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FORSCHUNG/2262: In Kürze - Nachrichten aus Europa (research*eu)


research*eu - Nr. 62, Februar 2010
Magazin des Europäischen Forschungsraums

In Kürze - Nachrichten aus Europa

IM TREND


Tägliches Spermatraining

Eine Ejakulation pro Tag verbessert die Qualität der Spermien und erhöht damit die Wahrscheinlichkeit einer Empfängnis. Die australische Studie, die dieser Schlussfolgerung zugrunde liegt, wurde auf dem jüngsten Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für menschliche Reproduktion und Embryologie (ESHRE) in Amsterdam vorgestellt. Teilgenommen hatten 118 Männer, deren Sperma von unterdurchschnittlicher Qualität war. Nachdem ihnen eine Woche lang eine Ejakulation pro Tag "verordnet" worden war, prüften die Forscher die DNA-Schädigung und die Mobilität der Spermien und stellten fest, dass sich diese beiden Parameter deutlich verbessert hatten. Den Autoren zufolge ist diese Verbesserung darauf zurückzuführen, dass sich die männlichen Gameten kürzere Zeit in den Hodenkanälen aufhalten, wo sie freien Radikalen mit ihren schädigenden Folgen ausgesetzt sind.
www.eshre.com


Stich in die Zelle

Eine von Forschern der Universität Illinois (USA) entwickelte Nanonadel ist mit einem Durchmesser von 50 Nanometern zwanzig Mal dünner als ein Haar und ermöglicht Injektionen auf Zellenebene. Diese Nadel, die mit einer feinen Goldschicht versehen und an einer Glaspipette befestigt wurde, dringt problemlos in die Zellmembran ein. Auf diese Weise lassen sich ein oder mehrere Moleküle, aber auch Quantenpunkte im Inneren der Zelle platzieren, die in der medizinischen Bildgebung anstelle der herkömmlichen Farbstoffe verwendet werden.

Mit diesem neuen nanotechnologischen Instrument, das in Nano Letters beschrieben wird, können die Wissenschaftler nicht nur den Transport von aktiven Molekülen im Inneren einer Zelle steuern, überwachen und aufzeichnen, sondern sie können diese Nadel auch als elektrochemische Sonde und optischen Biosensor verwenden. Dieser Fortschritt sollte die genauere Beobachtung der Wechselwirkung zwischen den Proteinen und Molekülen der DNA oder RNA innerhalb der Zellen ermöglichen.
news.illinois.edu


Molekül gegen Abstoßung und Altern

Rapamycin hat sich bereits als wertvoller Wirkstoff zur Verhinderung von Abstoßreaktionen bei Organtransplantationen erwiesen. Jetzt könnte es noch kostbarer werden, denn es verlängert das Leben von Säugetieren. Das hat jetzt die in Nature veröffentlichte Studie eines amerikanischen Forscherteams gezeigt. Die Wissenschaftler haben dieses Molekül mit antifungalen und antibiotischen Eigenschaften als Futtermittelergänzung an Mäuse im Alter von 20 Monaten (was beim Menschen einem Alter von 60 Jahren entspricht) verabreicht. Beim Vergleich der Lebensspanne mit jener von Mäusen, die normal gefüttert wurden, stellte sich heraus, dass die Rapamycin-Behandlung die durchschnittliche Lebensdauer der Männchen um 9 % und der Weibchen um 13 % erhöht hatte. Rapamycin hemmt das Kinaseprotein TOR (Target of Rapamycin), das eine wichtige Rolle bei Zellwachstum und Zellvermehrung spielt.

Zuvor wurde dieses Protein bei Hefen entdeckt, aber man findet es auch bei Säugetieren (mTOR). Durch seine hemmenden Eigenschaften war es bereits gelungen, die Lebensdauer bei Wirbellosen zu verlängern. Obwohl auch eine zweite, gegenwärtig durchgeführte Studie die Wirkung von Rapamycin auf die Lebensdauer von Mäusen bestätigt, raten die Autoren dennoch angesichts der bedeutenden immunsuppressiven Wirkung zur Vorsicht hinsichtlich der potenziellen Anwendung dieses Moleküls gegen das Altern. Diese Entdeckung könnte jedoch die Entwicklung analoger Verbindungen mit Rapamycin ermöglichen, die frei von Nebenwirkungen sind.
www.jax.org


BIOTRACER 1 - Salmonelle 0

Die Hauptverantwortliche für Magen-Darm-Katarrhe hat eine wichtige Schlacht verloren. Ein Forscherteam des BIOTRACER-Netzwerks hat ein Verfahren zur Quantifizierung der Salmonellen in Schweinefleisch entwickelt. Bisher scheiterten alle Verfahren immer an ein und demselben Problem: Da das Bakterium in den Lebensmitteln normalerweise nur in geringen Mengen vorkommt, werden die Proben erst einmal angereichert, um die Erkennung zu erleichtern. Dieses Verfahren erschwert jedoch die Quantifizierung.

Die neue Methode basiert zwar immer noch auf einer Anreicherungsphase, gefolgt von der Verstärkung der Bakterien-DNA durch eine Polymerase-Kettenreaktion in Echtzeit, dabei wurde der erste Schritt jedoch etwas verkürzt. Die Forscher beobachteten, dass eine präzise Korrelation zwischen der Anzahl der in der Basis-Probe enthaltenen Salmonellen und dem PCR-Signal besteht, wenn sich der Anreicherungszeitraum auf die exponentielle Wachstumsphase der Salmonellen beschränkt.

Da mit diesem Verfahren mehrere Proben gleichzeitig analysiert werden können, ebnet es den Weg zum Aufbau einer quantitativen Datenbank, die für die Beurteilung der Gefahren und der kritischen Kontrollpunkte notwendig ist, was bisher technisch unmöglich war.
www.biotracer.org


Neues Leben für das Herz

Stammzellen aus dem Knochenmark und dem Fettgewebe könnten die Herzfunktion nach einem Infarkt verbessern. Das jedenfalls geht aus den Forschungsarbeiten der Wissenschaftler des medizinischen Forschungszentrums der Universität von Navarra in Pamplona (ES) hervor. Der Myokardinfarkt ist eine der weltweit häufigsten Erkrankungen. Hierbei stirbt das beschädigte Muskelgewebe ab und das restliche vernarbte Gewebe zieht sich nicht zusammen. Daher kann sich der Herzmuskel nicht mehr regenerieren, was wiederum schwerwiegende Konsequenzen für die Herz funktion hat und am Ende eine Herzinsuffizienz hervorrufen kann. Versuche an Ratten haben gezeigt, dass Stammzellen aus dem Knochen mark in der Lage sind, beschädigtes Gewebe zu regenerieren. Stammzellen aus Fettgewebe wiederum können sich umwandeln, um Blutgefäße und Herzzellen zu bilden. Darüber hinaus ließen sich die erzielten Ergebnisse über einen langen Zeitraum aufrechterhalten, unterstreicht Manuel Mazo, Leiter der Studie.
www.basqueresearch.com/index.asp?hizk=l


Die Chlamydie mit der Maske

Schweden hat "unfreiwillig" zu einer besseren Erkennung von Chlamydien - Auslöser zahlreicher sexuell übertragbarer Infektionskrankheiten - beigetragen. Im Jahre 2006 verbreitete sich mit rasender Geschwindigkeit ein neuer Stamm des Bakteriums im ganzen Land und konnte mit den Hauptdiagnosetests nicht erkannt werden. Die schwedischen Ärzte glaubten, dass die Infektionen rückläufig seien, aber genau das Gegenteil war der Fall. Dieser neue Chlamydienstamm war zusammen mit fünf weiteren Gegenstand einer kürzlich vom englischen Forschungsinstitut Sanger und der Universität Southampton (UK) durchgeführten Studie. Dabei hat sich gezeigt, dass die Gensequenz des Bakterienplasmids (DNA-Molekül außerhalb des Chromosoms), auf dem die Tests basieren, einfach aus dem schwedischen Stamm verschwunden war.

Die Forscher versuchten daher, eine andere Gensequenz zu bestimmen, um den Parasiten zu identifizieren. Nach einer genauen Analyse entschieden sie sich für einen Genabschnitt, der von einem Stamm zum anderen am wenigsten variiert und sich ebenfalls im Plasmid befindet. Dr. Helena Seth-Smith, Leiterin der Studie, ist der Meinung, dass es sich hierbei um ein bedeutendes Warnsignal handele, da diese Art der Evolution auch andere infektiöse Bakterien betreffen könnte.
www.sanger.ac.uk


Mutter, Kind...

Ein schönes Beispiel für Interdisziplinarität wurde kürzlich von der renommierten amerikanischen National Academy of Sciences veröffentlicht. Hierbei geht es um die Zusammenarbeit zwischen dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (DE) und dem Lehrstuhl für Radiologie und Mikrotherapie der Universität Witten/Herdecke (DE). Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Herzen von Müttern und Föten zeitweise synchron schlagen. Darauf könnte auch das häufig beschriebene Gefühl einer Mutter für den Zustand ihres ungeborenen Kinds zurückzuführen sein.

Die Studie wurde an sechs Frauen in der 30. bis 40. Schwangerschaftswoche durchgeführt. Die Herzschläge wurden mithilfe eines Magnetokardiografen gemessen. Offensichtlich sind zwar die Herzrhythmen unterschiedlich, aber es scheint ein festes Verhältnis der Herzfrequenz des Kindes zur Herzfrequenz der Mutter zu bestehen. Die Synchronisationsepochen des Herzschlags von Mutter und Ungeborenem treten deutlich häufiger auf, wenn die Mutter einem schnellen Atemrhythmus folgt. Diese bisher unbekannten Zusammenhänge wurden mithilfe eines Algorithmus entdeckt, der sogenannte "Twin Surrogates" erzeugt, was in etwa doppelter Ersatz bedeutet. Es handelt sich um unabhängige Kopien des zugrunde liegenden Systems, mit denen die Synchronisationsepochen statistisch identifiziert werden. Dieser mathematische Ansatz könnte dabei helfen, Schwangerschaftskomplikationen früher zu erkennen. Im Großen und Ganzen eröffnet er aber auch neue Perspektiven bei der Erforschung der Wechselwirkungen zwischen teils unabhängigen, teils aber eng verbundenen physiologischen Systemen.

... und Erde

Was hat das Ganze jetzt mit dem Klima zu tun, um das sich in Potsdam alles dreht? Mithilfe des von den Mathematikern entwickelten Algorithmus lassen sich andere Synchronisationsphänomene erklären, die als "Gefühl" eines dynamischen Systems für die Anwesenheit eines anderen beschrieben werden könnten. Synchronisation bestimmt, wie zwei Systeme aufeinander und auf äußere Einflüsse reagieren. So könnte der Algorithmus auch auf komplexe Klimamodelle, wie etwa die sogenannten Fernwirkungen, d. h. die Wechselwirkungen zwischen zwei zeitgleich auftretenden, aber räumlich voneinander getrennten Klimaphänomenen, angewendet werden. Die bekannteste Fernwirkung vereint El Niño vor der Küste Perus und den Monsun in Indien, der durch Southern Oscillation hervorgerufen wird, d. h. durch die Luftdruckveränderungszyklen im Südpazifischen Ozean. Der Algorithmus könnte auch zur Erforschung der durch den Menschen verursachten Biodiversitätsverluste verwendet werden. Beispielsweise könnte damit ermittelt werden, warum und in welchem Maße sich die Fragmentierung eines Ökosystems durch Straßen und Bepflanzungen auf die Artenvielfalt auswirkt.
www.pik-potsdam.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Kardiogramm eines Fötus.

Planktonblüte auf der Wasseroberfläche nach dem Durchzug von El Niño im gesamten Pazifik.


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Quelle:
research*eu - Nr. 62, Februar 2010, Seite 5, 16-19
Magazin des Europäischen Forschungsraums
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research*eu erscheint zehn Mal im Jahr und wird auch
auf Englisch, Französisch und Spanisch herausgegeben.


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. August 2010