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RAUCHEN/540: Süchtig und krank - aber keine Therapie auf Kassenkosten (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 12/2017

Nikotin
Süchtig und krank - aber keine Therapie auf Kassenkosten

von Dirk Schnack


Patienten aus Schleswig-Holstein suchen gerichtliche Klärung, damit ihre Therapie erstattet wird. Ärzte sehen noch Vorurteile gegen Raucher, die nicht aufhören können.


Der Nichtraucherschutz in Deutschland zeigt Wirkung. Die Standorte, an denen der Gesetzgeber das Rauchen erlaubt, sind spürbar eingeengt, unter Kindern und Jugendlichen nimmt der Anteil der Raucher ab. Ob Deutschland trotzdem noch eine der "letzten Nichtraucherhöllen Europas" ist, wie es der Lobbyverein "Pro Rauchfrei" formulierte, oder, wie die Zigarettenindustrie schrieb, mit dem Werbeverbot gegen "verfassungsrechtlich geschützte Freiheiten" verstößt, ist eine Frage der Perspektive.

Unabhängig von solchen Auseinandersetzungen steht fest, dass es zahlreiche Patienten in deutschen Arztpraxen gibt, die nikotinabhängig sind und es ohne ärztliche Therapie nicht schaffen, mit dem Rauchen aufzuhören. Diese Zahl wird auf rund sechs Millionen geschätzt. Eine Therapie ist möglich, die Kostenübernahme aber nach Ansicht der Krankenkassen durch das Sozialgesetzbuch nicht gedeckt. Patienten aus Schleswig-Holstein bemühen sich deshalb vor den Sozialgerichten um eine Klärung der umstrittenen Frage.

Ärzte wie der Eckernförder Allgemeinmediziner Dr. Ulf Ratje unterstützen sie mit ihrem Wissen und dem Netzwerk über die Deutsche Gesellschaft für Nikotin- und Tabakforschung. Dabei stoßen sie in der Bevölkerung und unter ärztlichen Kollegen noch auf Vorurteile. Die unter ihnen verbreitete Auffassung, Raucher sollten doch einfach aufhören und seien selbst in der Verantwortung, löst das Problem nicht. Viele Süchtige rauchen seit Jahrzehnten und schon seit Jugendtagen. Diese Abhängigkeit zu durchbrechen, ist für viele Betroffene nicht zu schaffen. Ratje und andere Ärzte versuchen, ihnen durch eine professionelle Therapie zu helfen, für die es allerdings keine Finanzierung über die Krankenkassen gibt.

Der jahrelange Einsatz für eine Kostenübernahme geht jetzt in die Zielgerade. Im kommenden Jahr entscheiden Gerichte voraussichtlich über mehrere Klagen von Betroffenen. Ratje erhofft sich nicht nur einen positiven Ausgang für seine Patienten, sondern auch Präzedenzcharakter, damit abhängigen Rauchern eine leitliniengerechte Therapie ermöglicht wird und ihnen Folgeerkrankungen erspart bleiben.


Nikotinabhängigkeit
Druck, aber keine Hilfe für Raucher

Der öffentliche Druck auf Raucher steigt, zugleich sinkt ihr Anteil in der Bevölkerung. Wer aber hilft den Patienten, die ohne professionelle Unterstützung nicht aufhören können?

Rauchen war in Deutschland bis vor zehn Jahren eine öffentliche Angelegenheit. Besonders in Kneipen und Gaststätten galt es über Jahrzehnte als normal, wenn sich Raucher eine Zigarette anzündeten - vor und nach dem Essen, selbst wenn am Nachbartisch gerade das Essen serviert wurde. Seitdem hat das 2007 in Kraft getretene Nichtraucherschutzgesetz in Deutschland für viel Veränderung gesorgt. Rauchen in der Öffentlichkeit ist deutlich seltener geworden und an vielen Stellen verboten.

Positiv ist auch, dass Rauchen unter Heranwachsenden nicht mehr als "cool" gilt; der Anteil der Raucher unter den Jugendlichen ist zurückgegangen. Ende der 90er Jahre rauchten in Deutschland noch rund 30 Prozent der 12- bis 17-Jährigen, heute sind es nur noch rund zehn Prozent - vielleicht auch eine Wirkung der Schockbilder, die der Gesetzgeber auf den Packungen vorschreibt? Die Tabakbranche zeigt sich davon unbeeindruckt. "Der Markt für Tabakprodukte hat sich im ersten Halbjahr 2017 weitgehend stabil entwickelt", teilte der Deutsche Zigarettenverband (DZV) im Herbst mit. Die deutschen Konsumenten zeigten sich nach Verbandsauffassung von den Schockbildern auf den Packungen von Zigaretten und Feinschnitttabak sowie von den neuen Textwarnhinweisen bei Zigarren, Zigarillos und Pfeifen "wie erwartet kaum beeindruckt". Die Industrie beklagt nicht etwa die gesundheitlichen Folgen des Konsums ihrer Produkte, sondern "die deutlich gestiegenen bürokratischen Verpflichtungen", die der Gesetzgeber der "vielfältigen mittelständischen Industrie" auferlegt habe. Von der nächsten Bundesregierung fordert der Verband ein Regulierungsmoratorium "und keine neuen Verbote und bürokratischen Lasten".

Der Lobbyverband beklagte schon im vergangenen Jahr das Werbeverbot für Tabakprodukte, führte dagegen Bewertungen von Verfassungsrechtlern an und sprach von einem "Anschlag auf ordnungspolitische Prinzipien der Marktwirtschaft". Eine Notwendigkeit für ein solches Verbot sah der Verband schon deshalb nicht, weil sich "die Raucherprävalenz unter Kindern und Jugendlichen seit Jahren im Sturzflug" befinde. Immerhin: Dies wird vom Verband als "erfreuliche Entwicklung" angesehen.

Fest steht aber, dass das Einatmen von Tabakrauch als häufigste Einzelursache von Krebs gilt. Die Deutsche Krebsgesellschaft stellt klar, dass Rauchen neben Lungenkrebs auch Krebs der Mundhöhle, des Kehlkopfs, der Speiseröhre, der Bauchspeicheldrüse, der Nieren, der Harnblase, der Gebärmutter, der Brust, des Knochenmarks und des Dickdarms verursachen kann.

Fest steht auch, dass Rauchen als die häufigste vermeidbare Todesursache in den Industrieländern gilt. Allein in Deutschland sterben jährlich mehr als 100.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Befinden wir uns also tatsächlich noch in "einer der Nichtraucherhöllen Europas", wie es der Nichtraucher-Lobbyverein "Pro Rauchfrei" auf seiner Website ausdrückt? Der Verein kritisiert u.a., dass in vielen Krankenhäusern das Rauchen in Nebenzimmern, auf Balkonen oder auf Privatabteilungen gestattet ist. "Auch muss das Rauchen auf dem gesamten Krankenhausgelände verboten sein. Der Verkauf von Tabakwaren, ob im Kiosk oder an Automaten, muss tabu sein", fordert der Verein.

Zahlreiche Ärzte erleben die gesundheitlichen Folgen des Rauchens bei ihren Patienten. Einige Ärzte kämpfen aktiv gegen das Rauchen. Einer von ihnen ist Hausarzt und Palliativmediziner Dr. Joachim Kamp aus Emsdetten, der sich seit Langem für ein Tabakwerbeverbot einsetzt. Sein Einsatz gegen Zigarettenautomaten ging durch die Medien. Im Sommer hatte er Zigarettenautomaten verhüllt und mit drastischen Parolen wie "Wegen 140.000 Toten geschlossen" versehen. Nachdem ein Automatenaufsteller Anzeige erstattet hatte, musste er die Aktion zunächst einstellen. Kamp ging dann dazu über, Schilder vor den Automaten mit dem Aufdruck "Trotz 140.000 Todesfällen: Der Verkauf geht weiter!" aufzustellen. In der Presse begründete er sein Engagement so: "Als Palliativarzt, der jeden Tag Raucherkranke behandelt, finde ich es unerträglich, dass der Handel mit Zigaretten nicht verboten wird."

Weniger medienwirksam, aber beharrlich, setzt sich der Eckernförder Allgemeinmediziner Dr. Ulf Ratje ein. Er kämpft dafür, dass die gesetzlichen Krankenkassen Entwöhnungstherapien für süchtige Raucher übernehmen. Trotz eines aktuellen Rückschlags vor dem Landessozialgericht in Schleswig forciert er seinen Einsatz. Die Schleswiger Richter hatten kürzlich die Klage einer seiner Patienten zur Kostenerstattung ihrer Raucherentwöhnungstherapien abgewiesen und keine Revision zugelassen.

Um dennoch vor das Bundessozialgericht zu gelangen, wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingereicht. "Die Ablehnungsquote beträgt über 90 Prozent", betrachtet Ratje die Aussicht auf Erfolg dieses Wegs nüchtern. Nachdem er mit weiteren Medizinern wie Professor Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Reiner Hanewinkel vom Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung und Suchtexperte Dr. Jakob Koch vom ZIP in Kiel sowie mit Juristen das für sie enttäuschende Urteil des Schleswiger Landessozialgerichts aufgebarbeitet hat, sieht er jedoch im Fall weiterer Patienten, deren Fälle voraussichtlich im kommenden Jahr in Schleswig verhandelt werden, Erfolgschancen.

Den Ärzten geht es geht um die Frage, wer die Kosten für Raucherentwöhnungsbehandlungen übernehmen muss. Das Landessozialgericht stellte dazu in seinen Entscheidungsgründen klar: "Auch bei chronisch Kranken gehört die Raucherentwöhnung nicht zum Kernbereich der von der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragenden Leistungen. Behandlungserfolg sowie Sinn und Zweck der Therapie sind nicht in Frage gestellt, wenn die Kosten zur Stärkung der Eigenverantwortung nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden."

Das Sozialgesetzbuch V sieht im Paragraph 20 zwar Kurse vor. Diese fallen aber unter die Primärprävention und sind nach Meinung Ratjes und weiterer Experten für süchtige Raucher nicht geeignet. Deshalb müssen Ärzte, die wie Ratje Entwöhnungstherapien für Süchtige anbieten, diese Leistungen nach GOÄ abrechnen - was sich viele Patienten aber nicht leisten können.

Als Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Nikotin- und Tabakforschung engagiert sich Ratje deshalb wie berichtet seit Jahren dafür, dass der Erstattungsausschluss der Medikamente zur Raucherentwöhnung aus Paragraph 34 des SGB V gestrichen wird. Dort ist aufgelistet, welche Arzneimittel von der Versorgung ausgeschlossen sind, weil bei ihnen nach Ansicht des Gesetzgebers eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Damit wird die Raucherentwöhnung auf eine Stufe mit Mitteln zur Verbesserung des Haarwuchses gestellt - für Ratje falsch. "Dieser Paragraf ist nach meiner Ansicht politisch motiviert, weil man Angst vor den Kosten hat", sagt Ratje. Enttäuschend ist für ihn, dass sich das Landessozialgericht bei dieser Frage nicht auf medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse einließ. "Der Einsatz der Medikamente führt eben nicht zu einer Erhöhung der Lebensqualität, sondern dämpft die Entzugsbeschwerden", stellt Ratje klar.

Dieses Argument wollen Ratje und weitere Mediziner vor Gericht für weitere Patienten verdeutlichen. Sie streben die Vorlage vor dem Bundesverfassungsgericht an, weil sie den Begründungstext von Paragraph 34 zum Ausschluss der Medikamente zur Raucherentwöhnung für falsch halten. Nach ihrer Ansicht wird zudem der Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz - etwa im Vergleich zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit - missachtet.

Zugleich wollen sie ihre Ansicht politisch stärker einbringen und intensivieren deshalb ihr Engagement durch Gespräche in der Kieler Landespolitik. Dabei wollen sie auch verdeutlichen, dass viele Raucher von den Kosten der Entwöhnungstherapie abgeschreckt werden. Ratje: "Viele können sich das nicht leisten. Der Anteil der Einkommensschwachen unter den süchtigen Rauchern ist hoch. Nur bei Erfolg spart ihnen die Entwöhnung Geld. Die Rückfallquote liegt bei über 50 Prozent." Entsprechend wenige süchtige Raucher wagen diesen Schritt.

Das Argument, Raucher könnten doch einfach aufhören, bezeichnet er als falsch. Ratje verweist in diesem Zusammenhang auf Studien mit rauchenden Schwangeren: Rund ein Drittel schafft es, in der Schwangerschaft aufzuhören, ein Drittel reduziert den Konsum und ein Drittel behält den alten Konsum bei. Ratjes Fazit: Ohne professionelle Unterstützung können viele süchtige Raucher nicht aufhören.

Neu ist der Einsatz schleswig-holsteinischer Ärzte in diesem Bereich nicht. Nicht nur Ratje engagiert sich schon seit Jahren, um abhängigen Rauchern eine leitliniengerechte Therapie zu ermöglichen. Auch im Präventionsbereich sind Ärzte engagiert. So schrieb etwa Prof. Klaus-Dieter Kolenda schon im Jahr 2005 im Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt: "Bis heute werden jedoch in Deutschland die gesundheitlichen Schäden durch das Rauchen in der Öffentlichkeit durch Politik und Medien in skandalöser Weise vernachlässigt. Auch von Teilen der Ärzteschaft wird den Folgen der Tabakepidemie nicht die erforderliche Aufmerksamkeit entgegengebracht."

Heute erkennt Kolenda durch die eingeführten Nichtraucherschutzgesetze zwar einen "gewissen Fortschritt". Aber: "Angesichts der Tatsache, dass das Rauchen weiterhin einer der wichtigsten Risikofaktoren für chronische Krankheiten und vorzeitigen Tod ist und ca. 30 Prozent unserer erwachsenen Bevölkerung rauchen, können diese gesetzlichen Maßnahmen nur als ein erster Schritt bei der Verhältnisprävention des Rauchens angesehen werden."

Kolenda hält weitere Maßnahmen, wie ein vollständiges Verbot der Tabakwerbung, höhere Tabaksteuern und die Abschaffung der Zigarettenautomaten für "dringend erforderlich". "Außerdem muss ich aufgrund meiner Erfahrungen sagen, dass auch heute von Teilen der Ärzteschaft den Folgen der Tabakepidemie nicht die erforderliche Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass eine professionelle Raucherentwöhnung nur von wenigen Kolleginnen und Kollegen angeboten wird. Ich hoffe, dass sich das ändern wird, wenn die ärztliche Raucherentwöhnung bei Tabakabhängigkeit und/oder Vorliegen von Folgeerkrankungen von den gesetzlichen Krankenkassen angemessen honoriert wird", sagte Kolenda dem Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt.

Wann aber ist ein Patient nikotinabhängig? Um dies zu diagnostizieren empfiehlt das Deutsche Krebsforschungszentrum den Fagerström-Test. Außerdem deuten folgende Signale darauf hin, dass sich eine Abhängigkeit entwickelt hat:

  • Starkes Verlangen zu rauchen, das erst nach mehrmaligem Inhalieren verschwindet.
  • Schlechtes Gewissen beim Rauchen, verbunden mit dem Gedanken, eigentlich lieber aufhören zu wollen.
  • Körperliches Unwohlsein bei längeren Rauchpausen.
  • Gefühl eines "Beschaffungszwangs", wenn sich die Packung dem Ende zuneigt, oder eines "Vorratszwangs", der zum stangenweisen Einkauf von Zigaretten führt.
  • Vor-" oder "Nach-"Rauchen, wenn man weiß, dass man vorübergehend nicht rauchen kann.
  • Billigung von Gesundheitsschäden und Kosten trotz des Wissens um die Schädlichkeit des Rauchens.
  • Scheitern auch ernsthafter Versuche, mit dem Rauchen aufzuhören.

Von einer psychischen Abhängigkeit spricht man laut DKFZ, wenn Rauchen an bestimmte Auslösereize gekoppelt ist: "Rauchverlangen kann durch eine Vielzahl von Situationen ausgelöst werden. So sind bestimmte Situationen und Ereignisse, aber auch körperliche Befindlichkeiten und seelische Stimmungen zu einem Signal geworden, eine Zigarette zu rauchen. Manchmal erfolgt der Griff zur Zigarette sogar unbemerkt und man wundert sich anschließend, wo auf einmal die brennende Zigarette herkommt", so das DKFZ.

Ein weiteres Problem ist die gedankliche Erwartungshaltung, die für viele Abhängige mit dem Nikotinkonsum verbunden ist. Mit den Auslösereizen und den kurzfristigen angenehmen Folgen des Rauchens verbindet sich die Erwartung: "Wenn ich jetzt rauche, geht es mir besser." Denn beim Rauchen stellen sich meist kurzfristige positive Effekte wie Entspannung, Genuss, gesteigerte Konzentrationsfähigkeit oder Stressreduktion ein - die allerdings schnell wieder abklingen. Häufig lassen sich Raucher von diesen kurzfristigen Folgen leiten, die der Wirkung von Amphetaminen ähneln, und schenken den negativen Spätfolgen, beispielsweise Lungenkrebs und Raucherbein, kaum Beachtung.


50 Prozent
der abhängigen Raucher, die eine ärztlich begleitete Entwöhnungstherapie beginnen, werden rückfällig. Deshalb scheuen die oft aus einkommensschwachen Schichten stammenden Betroffenen die Therapie.

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WER RAUCHT?
Am höchsten ist der Anteil unter jungen Erwachsenen: In dieser Altersgruppe raucht rund ein Drittel. Unter Minderjährigen hat der Anteil deutlich abgenommen, hier liegt der Anteil der Raucher bei rund zehn Prozent. Im Norden ist der Anteil der Raucher höher als in Süddeutschland und unter Männern höher als unter Frauen. Seit Jahrzehnten gilt unverändert: In den einkommensschwachen Schichten ist der Anteil der Raucher höher als in anderen sozialen Schichten.

WER RAUCHT NICHT?
Drei Viertel der Deutschen über 15 Jahre sind Nichtraucher. In einer Umfrage, die das Deutsche Krebsforschungszentrum nennt, haben mehr als die Hälfte der Befragten noch nie geraucht. In der Altersgruppe der über 70-Jährigen finden sich kaum noch Raucher, weil die Starkraucher dieses Alter nur selten erreichen - daran ändern auch Ausnahmen wie etwa Helmut Schmidt nichts.

PASSIVRAUCHEN
Nach Angaben der Deutschen Krebsgesellschaft sind immer noch viele Erwachsene unfreiwillig Tabakrauch ausgesetzt: 34 Prozent der nicht rauchenden Männer und 22 Prozent der nicht rauchenden Frauen kommen trotz bestehender Gesetze zum Schutz von Nichtrauchern mindestens einmal pro Woche mit Tabakrauch in Berührung.

Ob Kinder und Jugendliche rauchfrei aufwachsen, hängt in erster Linie davon ab, ob ihre Eltern Raucher oder Nichtraucher sind. Bei 43 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter bis zu 17 Jahren raucht zumindest ein Elternteil, bei 15 Prozent rauchen beide Elternteile. Insgesamt kommen 67 Prozent der 11- bis 17-Jährigen, die selbst nicht rauchen, zumindest gelegentlich mit Tabakrauch in Kontakt, bei 19 Prozent der Kinder und Jugendlichen ist dies regelmäßig der Fall.

RAUCHEN UND KREBS
Jeder zweite gewohnheitsmäßige Raucher wird laut Deutscher Krebsgesellschaft vermutlich an den Folgen des Rauchens versterben. Dabei handelt es sich nicht unbedingt um starke Raucher - viel entscheidender ist offenbar die Tatsache, dass diese Personen über viele Jahre rauchen und bereits im Jugendalter damit begonnen haben. Verglichen mit häufigen Krankheiten wie Herzkreislauferkrankungen und Diabetes mellitus frisst das Rauchen die meiste Lebenszeit: Fast neuneinhalb Jahre leben Männer, die mehr als zehn Zigaretten pro Tag rauchen, im Durchschnitt weniger als Männer, die nicht rauchen. Bei Frauen sind es siebeneinhalb Jahre. Immer noch fünf Jahre gehen verloren, wenn bis zu zehn Zigaretten pro Tag geraucht werden.

TABAKSTEUER
2016 nahm der Bund mehr als 14 Milliarden Euro aus der Tabaksteuer ein. Gegenüber 2015 gingen die Einnahmen um insgesamt 725 Millionen Euro zurück. Von 2002 bis 2005 wurde die Tabaksteuer laut Deutschem Zigarettenverband insgesamt fünf Mal erhöht. Am 1. Januar 2002 und 2003 stieg die Tabaksteuer jeweils um 1 Cent pro Zigarette. Mit den Einnahmen sollten Maßnahmen zur Terror-Bekämpfung finanziert werden. Es folgten Tabaksteuererhöhungen im März und Dezember 2004 sowie im September 2005 um jeweils 1,2 Cent pro Zigarette. Diese dreimalige Erhöhung diente zur Finanzierung von Teilen der Gesundheitsstrukturreform.

Ab 2011 folgte eine fünfstufige Tabaksteuererhöhung bis 2015. Die erwarteten Mehreinnahmen waren für die Haushaltskonsolidierung vorgesehen. Die erste Stufe wurde im Mai 2011 umgesetzt. Es folgten dann jeweils zum 1. Januar weitere Erhöhungen bis zum Jahr 2015. Die Steuererhöhung bei einer Packung Zigaretten sollte jährlich bei 4 bis 8 Cent liegen.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 12/2017 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2017/201712/h17124a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, Dezember 2017, Seite 1 + 6 - 9
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2018

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