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MELDUNG/547: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 14.05.12 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Herzenssache für Spitzen-Wissenschaftler:
      Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung eröffnet
→  Neuer Studiengang "Management in der Gesundheitswirtschaft (B. Sc.)"
      an der Hochschule Rosenheim
→  TGN1412 - wichtiger Kofaktor identifiziert
      Potenziale und Risiken superagonistischer Antikörper



Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch - 10.05.2012

Herzenssache für Spitzen-Wissenschaftler - Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung eröffnet

Berlin, 10. Mai 2012. 140 Wissenschaftler in ganz Deutschland arbeiten nun zusammen für ein Ziel: Unter dem Dach des neu gegründeten Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) bündeln sie ihre Kräfte, um die Prävention, Diagnostik und Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verbessern. "Damit im Kampf gegen Volkskrankheiten wie etwa Herzinsuffizienz und Herz-Rhythmusstörungen aus vielen kleinen Schritten ein großer werden kann", sagte Prof. Thomas Eschenhagen, der Vorstandsvorsitzende des DZHK, während der Auftaktveranstaltung in Berlin.

Staatssekretär Dr. Georg Schütte vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) führte aus: "Im Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung werden die auf ihrem Gebiet besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter einem gemeinsamen institutionellen Dach zusammengeführt, um fächer- und einrichtungsübergreifend zu forschen. Damit setzt das DZHK, wie die anderen fünf Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung, innovative Akzente im deutschen Wissenschaftssystem."

Wissenschaftliche Kooperation für unabhängige klinische Studien Prof. Gerd Hasenfuß, Mitglied des dreiköpfigen DZHK-Vorstands: "Die Zusammenarbeit im DZHK ermöglicht es uns zum Beispiel, unabhängige klinische Herz-Kreislauf-Studien durchzuführen, um neue Medikamente oder Therapien zu evaluieren." DZHK-Vorstand Prof. Walter Rosenthal ergänzte: "Ein wesentliches Ziel des DZHK ist die sogenannte Translation: Erkenntnisse der Grundlagenforschung sollen schneller in die klinische Forschung gebracht werden und bei den Patienten ankommen."

Mit den Chancen und Möglichkeiten der translationalen medizinischen Forschung beschäftigte sich in seinem Festvortrag auch Prof. Garret A. FitzGerald von der University of Pennsylvania in Philadelphia (USA). Prof. Hugo Katus, Sprecher des Heidelberger DZHK-Standorts, beschrieb als "Vater" des Troponin-Tests eine Erfolgsgeschichte der translationalen kardiologischen Forschung in Deutschland.

Vor der festlichen Auftaktveranstaltung hatten sich erstmals die 140 am DZHK beteiligten Spitzen-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler getroffen. Im Mittelpunkt stand die Planung der gemeinsamen Forschungsarbeiten, daneben fand auch die erste Mitgliederversammlung des DZHK-Vereins statt, auf der Joachim Krebser zum Geschäftsführer bestellt wurde.

Aufbau des DZHK erfolgreich begonnen

Innerhalb kürzester Zeit wurden zahlreiche wissenschaftliche Projekte gestartet und innovative Wege der Zusammenarbeit aller Partner entwickelt. Die Standorte des DZHK sind: Berlin, Göttingen, Greifswald, Hamburg/Kiel/Lübeck, Heidelberg/Mannheim, München und RheinMain. An diesen sieben Standorten arbeiten insgesamt 26 universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen als Partner zusammen, darunter das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch.

Die Fördermittel steigen in den ersten Jahren kontinuierlich an, ab 2015 wird das DZHK rund 40 Millionen Euro pro Jahr erhalten. Den Bundesanteil von 90 Prozent der Fördersumme finanziert das Bundsministerium für Bildung und Forschung. Die verbleibenden 10 Prozent erhält jede DZHK-Partnereinrichtung von ihrem jeweiligen Bundesland. Das DZHK ist eines von sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG). Ziel aller DZG ist die Bekämpfung von Volkskrankheiten.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution672

Quelle: Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch, Barbara Bachtler, 10.05.2012

Raute

Hochschule für angewandte Wissenschaften, Fachhochschule Rosenheim - 11.05.2012

Neuer Studiengang "Management in der Gesundheitswirtschaft (B. Sc.)" an der Hochschule Rosenheim

Zum Wintersemester 2012/13 startet an der Hochschule Rosenheim der neue Studiengang "Management in der Gesundheitswirtschaft". Der Studiengang ist auf sieben Semester angelegt und vermittelt Fachkompetenzen in den drei Wissensgebieten Gesundheitswirtschaft, Management und Methoden: In seiner Konzeption ist er im Vergleich zu anderen betriebswirtschaftlichen Studiengängen in Deutschland einzigartig. Für die kommenden Jahre plant die Hochschule Rosenheim einen weiteren Ausbau zukunftsorientierter Studiengänge im Bereich Gesundheit.

Rosenheim, 11. Mai 2012. Das Thema Gesundheit ist einer der prognostizierten Innovationstreiber der kommenden Jahre. Die Hochschule Rosenheim bietet mit dem neuen Bachelorstudiengang "Management in der Gesundheitswirtschaft" ab dem Wintersemester 2012/13 eine attraktive Ausbildung für hochqualifizierte Arbeitskräfte in diesem Bereich an. Noch bis zum 15. Juli 2012 ist eine Bewerbung für den zulassungsfreien Studiengang möglich.

In sieben Semestern (sechs Theorie-, ein Praxissemester) werden Studierende an der Hochschule Rosenheim künftig zum Abschluss B. Sc. im "Management in der Gesundheitswirtschaft" geführt. Der Fokus des Studiengangs auf naturwissenschaftlich-methodischen Fächern, empirischer Sozialforschung sowie Theorien verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen ist im Vergleich zu anderen betriebswirtschaftlichen Studiengängen in Deutschland einzigartig. Darüber hinaus zeichnet er sich durch hohe Praxisorientierung aus: Praktika, Projekte mit realen Auftraggebern, Exkursionen und Fallstudien sowie Gastreferenten aus führenden Unternehmen und Organisationen der Gesundheitswirtschaft sind in den Studienablaufplan integriert. So wird eine hohe Qualifizierung der Studierenden für verschiedene Einsatzgebiete in den Sektoren der Gesundheitswirtschaft garantiert. Mögliche Arbeitgeber für Absolventen sind beispielsweise Krankenhäuser und Krankenkassen sowie sonstige Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft. Durch die gezielte Vorbereitung und Schulung von sozialen Kompetenzen sowie Selbstmanagement und Belastbarkeit während des Studiums und studienbegleitender Tätigkeiten, sind sie für die Unternehmen schnell produktiv und flexibel einsetzbar.

"Gemessen an der Beschäftigungszahl ist der Gesundheitsbereich bereits heute die größte Branche Deutschlands und für junge Akademiker ein zukunftsorientiertes Arbeitsfeld. Der neue Studiengang "Management in der Gesundheitswirtschaft" wurde in Zusammenarbeit mit zahlreichen Unternehmen aus der Gesundheitswirtschaft den stetig steigenden Anforderungen an die Mitarbeiterqualifikation in diesem Bereich angepasst", so Prof. Dr. Jörg Saatkamp, Leiter des neu gegründeten Instituts für Gesundheit an der Hochschule Rosenheim.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.fh-rosenheim.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1556

Quelle: Hochschule für angewandte Wissenschaften - Fachhochschule Rosenheim, Daniela Kraus, 11.05.2012

Raute

Paul-Ehrlich-Institut, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel - 11.05.2012

TGN1412 - wichtiger Kofaktor identifiziert

Potenziale und Risiken superagonistischer Antikörper

Vor sechs Jahren kam es bei einer klinischen Studie mit dem monoklonalen Antikörper TGN1412 bei den Studienteilnehmern zu einer Entgleisung des Immunsystems mit Multiorganversagen. Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts haben jetzt die Interaktion des induzierbaren Kostimulators "ICOS" auf der T Zelle mit seinem Liganden "LICOS" auf der Endothelzelle als wichtigen Auslöser der Immunreaktion durch TGN1412 identifiziert. Dass über zwei kostimulatorische Signale eine polyklonale T Zellaktivierung induziert werden kann, zeigt zum einen die Möglichkeiten, zum anderen aber auch die Risiken solcher Antikörper. Über die Forschungsergebnisse berichtet Blood in der Online-Ausgabe vom 10.05.2012 (US-Zeit)

Im März 2006 sorgte eine klinische Prüfung im Vereinigten Königreich für große Aufregung: In einer "First-in-Man"-Studie erhielten sechs gesunde Probanden den humanisierten monoklonalen Antikörper TGN1412. Der CD28-Superagonist befand sich in der klinischen Entwicklung u.a. zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis (s. Hintergrund). Bei allen Probanden kam es bereits kurz nach der Gabe von TGN1412 zu einer akuten massiven Freisetzung von immunologischen Botenstoffen (Zytokinsturm). Diese schwere lebensbedrohliche Entgleisung des Immunsystems machte eine intensivmedizinische Betreuung der Studienteilnehmer erforderlich und führte zu Gesundheitsschäden.

Wissenschaftler weltweit beschäftigen sich mit den immunologischen Prozessen in Verbindung mit dem "Superagonisten" TGN1412. Anders als bei einer normalen Aktivierung der T-Zelle über die spezifische Antigenbindung an seinen Rezeptor plus weiterer Gefahrensignale (s. Hintergrund) erfolgt die Aktivierung der T-Zelle durch einen solchen Superagonisten unabhängig vom T-Zell-Rezeptor. Allerdings konnte gezeigt werden, dass sich in vitro die periphere T-Zelle allein durch Zugabe von löslichem TGN1412 nicht aktivieren lässt. Es wurde seitdem postuliert, dass erst die Kreuzvernetzung beziehungsweise die Immobilisierung des monoklonalen Antikörpers über seinen konstanten Fc-Teil an den Fc-gamma-Rezeptor bestimmter Zellen die Aktivierung ermöglicht.

Die schnelle Immunreaktion der Studienteilnehmer nach TGN1412-Gabe ließ Immunologen des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) um die Nachwuchsgruppenleiterin PD Dr. Zoe Waibler vermuten, dass entweder Blut- oder Endothelzellen an den beobachteten Effekten beteiligt sind. Mit ihnen kommt der Antikörper bei intravenöser Gabe zuerst in Kontakt. Die Forscher konzentrierten sich auf humane Nabelschnurendothelzellen (HUVEC, human umbilical vein endothelial cells), das am besten etablierte Modell für humane Endothelzellen. Sie konnten tatsächlich zeigen, dass sich periphere T-Zellen durch TGN1412 allein nicht stimulieren lassen, in Anwesenheit der Endothelzellen dagegen schon. Völlig überraschend war jedoch der Befund, dass die Fc-gamma-Rezeptoren entgegen den bisherigen Annahmen für die Wirksamkeit der Endothelzellen bei der TGN1412-vermittelten T-Zellaktivierung keine Rolle spielten.

Welcher Bestandteil der Endothelzellen war nun aber für den beobachteten Effekt verantwortlich? Die PEI-Forscher untersuchten eine ganze Reihe kostimulatorischer Moleküle und machten schließlich die Interaktion zwischen dem induzierbaren Kostimulator "ICOS" auf der T Zelle des Immunsystems und seinem Liganden "LICOS" auf der Endothelzelle als Signal aus. Erst durch dieses zweite Signal kam es zur Aktivierung der T-Zelle. "Wir konnten zeigen, dass TGN1412 in Verbindung mit einem weiteren kostimulatorischen Signal eine antigenunabhängige T-Zellaktivierung herbeiführt", erläutert Waibler die Befunde, und ergänzt: "Dass die Fc:Fc-Rezeptor-Interaktion in diesem In-vitro-System keine Rolle spielt, war für alle völlig unerwartet."

Die antigenunabhängige Antwort bedeutet, dass - anders als bei der physiologischen Antwort - durch diesen Agonisten nicht ein T-Zell-Klon mit einem jeweils spezifischem T-Zell-Rezeptor aktiviert wird, sondern viele verschiedene. "Die Fähigkeit dieses Superagonisten, eine antigenunabhängige polyklonale T-Zellaktivierung herbeizuführen, zeigt das enorme therapeutische Potenzial, gleichzeitig aber auch die Risiken solcher immunaktivierenden Antikörper auf", betont Prof. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts. "Befunde wie diese tragen zu einem besseren Verständnis der immunologischen Prozesse bei. Dieses ist notwendig, um noch besser als bisher im Vorfeld klinischer Prüfungen die immunologische Reaktion solcher Superagonisten abschätzen zu können."

Originalpublikation
Weißmüller S, Semmler LY, Kalinke U, Christians S, Müller-Berghaus J, Waibler Z (2012):
ICOS-LICOS interaction is critically involved in TGN1412-mediated T cell activation.
Blood May ... [Epub ahead of print].
DOI: 10.1182/blood-2011-12-401083

Weitere Informationen finden Sie unter
http://bloodjournal.hematologylibrary.org/content/early/2012/05/10/blood-2011-12-401083.abstract
Abstract der Publikation (mit Link zum Volltext)

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image170695
Die Interaktion zwischen ICOS und LICOS ist an der TGN1412-vermittelten T-Zell-Aktivierung beteiligt

Hintergrund
Das Immunsystem schützt uns sowohl vor Krankheitserregern von außen als auch vor schadhaft gewordenen körpereigenen Zellen. Die sogenannten T-Lymphozyten oder auch kurz T-Zellen nehmen bei der spezifischen zellulären Abwehr des Körpers eine Schlüsselrolle ein. Damit nicht versehentlich gesunde Zellen des Körpers attackiert werden, sorgt ein mehrstufiges Signalsystem dafür, dass erst nach "Bestätigung" durch mindestens ein weiteres Gefahrensignal die Immunantwort ausgelöst wird. Das Erstsignal - so das Postulat der klassischen Immunologie - ist die "Präsentation" des Antigens, beispielsweise eines Eiweißbruchstücks eines Krankheitserregers, auf sogenannten antigenpräsentierenden Zellen und die Erkennung durch den T-Zell-Rezeptor. Das prominenteste zweite "kostimulatorische" Signal ist die Bindung des CD28-Rezeptors auf der T-Zelle an CD80 oder CD86 auf der Oberfläche der antigenpräsentierenden Zelle, vergleichbar einem zweiten Schlüssel-Schloss-System einer Tresortür. An dieser Stelle greift der monoklonale Antikörper TGN1412 an. Er bindet direkt an CD28 und aktiviert antigenunabhängig CD28-positive T-Zellen, d.h. T-Zellen, die diesen Kostimulator tragen.
Im Tierversuch hatte TGN1412 zu einer schnellen Aktivierung und Zunahme sogenannter immundämpfender regulatorischer T-Zellen geführt, die für die Ausgewogenheit des Immunsystems verantwortlich sind. Passend zu diesem Befund erwies sich TGN1412 bei Autoimmunerkrankungen im Tiermodell als wirksam und führte zu einer Zunahme antientzündlicher Zytokine. Umso unerwarteter war der lebensbedrohliche Zytokinsturm bei den Studienteilnehmern. Dies zeigt, dass das menschliche Immunsystem auf diesen superagonistischen CD28-Antikörper völlig anders reagiert als das Immunsystem von Ratten, Mäusen oder Affen, die im Vorfeld untersucht worden waren.
Mitarbeiter des PEI forschen nicht nur intensiv an den Mechanismen, die der TGN1412-bedingten T-Zell-Aktivierung zugrunde liegen, sondern sie gingen unmittelbar nach dem Vorfall auch der Frage nach, wie sich mit Hilfe regulatorischer Vorgaben eine solche Katastrophe verhindern lassen könnte und waren maßgeblich an der Formulierung einer neuen europäischen Guideline beteiligt (1).

(1)‍ ‍Strategies to identify and mitigate risks for first-in-human clinical trials with investigational medicinal products
Dokument Nr. CHMP/SWP/28367/07 (July 2007)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution430

Quelle: Paul-Ehrlich-Institut - Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, Dr. Susanne Stöcker, 11.05.2012

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2012