Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → FAKTEN

GESCHICHTE/532: Der andere Küntscher - nicht nur Marknagelung und Anekdoten (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 5/2011

Historie
Der andere Küntscher: nicht nur Marknagelung und Anekdoten

Von Dr. med. Karl-Werner Ratschko und Susanne Mehs


Die Historiker Dr. Karl-Werner Ratschko und Susanne Mehs schildern zunehmend in Vergessenheit geratene Facetten des Kieler Arztes Gerhard Küntscher.


Foto: Portrait des Assistenten Gerhard Küntscher in den Dreißigern -Quelle: Medizin- und Pharmaziehistorische Sammlung der Christian-Albrechts-Universität Kiel

Assistent Gerhard Küntscher in den Dreißigern
Foto: Medizin- und Pharmaziehistorische
Sammlung der Christian-Albrechts-Universität Kiel
Gerhard Küntscher gehört in den Augen der heutigen Ärztegenerationen zweifellos zu den herausragenden schleswig-holsteinischen Ärzten des 20. Jahrhunderts. Die von ihm zwar nicht erfundene, aber bis zur Einsetzbarkeit am Menschen wissenschaftlich vorbereitete und praktisch erprobte Marknagelung von Knochenbrüchen gehört zu seinen heute mit Respekt gesehenen Leistungen. Weitgehend unbekannt blieb jedoch, dass der Kieler Unfallchirurg schon früh Nationalsozialist geworden war. Dies geschah nicht etwa aus Opportunismus oder Anpassung, wie bei vielen anderen, sondern, wie aus seinem frühen Eintrittstermin in Partei und SA und seinem Verhalten während der NS-Herrschaft abzuleiten ist, aus politischer Überzeugung. Bei Küntscher zahlte sich dieser Einsatz trotz intensiver Unterstützung durch Parteigenossen während der NS-Zeit jedoch nicht aus. Erst in der Nachkriegszeit fanden seine Leistungen öffentliche Anerkennung. Ein Lehrstuhl für Chirurgie ist für Küntscher jedoch weder während der NS-Zeit noch nach dem Krieg infrage gekommen. Neben Nationalsozialismus und Wissenschaft gab es in Küntschers Leben eine auffallende, unangepasste Originalität, die ihm nicht selten Sympathie, vorrangig aber große Schwierigkeiten eingetragen hat. Die folgende Darstellung von Episoden aus seinem Leben beruht auf Literaturrecherchen sowie der Auswertung des als Akten zugänglichen Quellenmaterials.(1) Es entspricht der Natur solcher Quellen, dass sie Einblicke gewähren, aber nicht alle Facetten des Lebens Küntschers aufzeigen können. Das überlieferte Material erlaubt es jedoch unseres Erachtens, die Persönlichkeit Küntschers in der ihr eigenen Widersprüchlichkeit darzustellen.

Gerhard Küntscher wurde am 6. Dezember 1900 als Sohn eines kaufmännischen Direktors in Zwickau geboren. Nach dem Besuch des Reformrealgymnasiums in Chemnitz trat er in den "Grenzschutz Ost" (Freikorps v. d. Decken) ein und war 1919 an den Kämpfen im Baltikum gegen die Rote Armee beteiligt.(2) 1925 erfolgte nach dem Medizinstudium in Würzburg, Hamburg und Jena das Staatsexamen und 1926 die Promotion in Jena. Nach einem Intermezzo 1926 als Assistent am Stadtkrankenhaus Freiberg/Sachsen war Küntscher von 1927 bis 1929 als Assistent in an der Medizinischen Universitätsklinik in Jena tätig. Im Januar 1930 wurde er außerplanmäßiger Assistent in der Kieler Chirurgischen Universitätsklinik unter Willy Anschütz mit einer monatlichen Vergütung von 280 RM, von der nach Abzug von Verpflegung und Unterbringung noch 186 RM blieben.(3) Die schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse mögen die Hinwendung Küntschers zur NSDAP begünstigt haben.

1935 habilitierte sich Küntscher mit einer Arbeit über "Die Bedeutung der Darstellung des Kraftflusses im Knochen für die Chirurgie" (Referent Alfred Benninghoff, Korreferent Willy Anschütz)(4), einer Arbeit, die nach Meinung der gesamten Medizinischen Fakultät, wie der nationalsozialistische Dekan Hanns Löhr dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung berichtete, als "ganz ausgezeichnet beurteilt" wurde und "weit über den Rahmen der üblichen Habilitationsarbeiten" hinausging.(5) Nach Ableistung einer öffentlichen Lehrprobe im Hörsaal der Chirurgie am 9. Dezember 1935 mit dem Thema "Die Pseudarthrose" wurde Küntscher am 16. März 1936 zum Privatdozenten ernannt.(6)


Der SA-Mann Küntscher

Küntscher war zum 1. Januar 1931 in die NSDAP und, wie so viele andere frühere Angehörige von Freikorps, in die SA eingetreten.(7) 1932 wurde er schon zum SA-Sanitäts-Standartenführer befördert. Hierbei handelt es sich selbst in der damaligen Zeit für einen jungen Assistenzarzt um einen recht hohen Dienstgrad, der dem Wehrmachtsdienstgrad eines Oberst entsprach, ein Indiz für das sicher nicht ohne Grund vorhandene hohe Ansehen des knapp 32-Jährigen in der SA. Die mit der Reichskanzlerschaft Hitlers Anfang 1933 im ganzen Deutschen Reich mit staatlicher Duldung und Unterstützung zur Tagesordnung gehörenden Terroraktionen von SA und SS ließen auch die Kieler Universität nicht unberührt. Hinweise auf eine persönliche Beteiligung Küntschers an den gewaltsamen Übergriffen der SA gegen jüdische Dozenten, Assistenten und Studenten und die am 10. Mai auf dem Wilhelmsplatz durchgeführte Bücherverbrennung lassen sich den Quellen nicht entnehmen. Sie sind wenig wahrscheinlich, weil im Frühjahr 1933 ein Assistent noch darauf achten musste, seinen weiteren beruflichen Lebensweg an der Universität in dem in der ersten Zeit fragilen NS-System nicht durch unvorsichtiges Verhalten zu gefährden.

Wie sehr Küntscher ein verlässlicher Anhänger der NSDAP, ihres Führers und ihrer Ideologie war, zeigen zwei gut dokumentierte Episoden auf. Der erste Fall befasst sich mit der Denunziation eines jüdischen, in der Medizinischen Klinik tätigen Kollegen. Am 6. März 1933 richtete Küntscher ein Schreiben an den Kieler Führer des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes (NSDÄB), Dr. Beyer.(8) Es bezieht sich auf einen Dr. Eissler, Volontärarzt in der Medizinischen Universitätsklinik. Küntscher schrieb: "Derselbe ist ein waschechter ungarischer Jud und ich glaube, dass das beiliegende Material eine Handhabe zu seiner sofortigen Entfernung ist. [...] Der Jude Dr. Eissler hat in seiner ungarischen Heimat [...] einen ganz üblen Artikel in einer jüdischen Zeitung losgelassen, in dem er sich als tüchtigsten Mann der Klinik hinstellte und auf Hitler schimpft. [...] Ich glaube, dass sich die Sache vorzüglich für den Volkskampf eignet". Vorausgegangen war ein Schreiben eines Dr. Laszlo aus Pecs (Ungarn) vom 4. August 1932 wohl an Küntscher. Dem Brief ist die Darstellung eines angeblichen Interviews Eisslers in "einer ungarischen, früher freimauerer, jetzt jüdischen Zeitung, die von numerus clausus, von "Hitlerismus" und von ähnlichen Sachen nicht sehr entzückt ist" in schlechter deutscher Übersetzung zu entnehmen.(9) Küntscher hatte in einem langen Schreiben geantwortet und um die Zusendung des Originalartikels mit Übersetzung mit den Worten gebeten. "Vielleicht ergäbe sich daraus für uns eine Gelegenheit, gegen Herrn Eissler vorzugehen."(10) Noch war im August 1932 die ein halbes Jahr später erfolgende Machtübergabe an die Nationalsozialisten nicht abzusehen.

Insgesamt bestand im ersten Halbjahr 1933 bei der NS-Führung eher die Absicht, die eigenen revolutionären Kräfte an der Universität wieder unter Kontrolle zu bekommen, sodass Küntschers Denunziation im Preußischen Kultusministerium zurückhaltend bearbeitet wurde. Die Angelegenheit war erledigt, als Küntscher nach einigem Hin und Her dem Preußischen Ministerium des Innern mit Schreiben vom 14. Juni 1933 mitteilte, dass Eissler Deutschland verlassen habe. Der Chef von Eissler, der Direktor der Medizinischen Klinik, Alfred Schittenhelm, nahm erst danach am 28. Juni 1933 gegenüber dem Kurator Stellung und teilte mit, dass Eissler nicht Assistent, sondern Volontärassistent gewesen sei, der zu wissenschaftlichen Arbeiten im chemischen Labor und im Tierlabor eingesetzt gewesen sei und nie auf einer Krankenstation gearbeitet habe. Auch ihm sei der Artikel bekannt, er habe Eissler zur Rede gestellt und "aufs strengste verwarnt". Eissler sei mittlerweile in die Schweiz abgereist. Der Denunziation Küntschers, die für Eissler leicht sehr gefährlich hätte werden können und eine "Schutzhaft" in einem der zahlreich entstandenen "wilden" Konzentrationslager der frühen NS-Zeit hätte zur Folge haben können, wird durch kluges Vorgehen Schittenhelms die Spitze genommen. Der Direktor der Medizinischen Klinik "wiegelte ab", nutzte wahrscheinlich mithilfe von Küntschers Chef Willy Anschütz seine inneruniversitäre Macht, um dem ihm sich in den Weg stellenden Assistenten Küntscher zur Räson zu rufen. Schließlich konnte auch Schittenhelm nicht daran interessiert sein, seine gerade erst in den Anfängen befindliche Hinwendung zur NSDAP zu gefährden. Er sorgte dafür, dass Eissler durch Überwechseln in die Schweiz dem Zugriff des NS-Terrorapparates entzogen wurde.

Die zweite gut dokumentierte Episode zeigt die Macht, die revoltierende Studenten und Assistenten in der ersten Zeit der NS-Herrschaft an der Kieler Universität vorübergehend hatten. Der Direktor der Augenklinik, Leopold Heine, hatte sich im Dezember 1933 geweigert, den "alten Kämpfer" Dr. Dannheim als Assistenten in seiner Augenklinik einzustellen. Auch der Besuch des "SA-Brigadearztes Dr. Saalfeldt und des SA-Standarten-Arztes Dr. Küntscher", die ihm in "nachdrücklicher Weise eine Änderung [seines] Standpunktes nahe gelegt hatten"(11), konnte ihn nicht zur Änderung seiner Auffassung bringen. Heine war, wenn er etwas für richtig hielt, in der Durchsetzung seiner Auffassung unbeirrbar. So soll er die SA-Ärzte Saalfeldt und Küntscher "in einer ganz unerhörten Form angegriffen" haben.(12) Hierin wurde eine "mangelnde Würdigung der Gründe" gesehen, "die eine weitgehende Förderung von bewährten Kämpfern der nationalsozialistischen Bewegung [nämlich Dannheims] nicht nur erwünscht, sondern sogar staatlich notwendig erscheinen lassen".(13) Für Heine resultierte hieraus kurz vor Eintritt in den Ruhestand ein Verweis des Ministeriums, Dannheim erhielt eine Stelle in der Augenklinik, allerdings nur für kurze Zeit. Auch für die NS-Zeit galt meistens: Nur, wenn ein Assistent auf dem Dienstweg seitens des Lehrstuhlinhabers dem Ministerium vorschlagen wurde, hatte dieser die Aussicht, einen Zweijahresvertrag zu erhalten oder verlängert zu bekommen. Dabei war die Zustimmung des Dozentenführers erforderlich. Umgekehrt wurde kein Assistent gegen den Willen des Lehrstuhlinhabers eingestellt oder verlängert. Bei Dannheim allerdings wurde eine Ausnahme erwartet.

In der Universität hatte Küntscher bis zum Kriegsende mit Unterbrechungen mittlere Führungspositionen(14) (NS-Dozentenführer, als solcher auch zeitweise Mitglied des Senats, Leiter der Dozentenschaft Kiel) inne, die er nach den vorliegenden Quellen aber oft nicht mit besonderer Leidenschaft wahrnahm. Dies erklärt auch, dass er höhere NS-Positionen nicht erreichte und trotz seines Status als "Alter Kämpfer" auch nicht zum inneren Kreis der SS- und SD-Universitätsangehörigen um den ab August 1934 als Nachfolger Schittenhelms berufenen Direktor der Medizinischen Klinik, Dekan und SS-Obergruppenführer Hanns Löhr, gehörte. Als Dozentenführer wusste Küntscher jedoch sowohl den Interessen des NS-Systems wie auch seinen eigenen und denen seiner persönlichen Bekannten zu dienen. Beispielhaft mag dies eine Stellungnahme Küntschers verdeutlichen, mit der er versuchte, seinem Parteigenossen und gutem Bekannten Einecke aus dem Chemischen Institut eine Assistentenstelle zu verschaffen, obwohl der Institutsdirektor und spätere Nobelpreisträger Diels einen anderen für besser geeignet hielt. Wörtlich hieß es in der Stellungnahme des Kieler Dozentenführers Küntscher: "Wesentlich für den Standpunkt der Dozentenschaft in der Ernennung ist auch die politische Betätigung. Herr Dr. Einecke hat sich sehr rege für die Arbeit in der Partei eingesetzt. Er ist seit Oktober 1933 politischer Leiter und hat außerdem wichtige Ämter in der Dozentenschaft und im Dozentenbund. [...](15)

Die von Küntscher anlässlich des Chefwechsels von Anschütz zu Fischer 1938 gezeichnete Karikatur zeigt die 'Chirurgie Kiel' als ein mit voller Besatzung kenterndes Boot -Quelle: Medizin- und Pharmaziehistorische Sammlung der Universität Kiel

Karikatur von Küntscher anlässlich des Chefwechsels von Anschütz zu Fischer 1938
Foto: Medizin- und Pharmaziehistorische Sammlung der Christian-Albrechts-Universität Kiel

Bei den im Zusammenhang mit der Habilitation, der Ernennung zum "Dozenten neuer Ordnung" und zum apl. Professor erfolgenden Anträgen wurde immer wieder das besondere nationalsozialistische Engagement Küntschers betont, so z.B. 1936 von Dekan Hanns Löhr: "[...] Dr.med. Küntscher [ist] politisch unbedingt zuverlässig, er ist alter nationalsozialistischer Kämpfer, [bietet] weiterhin charakterlich die Gewähr, daß er im nationalsozialistischen Staate als Hochschullehrer sich in jeder Beziehung bewähren dürfte."(16) Oder 1939 vom selben Dekan: "[...] da Herr Küntscher als alter Kämpfer seit Februar 1931 als SA-Standartenführer und Leiter der Dozentenschaft sich wesentliche Verdienste erworben hat ..."(17) Seine vergleichsweise bescheidene Karriere während der NS-Zeit konnte also durch NS-Verdienste offenbar nicht befördert werden. Die Gründe dafür mögen am ehesten in seiner Originalität und Respektlosigkeit gegenüber der Universitätsverwaltung gelegen haben.


Das "Original" Küntscher

Seine Habilitation war nur noch eine Frage der Zeit(18), als er durch ein Verhalten auffiel, das nicht zu dem bescheidenen und manchmal auch etwas eigenbrötlerischen Mann zu passen scheint, als der er heute gerne beschrieben wird. Es zeigte sich eine andere, uneinsichtige, rechthaberische Seite des Chirurgen, der versuchte, seine Parteiämter und die damit verbundene Macht zur Legitimierung ausschweifender, den Rahmen des damals Zulässigen weit überschreitender Kasinofeste zu nutzen. Ob Küntscher, der mittlerweile die Mitte Dreißig überschritten hatte, noch aus spätem jugendlichen Übermut handelte oder unter dem Schutz seiner Parteiämter und seiner wissenschaftlichen Erfolge seine Disziplinlosigkeiten, die durchaus auch als Ausdruck hemmungsloser Lebensfreude und ungebändigter Kreativität angesehen werden könnten, im Bewusstsein eigener Unanfechtbarkeit betrieben hat, lässt sich heute nicht mehr beurteilen. Jahrelange zahlreiche Streitigkeiten mit der Universitätsverwaltung sind dokumentiert, die sich allerdings nicht auf Verwaltungsangelegenheiten etwa als Dozentenführer, die Küntscher durchgehend eher nachlässig handhabte, bezogen, sondern immer wieder auf die Nutzung des Ärztekasinos für Feiern der Assistenten und jüngeren Dozenten. Die unter der Verantwortung von Küntscher durchgeführten ausschweifenden Kasinofeiern blieben nicht ohne desolate Folgen für Raum und Mobiliar. So kam es zwischen Küntscher in seiner Funktion als Kasinovorstand und, wie er unpassend meinte, als Dozentenschaftsleiter, und seinem für die Bewirtschaftung des Ärztekasinos zuständigen Parteigenossen, Blockleiter und Hauptbetriebszellenobmann der Deutschen Arbeitsfront (DAF) Borger, zu nachhaltigen Dissonanzen, die letztlich ein Disziplinarverfahren für Küntscher zur Folge hatten. Seine Ernennung zum apl. Professor, die in einem vorzeitigen Antrag vom 6. Juli 1939 von der Fakultät wegen seiner wissenschaftlichen Verdienste beantragt worden war, wurde dadurch um mehrere Jahre verzögert, obwohl sich Hanns Löhr wieder einmal für ihn einsetzte: "Hier liegt gerade ein Fall vor, wo erwiesen wird, dass alte Kämpfer trotz ihrer sehr starken politischen Betätigung sehr wohl in der Lage sind, wissenschaftlich Hervorragendes zu leisten."(19)

Gruppenfoto mit Küntscher unter einer Hakenkreuzfahne auf einem Casinofest um 1939 - Foto: Medizin- und Pharmaziehistorische Sammlung der Christian-Albrechts-Universität Kiel

Fröhliche Feste: Casinofest um 1939, Küntscher u.r.
Foto: Medizin- und Pharmaziehistorische Sammlung der
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Schon im Jahre 1935/36 hatten Verwüstungen des Ärztekasinos zu Streitigkeiten geführt, in die neben dem Regierungsbaurat Feyerabend und dem Kurator auch der Verwaltungsdirektor der Akademischen Anstalten, der Direktor der Hautklinik, Klingmüller, eingebunden war und die mit einer Missbilligung durch das Ministerium geahndet worden waren.(20)

Hier noch einige weitere Beispiele: So war Küntscher mit dem im Ärztekasino angebotenen Essen nicht einverstanden, obwohl die Ärzte schon sehr viel besser als die übrigen Mitarbeiter und die Patienten versorgt wurden.(21) Sein Unmut über den "Frass" wurde sehr drastisch mit dem Spruch "Lerne essen, ohne zu klagen" verdeutlicht, der in großen Lettern an die Wände des Kasinos geheftet war und offenbar noch bis zur nächsten Kasinoaffäre im März 1939 hängenblieb.(22) Diese Affäre dann führte zu einem erbitterten Streit mit dem Kurator Sitzler, bei dem es dann auch noch um eine längerfristige geschmacklose Ausgestaltung des Kasinos mit Nacktbildern und einer diffamierenden Karikatur des "altehrwürdigen Geheimrats Esmarch" ging, der auch das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung beschäftigte.(23) Die Angelegenheit ging letztlich nur deswegen glimpflich für Küntscher aus, weil durch einen Gnadenerlass Hitlers geringfügigere Disziplinarverstöße nach Kriegsbeginn nicht weiter verfolgt werden sollten.(24) Des Chirurgen Küntscher ärztliche Atteste über Magen-Darm-Beschwerden für 14 Hausangestellte, die diesen die Möglichkeit geben sollten, aus der Anstaltsverpflegung befreit zu werden, führten, berechtigt oder unberechtigt, zu weiteren Ärgernissen für ihn. Am 7. März 1940 reagierte er darauf mit einer Anzeige bei der Geheimen Staatspolizei gegen seinen Kontrahenten Borger, dem er Sabotage vorwarf.(25) Die Gestapo wollte sich mit Küntschers Beschwerde jedoch nicht befassen.(26) In der gleichen Angelegenheit stellte Küntscher den Pfleger in der Ohrenklinik, Hass, in SA-Sanitätsstandartenführer-Uniform wegen dessen Beschwerde über ihn zur Rede,(27) wobei Küntscher dann bei seiner eigenen Vernehmung zu seiner Entlastung angab, die Uniform nicht getragen zu haben, um Hass einzuschüchtern, sondern, weil er dienstlich bei der SA zu tun gehabt habe. Er räumte in der gleichen Vernehmung ein, Hass Vorwürfe wegen seines unkameradschaftlichen Vorgehens als "altem Nationalsozialisten" gemacht zu haben.(28) Es gab weitere Vorfälle dieser Art, in denen Küntscher ein Verhalten an den Tag legte, für das andere, die durch Partei und SA nicht geschützt waren, schnell in ernsthafte Schwierigkeiten gekommen wären. Einiges über seine Einstellung sagt auch eine Anekdote über Küntschers Weg an die Ostfront aus. Er wollte nicht im Stabsdienst, sondern an der Front eingesetzt werden. Zum Morgenappell erschien er deshalb in Arztkittel, Nachthemd und Dienstmütze, bis seinem Wunsch entsprochen wurde.(29) Die Anekdote ist wenig glaubhaft, mag aber als ein Beispiel für die vielen "Heldensagas" genommen werden, die zur Persönlichkeit Küntschers gehörten. Erst am 2. Juni 1942 wurde er, nachdem er sich beim Kurator Sitzler für ein hier nicht näher beschriebenes, vom Ministerium als ungebührlich angesehenes Verhalten entschuldigt hatte, apl. Professor und damit als "Dozent neuer Ordnung" Widerrufsbeamter.(30)


Wissenschaftliche Leistungen

Seine Tätigkeit an der Klinik und seine wissenschaftliche Arbeit scheinen seine Eskapaden jedoch nicht beeinflusst zu haben, wohl aber seine Karriere. Der Parteigenosse wurde von seinen nationalsozialistischen Vorgesetzten weiterhin protegiert, aber das reichte für positive Entscheidungen des vorgesetzten Ministeriums nicht aus, obwohl die Bewertung seiner wissenschaftlichen Arbeiten meist das Prädikat "originell" neben der Betonung seiner politischen Aktivität trug. Die frühen Arbeiten Küntschers machten schon den Eindruck, dass er Freude an technischen Tüfteleien hatte. Eine zusammen mit PelsLeusden aus dem Hygiene-Institut 1932 durchgeführte Untersuchung über die desinfizierende Wirkung von Avertin sowie drei weitere Arbeiten über Hernien der Flexura duodenojejunalis 1935, Aneurysmen der Arteria hepatica 1937 und Gasbrand der Gallenblase 1941 blieben die einzigen thematischen Ausflüge in andere Gebiete der Chirurgie.(31) Im Übrigen blieb er seinem ihm für sein restliches Leben hohes Ansehen verschaffenden wissenschaftlichen Schwerpunkt in der Knochenchirurgie verbunden. Über diese Arbeiten soll hier nur ein Überblick gegeben werden.

Das Foto zeigt Küntscher vor einem von ihm gefertigten riesigen Hai, der unter der Decke eines Klinikraums hängt -Quelle: Medizin- und Pharmaziehistorische Sammlung der Christian-Albrechts-Universität Kiel

Der Hai wurden von Küntscher gefertigt und kam bei mehreren Festen in
Schleswig zum Einsatz.
Foto: Medizin- und Pharmaziehistorische Sammlung der
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Er übertrug vielfach Verfahren der Technik auf die Knochenchirurgie. Sein Hobby, die Fotografie, nutzte er 1933 bei seinem Verfahren zur Gangdarstellung. Hierbei wurden Metallknöpfe als Reflexpunkte an den Gelenken befestigt, die dann in einer durch Stroboskopblitze mehrfach belichteten Serienaufnahme das Gangbild mit einem hellen Graphen zeigten.(32) Küntscher entwickelte 1934 in Zusammenarbeit mit der Firma Siemens-Reiniger ein Hochfrequenzgerät zum Aufspüren von Geschossen im menschlichen Körper,(33) mit dem während des Krieges zahlreiche Lazarette ausgerüstet wurden und das zum Vorbild für spätere amerikanische Geräte dieser Art wurde.(34) Schließlich machte er sich im Rahmen seiner Habilitationsschrift ein Sichtprüfungsverfahren aus der Autoindustrie zunutze und wies so die Bereiche in Knochen nach, die den stärksten Belastungen ausgesetzt sind.(35) Es gelang, die Deformation des Knochens bei der Beanspruchung darzustellen und auch quantitativ zu erfassen und damit wichtige theoretische Fragen des Baues und der Funktion des Knochens zu lösen. Die weitere Verfolgung dieser Arbeiten und der seit mehreren Jahren an der Kieler Klinik erfolgreich ausgeübten Schenkelhalsnagelung führten unmittelbar zur Entwicklung der Marknagelung, die Küntscher zunächst am Hunde ausprobierte.(36) Frühe Versuche, Frakturen mit in den Markraum eingebrachten Metall- oder Elfenbeinbolzen zu stabilisieren, verliefen enttäuschend. Küntschers Verdienst ist es, die wesentlichen Prinzipien aus den so gewonnenen Erfahrungen anderer Forscher erkannt und miteinander zu einer neuen Methode verbunden zu haben; Küntscher selbst erwähnt als Vorläufer seines Verfahrens den unbekannt gebliebenen Oskar Müller-Meernach und Georg Schöne.(37) Schöne verwendete einen distal über die ganze Länge eingeführten Silberdraht, Müller-Meernach forderte bereits einen ausreichend langen und den Markraum vollkommen ausfüllenden Bolzen, der keine Bewegung im Bruchspalt zulässt. Damit ist er der eigentliche Erfinder der stabilen Osteosynthese. Um die Bruchstelle nicht eröffnen zu müssen, wendete Küntscher stattdessen Lamellennagel und Führungsspieß wie bei der Schenkelhalsnagelung nach Johannson an. Kurze Zeit später optimierte er zusammen mit dem Fabrikanten Ernst Pohl das Verfahren, indem sie einen querelastischen Nagel entwickelten, der sich im Markraum verklemmte. Die ersten Monographien zur Marknagelung erschienen 1944/45 durch Lorenz Böhler und Carl Häbler.(38)

Das 1945 unter den Namen Küntscher und Maatz veröffentlichte Werk "Technik der Marknagelung" ist nach einer Notiz von Küntscher selbst von Maatz geschrieben worden.(39) Küntschers Kollege Richard Maatz äußerte sich jedoch als direkter Zeitzeuge zur historischen Entwicklung der Marknagelung: "Den großen Schritt, das Wagnis, hat Küntscher getan"(40). Im November 1939 führte Küntscher erstmalig eine Marknagelung am Menschen aus, eine Methode, die von 1940 bis 1950 auch von A.W. Fischer, Maatz, Wanke u.a. thematisiert und ausgeführt wurde. Dissertationen während des Krieges mit einem 'Marknagelthema' wurden meist in der Kombination Fischer/ Maatz oder Griessmann/Wanke betreut, nie von Küntscher. Der war seit April 1941 Soldat und nach dem Überfall auf die Sowjetunion in Hauptverbandsplätzen und Kriegslazaretten an der Ostfront und seit Mitte April 1943 bis September 1944 in Kemi (Finnland) als Beratender Chirurg eingesetzt.(41) Dadurch war er kaum in der Lage zu wissenschaftlichen Arbeiten und zur Betreuung von Dissertationen. Während die Kieler Professoren Küntschers Fähigkeiten und Beliebtheit als Dozent in höchsten Tönen lobten, kommt der angesehene Chirurg Kilian, Breslau, wohl im Zusammenhang mit einem Gutachten in einem Berufungsverfahren 1943 zu einem anderen Urteil: "Genannt wurde auch in letzter Zeit mehrfach K., der Erfinder der Marknagelung und des Ton-Suchgerätes. Mit K. kam ich an der Ostfront viel in Berührung und habe ihn dort sehr gut kennen gelernt. K. ist ausgesprochen technisch erfinderisch und ein Original, er ist aber andererseits ein durchaus massiver Chirurg in jeder Hinsicht und hatte eine hohe Mortalität. So sehr ich ihn schätze, kann ich mir doch nicht vorstellen, dass er sich als akademischer Lehrer eignet, zumal ihm eine Reihe menschlicher Schwächen anhaften. [...]"(42)

Küntscher schreibt in seinem Lebenslauf aus dem Jahre 1965 über seine weitere wissenschaftliche Tätigkeit: "In der Folgezeit habe ich das Verfahren der Marknagelung immer weiter entwickelt und über die ursprüngliche Anwendung in der Behandlung des Knochenbruches hinaus auf alle möglichen Knochenoperationen ausgedehnt. So wurden die ersten Verkürzungen und Verlängerungen mit dem Nagel ausgeführt, ebenso die Arthrodese praktisch aller infrage kommenden Gelenke und die subtrochantere Osteotomie. Das Verfahren der Aufweitung der Markhöhle kam hinzu. Die Repositionsverfahren wurden vervollkommnet, und es wurden Nägel zur Nagelung des spongiösen Knochens konstruiert. Es gelang, eine besonders schonende Technik für Knochenoperationen zu entwickeln, die mit sehr kleinen Hautschnitten auskommt. Diese führte zur Erfindung und klinischen Ausarbeitung der Methode der perkutanen Knochentransplantation. Einen großen Erfolg brachten schließlich die perkutanen Operationsverfahren der Pseudarthrose. Mit der Erfindung der Innensäge und des Hakenmeißels gelang es dann später sämtliche Formen der Osteotomie geschlossen auszuführen, sogar die Verkürzung und Verlängerung."(43) Von seinem Kollegen Richard Maatz stammen viele innovative Erweiterungen des Verfahrens, so die konischen Nägel, die Spreiznägel und die Federosteosynthese. Küntscher selbst legte erst 1947 für die US-Navy eine eigene Zusammenfassung seiner "Marrow Nailing Method" vor, die als Grundlage für das 1950 erschienene Werk "Die Marknagelung" angesehen werden kann.(44) Die Marknagelung war dann das zentrale Thema in Küntschers Nachkriegsleben, seine Arbeiten haben das wissenschaftliche Fundament für die intramedulläre Frakturbehandlung gelegt und sind wichtiger Motor für die Fortschritte dieser bahnbrechenden Methode gewesen.


Nach dem Kriege

Das Kriegsende 1945 erlebte Küntscher angeblich an Diphterie erkrankt als Patient in einer Isolierstation in Schleswig, eine nicht unglückliche Fügung, vielleicht aber auch nur ein Versuch, der Verhaftung durch die Engländer zu entgehen. Sein in Schleswig bei ihm wohnender Verwandter Rolf K. kann sich nicht entsinnen, dass Küntscher Diphtherie oder irgendetwas Ähnliches hatte. Er sei immer bester Gesundheit gewesen. Sein OP-Pfleger Thimm berichtete, dass Küntscher sich vor den einmarschierenden Engländern lediglich auf der Infektionsstation versteckt habe. Er arbeitete dort ärztlich, da überall wenig Personal vorhanden war, aber wenn jemand nach ihm fragen würde, dann sollte er als Patient ausgegeben werden. So konnte er seine Verhaftung hinauszögern. Nach einer kurzen Phase englischer Kriegsgefangenenschaft in der Nähe von Hamburg arbeitete er wieder ärztlich in Schleswig. Später konnte er die chirurgische Abteilung des Lazaretts übernehmen.(45) 1948 erfolgte die Umwandlung des Lazaretts in das Kreiskrankenhaus Schleswig-Heesterberg, in dem Küntscher chirurgischer Abteilungsarzt wurde. Originelle Lebensgewohnheiten sowie extravagante Kasinofeste behielt er auch in dieser Zeit bei. So soll er täglich, auch im Winter, wenn das Eis aufzuhacken war, in der Schlei gebadet haben und danach mit seinem immer offen gefahrenen Cabriolet den Rückweg angetreten haben.(46) Küntscher hatte sich 1945 nicht rechtzeitig in der Kieler Universität zurückgemeldet und deswegen seine Beamtenrechte und die Berechtigung zum Führen der Bezeichnung "apl. Professor" verloren. 1951 wurde er auf Vorschlag der Medizinischen Fakultät Kiel erneut hierzu ernannt.47 Da er sich nach seinem Wechsel nach Hamburg und seiner starken beruflichen Beanspruchung nicht mehr in der Lage sah, Vorlesungen in Kiel als Voraussetzung für das Führen der Dienstbezeichnung "Professor" zu halten, gab es ab 1960 Schwierigkeiten. Auch hier wollte er wieder seinen Kopf durchsetzen. Obwohl die Kieler Medizinische Fakultät ihrem berühmten Sohn goldene Brücken baute,48 kam es, wie es bei einem Mann, der Kompromisse nicht zu seinen Stärken zählte, kommen musste: Es folgte das Erlöschen der Lehrbefugnis und das Ausscheiden aus dem Lehrkörper der Medizinischen Fakultät Kiel.49 Auf Antrag erhielt er die Erlaubnis, die Amtsbezeichnung "außerplanmäßiger Professor" mit dem Zusatz "a.D." zu führen.(50)

1953 erfolgte die Auszeichnung mit dem Danis-Preis der Société Internationale de Chirurgie mit der Begründung, "die Marknagelung sei der bedeutendste Beitrag der deutschen Chirurgie aus der Kriegsund Nachkriegszeit". 1957 wurde er Ärztlicher Direktor des Hafenkrankenhauses Hamburg. Die von ihm angestrebte Weiterbeschäftigung zum Zeitpunkt der anstehenden Pensionierung Ende 1965 scheiterte am Veto der Hamburger Gesundheitsbehörde. Der Grund könnte einer den Kieler Nachrichten zu entnehmende recht offene Kommentierung aus dem Hamburger Stadtparlament zu entnehmen sein. "Als ärztlicher Direktor eines Krankenhauses hat sich Küntscher als ungeeignet erwiesen. Er versagte in unumgänglichen Verwaltungsaufgaben [...]"(51) Zudem mochte der ehemalige Widerstandskämpfer und nun hamburgische Gesundheitssenator Walter Schmedemann ihm keine Zugeständnisse machen. Im Mai 1972, ein halbes Jahr vor seinem Tode, verlieh ihm der 75. Deutsche Ärztetag in Westerland die in der Regel nur drei bis viermal im Jahr vergebene Paracelsus-Medaille. Hierbei handelt es sich um die höchste Auszeichnung, die das oberste Gremium der deutschen Ärzteschaft zu vergeben hat. Er starb am 17. Dezember 1972 in Flensburg, dem Ort, wo er nach seiner Pensionierung und einem vergeblichen Versuch ein "Nagelzentrum" in Barcelona aufzubauen, als Gastarzt am St. Franziskus-Hospital tätig war.(52) Vor einigen Jahren ist in Flensburg eine Straße nach ihm benannt worden.

Es gibt erfolgreiche Wissenschaftler, über die es Interessantes über ihre wissenschaftliche Reputation hinaus nicht zu berichten gibt. Küntscher gehört nicht zu ihnen. Er war ein Mann der Tat, aktiv, kreativ, unerschrocken, oft unbedacht. So dürften sein Einsatz im Freikorps 1919, sein im sozialdemokratischen Preußen des Jahres 1931 für einen jungen Universitätsassistenten gefährlich früher Eintritt in die NSDAP und SA, seine tiefe Verstrickung als aktiver Nationalsozialist in das nationalsozialistische Unrechtssystem, aber auch seine zunächst heroisch erscheinenden Vorstellungen in der Knochenchirurgie zu verstehen sein. Abwägendes, zuwartendes, behutsames Vorgehen wie auch Kompromisse entsprachen nicht seinem Naturell, sodass er sich oft in Situationen hineinmanövrierte, aus denen er insbesondere während der NS-Zeit nur durch Nutzung seiner parteipolitischen Ämter und Freunde herauskam. Küntscher konnte, wenn er sich verrannt hatte, nicht zurückstecken. Beispiele hierzu finden sich vorstehend und weitere in den Akten des Landesarchivs Schleswig-Holstein.(53) Sein Engagement für den Nationalsozialismus mit dem sich bis zum millionenfachen Mord steigernden Antisemitismus, dem Vernichtungskrieg im Osten, an dem er selbst von Anfang an teilgenommen hatte, sowie die Vorteile, die er - wie viele andere auch - aus dem NS-Regime für sich gezogen hatte, werfen dunkle Schatten auf seine Vita. Seine herausragende Leistung ist die Entwicklung und der methodische Ausbau der Marknagelung, einer neuen Form der Chirurgie, die in seiner Zeit vielleicht nur durch einen Menschen mit einer außergewöhnlichen Persönlichkeitsstruktur vorangetrieben werden konnte. Die Medizin verdankt ihm und denen, die ihn wegen seiner wissenschaftlichen Originalität gefördert und vielleicht auch mitunter zurückgehalten haben, viel. Jedoch auch für Küntscher gilt: In unsere kollektive Erinnerung gehört ehrlich und ohne Tabus die Darstellung der gesamten Persönlichkeit mit allen ihren Höhen und Tiefen. Die Einengung auf die wissenschaftlichen Leistungen, vielleicht noch ergänzt durch Skurrilitäten, gibt ein verzerrtes Bild und wird der ungewöhnlichen Persönlichkeit Küntschers in keiner Weise gerecht.


Dr. med. Karl-Werner Ratschko, MA, Havkamp 23, 23795 Bad Segeberg und
Susanne Mehs, MA, Julius-Fürst-Weg 18, 24159 Kiel


Fußnoten und Literatur

(1) LASH, insbesondere 47, 6757, 6758.
(2) LASH, 47, 6757, Lebenslauf 1935.
(3) Voigt, Jürgen, Lohff, Brigitte, Ein Haus für die Chirurgie 1802-1986, Neumünster 1986, S. 108.
(4) LASH 47, 6757 p. 15, Abschrift der Habilitationsurkunde v. 17.9.1935.
(5) LASH 47, 1566, p. 54, Schrb. Dekan Löhr an REM v. 8. Juli 1935.
(6) LASH 47, 6757, p. 20, Schrb. Dekan Löhr an REM v. 25.2.1936.
(7) LASH 47, 6757, Fragebogen.
(8) GstA HA I Rep. 76 Kultusminister Va Sekt. 9 Tit. X Nr. 17 Bd. 4, p.394 ff. Schrb. Dr. K. Der Adressat erschließt sich aus p. 390. Eingangsstempel des Preußischen Ministeriums des Innern ist der 17. Mai 1933.
(9) GSTA 76 Va, 9, X, 17, Bd. 4, p. 391, Schrb. Laszlo an Küntscher v. 4.8.1932.
(10) GSTA 76 Va, 9, X, 17, Bd. 4, p. 392, Schrb. Küntscher an Laszlo v. 30.8.1932.
(11) Ebd.
(12) GstA Rep. 76 Va, 9, 4, 3,Bd.8, p. 158, Schrb. der SA der NSDAP, Der Führer der Gruppe Nord Meyer-Quade an das Preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung v. 14. Februar 1934.
(13) LASH 47, Nr. 1597, Schrb. des Ministers für Wissenschaft pp., U I Nr.17705, v. 2. November 1934, abschriftlich mitgeteilt durch das Schrb. des Kurator an Heine v. 12. November 1934.
(14) LASH 47, 6757, p. 7, Personalfragebogen v. 29.5.1936.
(15) LASH 47, 2063, Schrb. des Dozentenschaftsleiters Küntscher v. 6.1.1940. Im Jahre 1938/39 war Küntscher Leiter der Dozentenschaft und in den Jahren 1937 bis 1944 Dozentenführer der Fakultät.
(16) LASH 47, 6757, p. 20, Schrb. Dekan Löhr an REM v. 25.2.1936.
(17) LASH 47, 6757, p. 56, Schrb. Dekan Löhr an REM v. 27.9.1939.
(18) LASH 47, 1566, p. 53, Schrb. Rektor an Ministerium v. 15.6.1935.
(19) LASH 47, 6757, p. 42, Schrb. Dekan an REM v. 6.7.1939.
(20) LASH 47, Nr. 6758, Schrb. Kurator an Küntscher v. 23.11.1936.
(21) LASH 47, 6758, p. 12, Niederschrift Karl Wiegel v. 23.5.1939.
(22) Ebd.
(23) LASH 47, 6757, partim.
(24) LASH 47, 6758, Schrb. Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an Universitätskurator v. 27. April 1940.
(25) LASH 47, 6758, Schrb. Küntscher an die Geheime Staatspolizei Kiel v. 7.3.1940.
(26) LASH 47, 6758, Schrb. Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Kiel v. 16.3. 1940 an den Kurator.
(27) LASH 47, 6758, Erklärung des Pflegers der Ohrenklinik Hass v. 12.6.1939.
(28) LASH 47, 6758, Erklärung Küntschers v. 27.6.1939.
(29) http://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Küntscher, [24.03.2011].
(30) LASH 47, 6758, Schrb. Küntscher, Feldpost-Nr. 31062, an Sitzler v. 19.7.1941.
(31) Küntscher, Gerhard / Pels Leusden, F. (1932): "Über die desinfizierende Wirkung des Avertins." In: Zentralbl. Chir. 59: 1357-1360. Küntscher, Gerhard (1935): "Die Hernien der Flexura duodenojejunalis." In: Beitr. klin. Chir. 161: 88-102. Küntscher, Gerhard (1937): "Postoperatives Aneurysma der Arteria hepatica." In: Zentralbl. Chir. 64: 2694-2698. Küntscher, Gerhard / Hoffmann, D. (1942): "Gasbrand der Gallenblase." In: Zentralbl. Chir. 69: 1887-1889.
(32) Küntscher, Gerhard (1933): "Die Methode der objektiven Gangdarstellung." In: Deutsche Zeitschrift f. Chirurgie 8-10.
(33) Küntscher, Gerhard (1940): "Ein Hochfrequenzverfahren zum Auffinden von Metallfremdkörpern." In: Zentralbl. Chir. 67: 2338-2344. Küntscher, Gerhard (1934): "Das Feststellen und Aufsuchen von Fremdkörpern mittels elektrischer Wellen." In: Zentralbl. Chir. 61: 1764-1768.
(34) Lebenslauf Küntscher 1965, zit. n. Schröder, Ludwig, Zum 100. Geburtstag von Professor Dr. Gerhard Küntscher, Schl.-Holst. Ärzteblatt 1/2001, S. 51-53.
(35) Küntscher, Gerhard (1935): "Die Bedeutung der Darstellung des Kraftflusses im Knochen für die Chirurgie." In: Arch. klin. Chir. 182: 489-551.
(36) Lebenslauf Küntscher 1965, zit. n. Schröder, Ludwig, Zum 100. Geburtstag von Professor Dr. Gerhard Küntscher, Schl.-Holst. Ärzteblatt 1/2001, S. 51-53. Küntscher, Gerhard (1940): "Die Marknagelung von Knochenbrüchen. Tierexperimenteller Teil." In: Klin. Wschr. 19: 6-10.
(37) Küntscher, Gerhard (1962): "Zur Geschichte der Marknagelung." In: Ciba-Symp. 10: 50-54. Müller-Meernach, Oscar (1933): "Die Bolzung der Brüche der langen Röhrenknochen ." In: Zentralbl. Chir. 60: 1718-1723. Schöne, Georg (1913): "Zur Behandlung von Vorderarmfrakturen mit Bolzung." In: MMW: 2327f.
(38) Häbler, Carl, Die stabile Osteosynthese (Marknagelung nach Küntscher) bei Schaftbrüchen der langen Röhrenknochen, ihre Indikation und Technik, München [u.a.], 1944. Böhler, Lorenz, Technik der Knochenbruchbehandlung ... / Bd. 3 / Die Marknagelung nach Küntscher, 1944.
(39) Küntscher: The Marrow Nailing Method, translation prepared by: US Fleet. US Naval Forces Germany Technical Section (Medical) 1947, Reprint 2006; p. 2: "During the war the author of this book was not in a position to write a book of his own about this subject, and the publication by KUENTSCHER and MAATZ mentions only his name. In reality that book was exclusively written by MAATZ."
(40) Maatz, Richard et al., Die Marknagelung und andere intramedulläre Osteosynthesen, Stuttgart [u.a.] 1983, S. 302.
(41) LASH, 47, 6757, Lebenslauf 1935. Hubert Fischer: Der deutsche Sanitätsdienst 1921-1945; Organisation, Dokumente und persönliche Erfahrungen; Bd 3 S. 1473
(42) BA ehem. BDC PK / Film G 364 /Bild 2203, 12.XII. 43 Parteikartei Personalnotizen.
(43) Lebenslauf Küntscher 1965, zit. n. Schröder, Ludwig, Zum 100. Geburtstag von Professor Dr. Gerhard Küntscher, Schl.-Holst. Ärzteblatt 1/2001, S. 51-53.
(44) Küntscher, Gerhard, Die Marknagelung, Berlin, 1950. Küntscher: The Marrow Nailing Method, 1947, Reprint 2006
(45) Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1/2001, S. 51-53.
(46) http://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Küntscher, [24.03.2011].
(47) LASH 47, 6757, p. 78, Vermerk "Der Ministerpräsident" v. 11.4.1951.
(48) LASH 47, 6757, o. P. Schrb. Dekan der Med. Fak. an Kultusminister v. 1.10.1960, Schrb. Kultusminister an Küntscher v. 21.10.1960, Schrb. Küntscher an Kultusminister v. 14.11.1960.
(49) LASH 47, 6757, p. 85, Schrb. "Der Kultusminister des Landes Schleswig-Holstein" an Küntscher v. 27.3.1961.
(50) LASH 47, 6757, p. 86, Schrb. "Der Kultusminister des Landes Schleswig-Holstein" an Küntscher v. 1.6.1961.
(51) Kieler Nachrichten v. 8.1.1966.
(52) Voigt, J., Lohff, B., Ein Haus für die Chirurgie 1802-1986, Zur Geschichte der einzelnen Kliniken und ihrer Professoren an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Neumünster 1986, S. 108-127.
(53) U.a. LASH 6757, 6758 partim. 39


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 5/2011 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2011/201105/h11054a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de


*


Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Mai 2011
64. Jahrgang, Seite 56 - 63
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-119, -127, Fax: -188
E-Mail: aerzteblatt@aeksh.org
www.aeksh.de
www.arztfindex.de
www.aerzteblatt-sh.de

Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. August 2011