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VORSORGE/729: Fachtagung Impfen - Der Kampf gegen Masern (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 5/2016

Fachtagung Impfen
Der Kampf gegen Masern

Von Anne Mey


Bis 2015 sollten die Masern in Deutschland eliminiert sein, stattdessen wurden letztes Jahr 2.465 Fälle gezählt. Welche Strategien sind sinnvoll?


Jugendliche und junge Erwachsene - diese Zielgruppe der nach 1970 Geborenen rückt immer mehr in den Fokus, wenn es um die Eliminierung von Masern und Röteln geht. So auch bei der Fachtagung "Masern, Mumps, Röteln - Gefährdung und Verantwortung" Ende April in Kiel. Die jährlich von der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung einberufene Veranstaltung im Rahmen der Europäischen Impfwoche nahm in diesem Jahr vor allem die Möglichkeiten in den Blick, die große Bevölkerungsgruppe zwischen 15 und 45 Jahren zu erreichen, die wenig Arztkontakte hat.

Als ein wichtiger Partner im Kampf für den vollständigen Impfschutz nannte Dr. Anne Marcic aus dem Sozialministerium den betriebsärztlichen Dienst, der von Rolf Hartmann vertreten wurde. Der Mediziner betreut als Betriebsarzt u. a. das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH). Dort sei es 2010 zu einem Masernausbruch mit über 40 Infizierten gekommen, so dass der Vorstand damals beschlossen habe, allen Mitarbeiter des Klinikums die MMR-Impfung anzubieten. Seitdem werden nach Auskunft Hartmanns bei jeder Einstellungsuntersuchung Impfstatus und Impfausweise kontrolliert sowie bei fehlender dokumentierter Impfung eine Impfempfehlung ausgesprochen. Grundsätzlich werden MMR, TdPP und Hepatitis B empfohlen und geimpft. Nach Indikation und Gefährdung auch Hepatitis A, Varizellen und Meningokokken. Die Impfberatung erfolgt auch im Rahmen der betriebsärztlichen Vorsorge, sodass Hartmann nach eigener Auskunft innerhalb von drei Jahren die gesamte Belegschaft des UKSH einmal sieht. Es herrsche eine hohe Zustimmungsrate bei den empfohlenen Impfungen, kaum einer verweigere sich der Empfehlung. Um die Eliminierung der Masern zu erreichen, gehört für Hartmann der Betriebsarzt unverzichtbar dazu: "Menschen zwischen 20 und 40 Jahren suchen selten einen Arzt auf. Der Betriebsarzt gehört zu den einzigen regelmäßigen Kontakten." Das gelte nicht nur für medizinisches Personal, auch Berufsgruppen mit hohem Publikumsverkehr wie im Einzelhandel oder bei Verkehrsbetrieben sollten betriebsärztlich auf den Impfschutz aufmerksam gemacht werden. Durch die Präzision des SGB V, die durch das Präventionsgesetz im letzten Jahr erfolgte, wird in § 132 verdeutlicht, dass auch Betriebsärzte, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, berechtigt sind, Schutzimpfungen zu Lasten der Krankenkassen vorzunehmen und ihre Verbände entsprechende Impfvereinbarungen verhandeln können, erläuterte Marcic.

Dass ein vollständiger Impfstatus nicht nur individueller, sondern vor allem Drittschutz ist, machte Dr. Angela Wencke vom Gesundheitsamt in Kiel eindrücklich klar. Bereits vor drei Jahren hatte sie auf der gleichen Veranstaltung zum Thema Gemeinschaftseinrichtungen referiert. In diesem Jahr ergänzte sie ihren Vortrag um die Gemeinschaftsunterkünfte in der Flüchtlingskrise, denn die Problematik sei ähnlich: In beiden Kontexten haben die Nutzer, sowohl kleine Kinder als auch Geflüchtete, aus verschiedenen Gründen eine eingeschränkte Immunabwehr. Innerhalb der Einrichtungen halten sich viele Menschen auf engstem Raum auf, was zu engem körperlichen Kontakt sowie der gemeinsamen Nutzung von Inventar, Utensilien, Schlaf- und Sanitärräumen führt.

Diese Umstände begünstigen die Ausbreitung einer MMR-Infektion, die aerogen übertragen wird und welche bereits vor der Diagnose zur Ansteckung führen kann. "Die Eliminierung der Masern ist eine globale Verantwortung", so Wencke, die aufzeigte, dass die USA dieses Ziel bereits im Jahr 2002 erreicht hat. In Deutschland, welches 2015 diesen Meilenstein gesetzt hatte, ist die Krankheit immer noch endemisch. Allein im Jahr 2015 gab es 2.465 Fälle. "Dabei haben wir eine große Gruppe in der Bevölkerung, die nicht einmal überzeugt werden muss", stellte Wencke mit Blick auf die nach 1970 Geborenen klar. Diese wüssten in überwiegender Mehrzahl gar nicht, dass sie die MMR-Impfung benötigen, wenn sie diese nicht im Kindesalter zwei Mal oder einmal im Erwachsenenalter erhalten haben. Impfgegner gebe es in der Altersgruppe dagegen kaum, was auch das große Interesse an den Impfaktionen an den schleswig-holsteinischen Hochschulen gezeigt habe.

Um auch Ärzten einen größeren Anreiz zu geben, regelmäßige Überprüfungen des Impfpasses vorzunehmen, wird laut Thomas Frohberg von der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) die Vervollständigung des Impfschutzes höher vergütet als Erst- und Folgeimpfungen. Außerdem habe man bei den letzten Verhandlungen erreichen können, dass die Vergütung für Impfleistungen insgesamt etwas angehoben wurden. Leider gebe es allerdings bisher keine Vergütung für den reinen Impfstatus-Check, das habe man noch nicht durchsetzen können, "vielleicht das nächste Mal", so Frohberg. Auf welche Impfleistungen die Versicherten in Schleswig-Holstein Anspruch haben, ist in der Impfvereinbarung geregelt, die auf der Homepage der KV (www.kvsh.de) unter dem Menüpunkt "Verträge" einsehbar ist.


INFO

95 %
So hoch soll laut Nationalem Aktionsplan Ende 2016 die 1. MMR-Impfquote im Alter von 15 Monaten sein. Die gleiche Quote soll bei Schuleingang für zwei Dosen der MMR-Impfung erreicht werden. 2014 lag laut Robert Koch-Institut die Impfquote für die zweite Masernimpfung bei Schulanfängern in Deutschland bei 92,8 Prozent.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 5/2016 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2016/201605/h16054a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
69. Jahrgang, Mai 2016, Seite 20
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2016

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