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MELDUNG/270: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 12.01.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Die Guten ins Töpfchen - die Schlechten ins Kröpfchen
      Qualitätskontrolle in Muskelzellen
→  Forschungspreis: Neue Therapien gegen Krebs schneller in die Klinik bringen
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Raute

Leibniz-Institut für Altersforschung / Fritz-Lipmann-Institut e.V. (FLI) - 11.01.2011

Die Guten ins Töpfchen - die Schlechten ins Kröpfchen

Qualitätskontrolle in Muskelzellen

Durch das korrekte Zusammenspiel von Acetylcholin mit dem Acetylcholin-Rezeptor (AChR) können Befehle von den Nerven auf unsere Muskeln übertragen und Kontraktionen ausgeführt werden. Wird dieses Zusammenspiel gestört, sind meist Krankheiten die Folge. AChR ist ein hochkomplexes, aus mehreren Protein-Untereinheiten bestehendes Molekül. Da ein fehlerhafter oder unvollständiger Zusammenbau zu Funktionsverlust führen kann, unterliegt er sowohl bei der Synthese als auch beim Zusammenbau einer strikten Qualitätskontrolle. Spezielle Kontrollmechanismen gewährleisten, dass nur richtig zusammengebaute Rezeptoren an die Oberfläche der Zelle gelangen dürfen, während fehlerhafte zurückbehalten werden.

Wissenschaftlern aus Jena und Karlsruhe ist es nun gelungen, eine wichtige Komponente dieser Qualitätssicherung im Muskel von Mäusen zu finden und seine Rolle bei der Kontrolle nachzuweisen; ein erster Schritt zum Verständnis dieser komplexen Prüfmechanismen.

Sollen Arme oder Beine bewegt werden, dann signalisieren Nervenzellen den Muskeln, sich zu kontrahieren. Diese Reizübertragung erfolgt an den motorischen Endplatten. Von den Nervenzellen wird der Neurotransmitter Acetylcholin (ACh) freigesetzt, der anschließend an die Acetylcholin-Rezeptoren (nikotinische AChR), den "Antennen" der Muskeln, bindet und dadurch die Kontraktion einleitet.

Der nAChR besteht aus 5 Untereinheiten: zwei α-Untereinheiten und jeweils einer β-, δ- und γ- oder ε-Untereinheit. Diese bilden an der Kontaktstelle zwischen Nerv und Muskel einen Ionenkanal, der sich durch Bindung von ACh öffnet und Na(+)-Ionen in den Muskel einlässt. Das daraus resultierende elektrische Signal führt dann zur Kontraktion der Muskelfasern.

Im endoplasmatischen Retikulum (ER) werden die nAChR-Untereinheiten synthetisiert und zum nAChR-Komplex zusammengebaut. Das ER fungiert dabei wie eine Fabrik: alle für die Plasmamembran oder die Umgebung der Zelle bestimmten Proteine werden hier hergestellt und vor Auslieferung durch spezielle Kontrollmechanismen auf ihre Qualität hin überprüft. D.h. nach dem Aschenputtel-Prinzip dürfen nur fertig zusammengebaute Komplexe (Die Guten...) die Zelle verlassen, während defekte Komplexe oder einzelne Bausteine (Die Schlechten...) daran gehindert und zurücktransportiert werden. Obwohl nAChR eines der wichtigsten und am besten untersuchten Moleküle ist, ist dennoch wenig über die Kontrollmechanismen, die Art und Weise des Zusammenbaus und den daran beteiligten Proteinen bekannt.

Forschern um Dr. Christoph Kaether vom Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena und Dr. Rüdiger Rudolf vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), zusammen mit Instituten in Kiel und Padua (Italien), gelang es nun, eine wichtige Komponente dieser Kontrollmechanismen zu entschlüsseln und seine Rolle bei der Qualitätsprüfung im Muskel nachzuweisen; ein erster, wichtiger Schritt für das Verständnis, wie die Qualitätssicherung funktionieren könnte. Diese Forschungen wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt und die Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der anerkannten Fachzeitschrift "PNAS" (December 27, 2010; DOI: 10.1073/pnas.1001624108) publiziert.

"Uns gelang der Nachweis, das Rer1, ein neuartiges Sortier-Protein, durch Bindung an die α-Untereinheiten von nAChR dafür sorgt, dass diese im ER bleiben, bis sie in einen Rezeptor-Komplex eingebaut werden. Rer1 ist folglich an der Qualitätskontrolle beteiligt und steuert den Zusammenbau von nAChR-Komplexen im Muskel", so Dr. Christoph Kaether, Nachwuchsgruppenleiter der AG Membrantransport am FLI.

Die Forscher konnten in Zellkulturen und Mäusen zeigen, dass nach Entfernung von Rer1 die Qualitätskontrolle nicht mehr richtig funktionierte und freie α-Untereinheiten das ER verließen, ohne in einen Komplex eingebaut worden zu sein. "Dieser Rer1-Mangel führte bei Mäusen zu kleineren neuromuskulären Endplatten und dünneren Muskelfasern, was auch eine Störung der Signalübertragung vermuten lässt", deutet Kaether an. "Mit diesen neuen Erkenntnissen haben wir nicht nur eine wichtige Komponente des Kontrollmechanismus identifiziert, sondern wir verstehen nun langsam, wie dieser funktionieren könnte, was gerade im Hinblick auf krankheitsbedingte Fehlfunktionen des Muskels ein wichtiger Ansatz wäre."

Der mit dem Alter einhergehende Schwund von Muskelmasse und -kraft, der durch einen passiven Lebensstil noch verstärkt werden kann, wird allgemein als Muskelschwund (Sarkopenie) bezeichnet. "Wir stellen uns die Frage, ob es womöglich einen Zusammenhang zwischen Sarkopenie und dem Vorhandensein bzw. Fehlen von Rer1 im gealterten Muskel gibt", merkt Christina Valkova an. Die Post-Doktorandin in der Kaether-Gruppe hat bereits mit den Arbeiten zu dieser Fragestellung begonnen.

Kontakt:
Dr. Kerstin Wagner
Leibniz-Institut für Altersforschung -
Fritz-Lipmann-Institut (FLI)
Beutenbergstr. 11, 07745 Jena
E-Mail: koordinator@fli-leibniz.de

Originalpublikation:
Ch. Valkova, M. Albrizio, I.V. Röder, M. Schwake, R. Betto, R. Rudolf, Ch. Kaether:
Sorting receptor Rer1 controls surface expression of muscle acetylcholine receptors by ER retention of unassembled {alpha}-subunits.
Proc Natl Acad Sci USA. (2010), Dec 27
DOI: 10.1073/pnas.1001624108

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image132690
Mikroskopische Aufnahme der neuromuskulären Endplatten eines Bauchfellmuskels der Maus mit den zugehörigen Nervenfasern. Der nikotinische Acetylcholin-Rezeptor (nAChR) in den Endplatten ist rot gefärbt, die Nervenfasern grün.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution517

Quelle: Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut e.V. (FLI), Dr. Kerstin Wagner, komm., 11.01.2011

Raute

Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 11.01.2011

Forschungspreis - Neue Therapien gegen Krebs schneller in die Klinik bringen

Dr. Matthias Wölfl, Facharzt für Kinderheilkunde an der Universitäts-Kinderklinik Würzburg, gehört zu den Gewinnern des Translational Research Training Award 2011. Mit dieser Auszeichnung ist ein Fortbildungsprogramm verbunden, das Wölfl dabei unterstützen soll, neue Therapien schneller vom Labor in die Klinik zu bringen.

Jedes Jahr vergibt die European Hematology Association gemeinsam mit der American Association of Hematology den Translational Research Training Award. Eine international besetzte Jury sucht dafür weltweit 20 Preisträger aus. Matthias Wölfl (39) ist in diesem Jahr der einzige Kinderarzt aus einer deutschen Einrichtung.

Mit der Auszeichnung wollen die beiden Gesellschaften junge Wissenschaftler mit zukunftsweisenden Forschungsprojekten aus dem Bereich der Hämatologie fördern. Bedingung dafür ist: Die Wissenschaftler müssen an Projekten arbeiten, die dazu geeignet sind, neue Therapien zur Behandlung von Krankheiten schnell "ans Krankenbett" zu bringen. Damit dies gelingt, erhalten die Forscher anstelle eines Preisgelds die Möglichkeit, sich im Rahmen eines einjährigen Programms in Intensivkursen mit den besonderen Aspekten und Herausforderungen dieser Art von Forschung zu beschäftigen.

Woran Matthias Wölfl forscht

Matthias Wölfl forscht in der Arbeitsgruppe von Professor Paul G. Schlegel, dem Leiter des Stammzell-Transplantationszentrums der Universitäts-Kinderklinik. Hier sucht er unter anderem nach neuen immuntherapeutischen Ansätzen für Kinder und Jugendliche mit akuten Leukämien und Lymphomen. "Unser Ziel ist es, immunologische Mechanismen des Körpers zu stärken", erklärt Wölfl. Die Möglichkeiten einer Stammzell-Transplantation von einem gesunden Spender sollen durch dieses Projekt noch erweitert werden, um die Abwehrzellen "fit zu machen für den Kampf gegen die Tumorzellen".

Die Therapiemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche mit einer solchen Erkrankung sind in den letzten Jahrzehnten sprunghaft verbessert worden. Trotzdem reichen bei einem Teil dieser Patienten die herkömmlichen Therapiemöglichkeiten, wie zum Beispiel die Chemotherapie, nicht aus, weshalb neue Therapieansätze deshalb dringend benötigt werden.

Wofür der Preis gut ist

Was die "besonderen Herausforderungen" dieser Art von Forschung - Wissenschaftler sprechen von "translationeller Forschung" - sind? "Die regulatorischen Hürden beispielsweise durch das Arzneimittelgesetz sind sehr hoch, wenn man eine neue Therapie in die klinische Erprobung bringen will", sagt Wölfl. Ein kleines Team von Wissenschaftlern tue sich damit deutlich schwerer als ein großer Pharmakonzern mit Jahrzehnte langer Erfahrung. Deshalb sei die Unterstützung durch den Translational Research Training Award gerade in diesem Bereich hoch willkommen. Die bisherigen Arbeiten zu diesem Projekt waren in den vergangenen zwölf Monaten durch das 4. Benefizkonzert der Würzburger Druck- und Medienverlage erfolgreich gefördert worden.

Kontakt
Dr. Matthias Wölfl
Woelfl_M@klinik.uni-wuerzburg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution99

Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Robert Emmerich, 11.01.2011

Raute

Justus-Liebig-Universität Gießen - 11.01.2011

Warum Influenza-Viren so gefährlich sind

Im Rahmen des bundesweiten Zoonosen-Forschungsverbunds FluResearchNet werden zwei Gießener Projekte vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund 300.000 Euro gefördert - Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Helge Braun übergibt Bewilligungsbescheide

Influenza-Viren können Krankheiten erzeugen, die von Tieren auf Menschen übertragen werden können - Vogel- und Schweinegrippe sind nur zwei Beispiele für eine Zoonose. Die Pathogenitätsmechanismen von Influenza-Viren stehen im Fokus des bundesweiten Forschungsverbunds FluResearchNet, an dem mit den Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Stephan Pleschka (Institut für Medizinische Virologie) und Prof. Dr. Jürgen Lohmeyer (Zentrum für Innere Medizin, Medizinische Klinik II) auch Forscher der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) beteiligt sind. Das Projekt von Prof. Pleschka wurde nach drei erfolgreichen Jahren vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in die zweite Förderperiode aufgenommen; Prof. Lohmeyer, bislang assoziiertes Mitglied des Forschungsverbunds, kam mit seinem Projekt neu hinzu. Dr. Helge Braun, Parlamentarischer Staatssekretär im BMBF, übergibt die Bewilligungsbescheide in Höhe von insgesamt rund 300.000 Euro am Donnerstag, 13. Januar 2011, um 10 Uhr im Senatssaal im Universitätshauptgebäude (Ludwigstraße 23, 35390 Gießen).

Nach der Begrüßung durch JLU-Kanzler Dr. Michael Breitbach stellen Prof. Pleschka und Prof. Lohmeyer ihre Forschungsprojekte vor. Prof. Dr. Werner Seeger, Ärztlicher Geschäftsführer des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM), wird eine Stellungnahme aus Sicht des UKGM abgeben.

Prof. Pleschka untersucht die Rolle der genetischen Neuverteilung zwischen verschiedenen Influenza-Viren und von Mutationen bei der Übertragung von Influenza-A-Viren zwischen verschiedenen Spezies. Sein Teilprojekt wird von Januar 2011 bis Dezember 2013 mit rund 187.000 Euro gefördert; in der ersten Förderperiode (2007 bis 2010) wurde der Forscher bereits mit 218.000 Euro vom BMBF unterstützt.

Prof. Lohmeyer beschäftigt sich mit den Pathogenitätsfaktoren von pandemischen und hochpathogenen Influenza-Viren, die zu schweren Lungenentzündungen mit Lungenversagen führen können. Die Förderperiode dieses Teilprojekts begann bereits im Oktober 2010; für drei Jahre wurden rund 130.000 Euro vom BMBF bewilligt.

Ziel des Verbunds FluResearchNet ist die Charakterisierung der Virus-Wirtsbeziehungen sowie der viralen, zellulären und genetischen Determinanten, die den Übertritt des Influenza-Virus auf eine andere Spezies beeinflussen.

Kontakt:
Prof. Dr. Stephan Pleschka
Institut für Medizinsche Virologie
Frankfurter Straße 107, 35392 Gießen

Prof. Dr. Jürgen Lohmeyer
Zentrum für Innere Medizin
Medizinische Klinik II
Klinikstraße 36, 35392 Gießen

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution217

Quelle: Justus-Liebig-Universität Gießen, Caroline Link, 11.01.2011

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2011