Patientin durchgeführt. Damit kann das röntgenfreie Verfahren, das wegen der fehlenden Strahlenbelastung besonders für Kinder attraktiv ist, sicher durchgeführt werden. Ohne Anpressdruckkontrolle besteht immer die Gefahr, die Herzwand zu verletzen. Das verwendete System zur Kontrolle des Kathetereingriffs misst mit Sensoren die Anpresskraft des Katheters und ermöglicht die dreidimensionale Verfolgung des Vorgangs. Es kann in Zukunft auch bei der Katheterablation von Herzrhythmusstörungen bei Schwangeren zum Einsatz kommen.

- Was ist eine Herzrhythmusstörung?

Wenn wir uns anstrengen oder aufregen, schlägt unser Herz schneller, in Ruhe langsamer. Solche Herzfrequenzschwankungen sind normal, besonders bei Kindern. Bei Herzrhythmusstörungen gerät der Herzschlag jedoch grundlos "aus dem Takt", d.h. das Herz schlägt zu langsam, zu schnell oder unregelmäßig. Von einer Erkrankung sprechen die Ärzte dann, wenn das Herz ohne erkennbaren Anlass aus dem Takt gerät und in seiner Funktion beeinträchtigt ist. Oft zeigen sich solche Herzrhythmusstörungen bereits im Babyalter.

Die Ursache für die Störungen liegt oft bei den Leitungsbahnen im Herz. Im Durchschnitt schlägt das Herz 70 bis 80 mal in der Minute. Dieser gleichmäßige Herzschlag wird von einem Taktgeber (dem sogenannten Sinusknoten) im Herz gesteuert, der elektrische Impulse abgibt, die über das Reizleitungssystem an die Arbeitsmuskulatur des Herzens weitergegeben werden. Wenn der elektrische Impuls nicht den richtigen Weg nimmt, sondern z.B. auch über Nebenbahnen geleitet wird, kann es zu Herzrhythmusstörungen kommen.

- Wie werden Herzrhythmusstörungen behandelt?

Herzrhythmusstörungen können in jedem Lebensalter auftreten, auch bei Kindern und Jugendlichen. Eine Heilung ist durch die Beseitigung der Ursache mit Hilfe der "Katheterablation" möglich. Dabei wird mit einem Katheter im Herz gezielt jenes Gewebe stillgelegt, das den Herzschlag aus dem Takt bringt. Der Katheter, der die überflüssigen Nervenleitungsbahnen mit Hochfrequenzstrom verödet, wird dabei meist über eine Leistenvene bis zum Herz vorgeschoben. Hier ist es für den behandelnden Herzspezialisten äußerst wichtig, den Katheter sicher durch den Körper ins Herz zu führen.
Deshalb wird die Position des Kathethers über Röntgenaufnahmen genauestens verfolgt.

- Worin liegt der Fortschritt der neuen Behandlungsform?

Wie oben erklärt, werden zur Katheterkontrolle praktisch immer Röntgenstrahlen eingesetzt. Dies geht mit einer bestimmten Strahlenbelastung einher, die vor allem bei Kindern unerwünscht ist. Einen weiteren Schritt stellen röntgenfreie Katheterablationen dar, bei denen der Kardiologe sich auf sein Tastgefühl verlässt, um den Katheter durch den Körper bis ins Herz und dort an die richtige Stelle zu bringen. Bei dieser Art des Herantastens hängt die Höhe des Anpressdrucks des Katheters an die Gefäß- und Herzwände allein vom Tastgefühl und der Expertise des katheterführenden Arztes ab.

Am Universitätsklinikum Tübingen kommt jetzt ein Verfahren zum Einsatz, das sowohl röntgenfrei ist als auch eine zusätzliche hohe Sicherheit durch die Messung des Anpressdruckes an die Herz- und Gefäßwände bietet. Dies konnte jetzt von den Rhythmusexperten Dr. Gunter Kerst und Privatdozent Dr. Jürgen Schreieck, Leiter der Elektrophysiologie, gezeigt werden. Das Verfahren kam bei der Katheterablation einer 16-jährigen Patientin mit einer "Doppelung" in einem Teil des Reizleitungssystems (dem sogenannten AV-Knoten) zum Einsatz.

- Wie arbeitet das neue System?

Durch die Verwendung des neu entwickelten TactiCathTM-Katheters (Firma Endosense), der die Anpresskraft der Katheterspitze kontinuierlich misst, kann das Herz auch völlig ohne Röntgenstrahlen vorsichtig und sicher abgetastet werden. Die behandelnden Ärzte können die Katheterspitze millimetergenau auf der zu unterbrechenden Leitungsbahn platzieren und mit einem 3D-Lokalisationssytem (EnSite NavXTM, Firma St. Jude Medical) dreidimensional verfolgen. "Die wenigen bisher weltweit beschriebenen röntgenfreien Katheterablationen wurden ohne die Messung der Anpresskraft der Katheterspitze durchgeführt. Wir halten die Anpresskraftkontrolle für die Patientensicherheit für notwendig. Außerdem verspricht der Katheter den mittelfristigen Ablationserfolg zu verbessern", so die beiden Ärzte des Tübinger Universitätsklinikums, und "das Verfahren lässt sogar die Katheterablation von Herzrhythmusstörungen bei Schwangeren prinzipiell möglich erscheinen."


Ansprechpartner für nähere Informationen

Universitätsklinikum Tübingen
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Abteilung II
Pädiatrische Kardiologie, Pulmologie und Intensivmedizin
Hoppe-Seyler-Str. 1, 72076 Tübingen
Dr. Gunter Kerst, Oberarzt
gunter.kerst@med.uni-tuebingen.de

Universitätsklinikum Tübingen
Medizinische Klinik
Abteilung III
Kardiologie und Kreislauferkrankungen
Otfried-Müller-Str. 10, 72076 Tübingen
Privatdozent Dr. Jürgen Schreieck, Leiter Elektrophysiologie
Juergen.Schreieck@med.uni-tuebingen.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.medizin.uni-tuebingen.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:

http://idw-online.de/pages/de/image129441
Röntgenfrei während der Untersuchung erstelltes 3D-Bild
Bildlegende
Röntgenfrei während der Untersuchung erstelltes 3D-Bild Blickwinkel auf das Herz von links-seitlich (entsprechend dem Torso in der rechten oberen Ecke des Bildes). Dargestellt sind der rechte Vorhof des Herzens, sowie die untere und obere Hohlvene (graue Anteile des Herzens) und das venöse Sammelgefäß des Herzens (hellbrauner Anteil des Herzens). Der verwendete Katheter befindet sich an dem Teil der Doppelung des Reizleitungssystems, welches zur Beseitigung des Herzrasens stillgelegt wird (rote Punkte). Der wichtige Teil des Reizleitungssystems bleibt so erhalten (gelbe Punkte). Das Bild von rechtem Vorhof, der unteren und oberen Hohlvene, sowie des venösen Sammelgefäßes des Herzens ist durch das Abtasten dieser Strukturen mit dem verwendeten TactiCathTM-Katheter vollkommen ohne Röntgenstrahlen entstanden. Durch die kontinuierliche Anpresskraftmessung kann das Abtasten besonders vorsichtig und sicher erfolgen.

http://idw-online.de/pages/de/image129442

Universitäts-Kinderklinik Tübingen

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution82

Quelle: Universitätsklinikum Tübingen, Dr. Ellen Katz, 17.11.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. November 2010