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FORSCHUNG/2214: Parkinson - Wenn die Anstandsdame versagt (idw)


DFG Forschungszentrum für Molekularphysiologie des Gehirns - 04.06.2010

Wenn die Anstandsdame versagt

Wissenschaftler des DFG-Forschungszentrums Molekularphysiologie des Gehirns
entschlüsseln wichtigen Auslöser einer familiären Form der Parkinson-Erkrankung


Die Ursache von Parkinson ist in etwa vier von fünf Fällen unbekannt. Nur sehr selten ist die Erkrankung genetisch bedingt und somit vererbbar. Diese "familiäre" Form der Parkinson-Erkrankung zeigt sich bei den Betroffenen meist schon im jungen Erwachsenenalter unter 40 Jahren. Wissenschaftler am Göttinger DFG-Forschungszentrum Molekularphysiologie des Gehirns (CMPB) haben jetzt die molekularen Mechanismen aufgeklärt, die eine familiäre Form der Parkinson-Erkrankung auslösen. "Wir können zeigen, welche zellulären Veränderungen bei dieser Form der erblichen Parkinson-Erkrankung vorliegen sind und wie diese therapeutisch beeinflusst werden können", sagt Prof. Dr. Pawel Kermer, Leiter der Studie und leitender Oberarzt der Abteilung Neurologie an der Universitätsmedizin Göttingen. Die Ergebnisse der Studie wurden in der renommierten Fachzeitschrift "Journal of Cell Biology" veröffentlicht.


Es ist bekannt, dass strukturelle Veränderungen (Mutationen) im DJ-1 Protein zur vererbbaren so genannten familiären Form der Parkinson-Erkrankung führen können. Doch die genaue Funktion des Proteins war bis jetzt ungeklärt. Prof. Kermer und sein Team haben nun die Funktion des DJ-1 Proteins und seine Bedeutung für das Ausbrechen der familiären Parkinson-Erkrankung aufgeklärt. "Wir haben herausgefunden, dass das DJ-1 Protein in gesunden Nervenzellen als so genanntes 'Homodimer' vorliegt, also aus zwei identischen Molekülen besteht. Das Protein fungiert zudem als 'Chaperon' (englisch für 'Anstandsdame')", sagt Prof. Dr. Pawel Kermer. Als "Anstandsdame" hilft das DJ-1 Protein neu hergestellten Proteinen dabei, sich in die richtige Struktur zu falten.

Die häufigste Punktmutation im DJ-1 Protein ist bekannt und wird als "L166P" bezeichnet. Die neuesten Erkenntnisse der Götinger Forscher können jetzt besser erklären, wie weit sich diese Mutation auswirkt: Die Punktmutation verändert nicht nur die zelluläre Verteilung des DJ-1 Proteins. Sie verhindert auch die Bildung des "Homodimers" und die "Chaperon-Funktion". Dadurch kommt es zur Entstehung von fehlgebildeten Proteinen und schließlich zum Zelltod.

"Überraschenderweise konnten wir zudem ein Protein identifizieren, das mit DJ-1 interagiert und auch im mutierten Zustand dessen Homodimerisierung und Chaperon-Funktion wiederherstellen kann. Dieses so genannte BAG1 Protein wirkt somit dem Zelltod entgegen. Es stellt einen möglichen therapeutischen Ansatz für die DJ-1 bedingte familiäre Form der Parkinson-Erkrankung dar", sagt Prof. Kermer.


Weitere Informationen finden Sie unter
- http://"www.cmpb.de
   Informationen zum CMPB"
- http://"www.baehrlab.med.uni-goettingen.de
   Arbeitsgruppe Prof. Kermer"

Originalveröffentlichung:
Deeg S, Gralle M, Sroka K, Bähr M, Wouters FS, Kermer P (2010)
BAG1 restores formation of functional DJ-1 L166P dimers and DJ-1 chaperone activity.
Journal of Cell Biology, Volume 188, Issue 4, Seiten 505-513.


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Parkinson-Erkrankung

Die Parkinson-Krankheit ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, die vor allem durch Störungen der Beweglichkeit sowie des Bewegungsablaufs gekennzeichnet ist. Sie betrifft überwiegend ältere Menschen, meist zwischen dem 55. und 65. Lebensjahr. Parkinson ist charakterisiert durch den fortschreitenden Verlust von Dopamin-enthaltenden Nervenzellen. Fehlt das Dopamin oder tritt ein Dopamin-Mangel auf, führt dies zu den Parkinson-typischen Symptomen von Bewegungsverlangsamung bis hin zur Bewegungslosigkeit. Auch das charakteristische Zittern und die Muskelsteifheit der Parkinson-Betroffenen lassen sich darauf zurückführen.

DFG Forschungszentrum Molekularphysiologie des Gehirns: Das seit 2002 an der Universitätsmedizin Göttingen angesiedelte DFG Forschungszentrum Molekurlarphysiologie des Gehirns (CMPB) hat sich das Ziel gesetzt, molekulare Prozesse und Interaktionen in Nervenzellen detailliert zu analysieren, um langfristig Therapien für psychiatrische, neurologische und neurodegenerative Erkrankungen zu verbessern und weiterzuentwickeln.


Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution744


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
DFG Forschungszentrum für Molekularphysiologie des Gehirns
Dr. Susanne Ohrt, 04.06.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2010