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STUDIE/427: Studie soll Arzneitherapie von Alten- und Pflegeheimbewohnern verbessern (idw)


Westfaelische Wilhelms-Universität Münster - 15.07.2011

Zu Risiken und Nebenwirkungen

Münstersche Studie soll Arzneitherapie von Alten- und Pflegeheimbewohnern verbessern


Bewohner münsterscher Alten- und Pflegeheime nehmen im Durchschnitt 8,4 verschiedene Medikamente dauerhaft ein. Diese Zahl stammt aus einer Untersuchung, die derzeit in der Arbeitsgruppe Klinische Pharmazie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) durchgeführt wird. Ziel ist es, arzneimittelbezogene Probleme zu reduzieren und durch eine verbesserte Therapie die Arzneimittelkosten zu senken. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass ältere Menschen oft zu viele, zu wenige oder die falschen Medikamente erhalten, so der Hintergrund. An der Untersuchung nehmen sieben Alten- und Pflegeheime in Münster teil. Die Bewohner haben ein Durchschnittsalter von 81 Jahren.

"Ein Drittel der Menschen über 70 Jahre leidet an mindestens fünf chronischen Erkrankungen", verweist Julia Kruse auf eine Berliner Untersuchung. Die Apothekerin führt die münstersche Studie im Rahmen ihrer Doktorarbeit unter der Leitung von Dr. Georg Hempel, Außerplanmäßiger Professor an der WWU, durch. "Diese sogenannte Multimorbidität wird mit diversen Arzneimitteln therapiert, die nicht immer miteinander verträglich sind. Häufig werden Symptome einer Nebenwirkung als neue Erkrankung fehlinterpretiert, und ein zusätzliches Medikament wird verschrieben. Diese sogenannten Verschreibungskaskaden erhöhen das Risiko einer Einweisung ins Krankenhaus aufgrund von unerwünschten Arzneimittelwirkungen." Zusätzlich verändert sich der Stoffwechsel mit dem Alter, sodass häufig Dosisanpassungen notwendig sind. "Es gibt eine Reihe von Medikamenten, die ältere Menschen nicht mehr gut vertragen. Kürzlich ist dazu die sogenannte Priscus-Liste erschienen, die diese Arzneistoffe auflistet. Viele dieser Arzneimittel führen im Alter häufig zu Verwirrung oder Müdigkeit und erhöhen somit maßgeblich das Sturzrisiko", erklärt Julia Kruse.

Die Untersuchung wird als Interventionsstudie durchgeführt. Das bedeutet, dass während der Studie ein Eingriff durch die Wissenschaftler erfolgt. In diesem Fall handelt es sich dabei um Empfehlungen zu einer Verbesserung der Arzneitherapie. Julia Kruse untersucht die Situation vorher und nachher.

In der ersten, inzwischen abgeschlossenen Projektphase hat die Doktorandin zunächst Daten zum gegenwärtigen Zustand gesammelt. Demnach wurden bei den Bewohnern der an der Studie teilnehmenden Heime durchschnittlich 8,1 Erkrankungen diagnostiziert. Jeder Bewohner wird im Durchschnitt von 2,4 Ärzten betreut und nimmt 8,4 verschiedene Medikamente dauerhaft ein. "Viele Ärzte wissen voneinander nicht, was der andere verschreibt. Dadurch kann es häufig zu Interaktionen zwischen den verschiedenen Arzneimitteln kommen", sagt Julia Kruse.

Nun überprüft die Apothekerin, welche Heimbewohner ungeeignete Arzneimittel nehmen und ob Probleme wie Wechselwirkungen oder falsche Dosierungen auftreten. In die Untersuchung fließen Gespräche mit Pflegekräften ein. "Dabei erfährt man oft von zusätzlichen Problemen, die bei der Arzneimittelversorgung auftreten und allein durch eine Akteneinsicht nicht auffallen", erklärt sie. "Häufig müssen Tabletten zum Beispiel gemörsert werden, weil die Bewohner Schluckschwierigkeiten haben. Dies ist jedoch nicht mit allen Medikamenten problemlos durchführbar, was häufig bei der Verschreibung nicht beachtet wird."

Bei nahezu allen der bis jetzt untersuchten Bewohner ergeben sich Möglichkeiten zur Verbesserung der Arzneitherapie. Julia Kruse schickt entsprechende Vorschläge an die verschreibenden Ärzte. Diese haben somit die Möglichkeit, sich dem Problem anzunehmen und bei Bedarf Rücksprache mit der Apothekerin zu halten. Etwa acht bis zwölf Wochen nach der Intervention überprüft die Wissenschaftlerin, ob sich die Arzneitherapie und der Zustand der Patienten verändert haben.

In dem münsterschen Projekt, das von der Apothekerstiftung Westfalen-Lippe und der Förderinitiative Pharmazeutische Betreuung e.V. gefördert wird, werden insgesamt 374 Alten- und Pflegeheimbewohner in sieben Heimen betreut, die der Teilnahme an dem Projekt zugestimmt haben. Durch eine weitere Förderung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen steht eine zusätzliche Apothekerin zur Verfügung, die in den Kreisen Hamm, Wesel und Soest in analoger Weise 196 weitere Alten- und Pflegeheimbewohner betreut.


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.uni-muenster.de/Chemie.pz/forschen/ag/hempel/index.html
Arbeitskreis apl. Prof. Dr. Georg Hempel

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution72


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster, Dr. Christina Heimken, 15.07.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juli 2011