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THERAPIE/118: Ultraschall-Techniken in der Physiotherapie - Den Beckenboden sichtbar machen (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Mittwoch, 25. November 2009

Den Beckenboden sichtbar machen


fzm - Die Muskeln des Beckenbodens spielen im Körper eine wahrhaft tragende Rolle: Sie bilden den unteren Abschluss des Bauchraums, auf ihnen lastet somit das gesamte Gewicht der inneren Organe. Die meisten Menschen sind sich der aus mehreren Muskelschichten bestehenden Struktur in ihrem Körper gar nicht bewusst. Auch für Ärzte und Therapeuten sind die tief liegenden Beckenbodenmuskeln nur schwer zu untersuchen. Physiotherapeuten nutzen daher zunehmend Ultraschall-Techniken, um die Funktion des Beckenbodens besser zu beurteilen, wie die Berliner Physiotherapeutin Bärbel Junginger in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "physiopraxis" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2009) berichtet.

Viele Menschen werden erst auf ihren Beckenboden aufmerksam, wenn seine Funktion nachlässt und sich eine Harninkontinenz einstellt. Auch bei Frauen, die sich auf die Geburt eines Kindes vorbereiten oder gerade entbunden haben, rückt der Beckenboden plötzlich in den Mittelpunkt des Interesses. Die dort liegenden Muskelgruppen gezielt anzusprechen, fällt vielen jedoch nicht leicht.

Sowohl bei der Diagnostik als auch bei der Therapie einer Beckenbodenschwäche können Physiotherapeuten nun auf den sogenannten Dynamischen Rehabilitativen Ultraschall (DRUS) zurückgreifen. "Der DRUS ist für diese Anwendung aus mehreren Gründen gut geeignet", sagt Bärbel Junginger, die unter anderem am Beckenboden-Zentrum der Charité in Berlin selbst mit der Methode arbeitet. "Das Ultraschallgerät ist mit rund 10.000 Euro zwar in der Anschaffung relativ teuer, im Einsatz ist es aber sehr effektiv und bietet eine einfache, eindrucksvolle Möglichkeit der Kontrolle", so die Therapeutin. Außerdem sei die Methode einfach und nicht invasiv. Daher werden die natürlichen Abläufe nicht gestört oder verfälscht - anders als etwa bei den bisher zur Messung der Beckenbodenaktivität verwendeten Druckmesssonden, die vaginal oder rektal eingeführt werden müssen und so die Bewegungsabläufe stören. "Auch elektrische Messungen der Muskelaktivität liefern oft verfälschte Ergebnisse, weil die Aktivität benachbarter Muskeln miterfasst wird", erläutert Junginger.

Mithilfe des DRUS können Therapeuten nicht nur die Muskelkontraktionen selbst, sondern auch deren Auswirkungen direkt sichtbar machen. So kann man etwa auf dem Bildschirm beobachten, ob sich der Blasenhals bei der Aktivierung des Beckenbodens tatsächlich hebt und so ein Harnabgang vermieden wird. Die Methode erlaubt es auch, die Funktion des Beckenbodens unter verschiedenen Bedingungen zu beobachten - etwa im Liegen, im Stehen und beim Husten sowie beim Ein- oder beim Ausatmen. Therapeuten können so den Grundlagen einer Harninkontinenz auf die Spur kommen, auch wenn sie nur beim Husten oder unter Belastung - wie dem Heben schwerer Lasten - auftritt.

Auch den Patienten kommen die bewegten Ultraschall-Bilder direkt zugute: Unter optischer Kontrolle schaffen sie es leichter, ihren Beckenboden gezielt zu aktivieren. "Die Patienten sehen dabei ihre eigene Muskelanspannung und können damit bestimmte Kontraktionen schneller, effektiver und nachhaltiger lernen", erläutert Bärbel Junginger. Noch wird der physiotherapeutische Einsatz des Ultraschalls nicht von den Kassen übernommen. Bärbel Junginger verweist jedoch auf Studien, die den großen Nutzen des Ultraschalleinsatzes belegen. Wenn die neue Technik es ermöglicht, die Behandlungsdauer drastisch zu verkürzen und damit Kosten zu sparen, könnte sich ihr Einsatz letztlich auch für die Kassen lohnen.


B. Junginger:
Bewegte Bilder aus der Tiefe.
physiopraxis 2009; 7 (10): S. 30-33


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Quelle:
FZMedNews - Mittwoch, 25. November 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. November 2009