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THERAPIE/135: Apherese - Blutwäsche hat ihr das Leben gerettet (idw)


Universität Rostock - 10.09.2012

Blutwäsche hat ihr das Leben gerettet

Apheresezentrum-Rostock behandelt Patienten mit seltenen Krankheiten



Seit fast 30 Jahren muss Katrin Gosmann sich regelmäßig einmal in der Woche einer Blutwäsche unterziehen. Diese Prozedur dauert bis zu vier Stunden. Die 47-Jährige leidet an einem seltenen Gendefekt, den nur einer von eine Millionen Menschen hat. Zu ihrem Glück wurde bei ihr die Krankheit bereits in den 80er Jahren diagnostiziert. Ohne Behandlung hätte die Kühlungsbornerin vermutlich das 25. Lebensjahr nicht erreicht. "Apherese gehört einfach in mein Leben. Sicher ist es auch anstrengend und man ist häufig ziemlich kaputt." Den Umständen entsprechend gehe es ihr gut, sagt sie. "Es ist ja eine sehr schleichende Krankheit, aber ich lebe sehr danach."

In Deutschland gibt es rund 1.400 Apheresepatienten, die einmal in der Woche behandelt werden müssen. "Die Behandlung mittels Apherese ist die ultima ratio", erläutert der Leiter des Apherese-Zentrums in Rostock, Dr. Wolfgang Ramlow. "Erst wenn alle medikamentösen und andere Behandlungsmethoden ausgeschöpft sind, wird die Apheresetherapie zur Entfernung von krankmachenden löslichen Substanzen im Blut von den Krankenkassen finanziert." Und das auch nur bei zwei Indikationen zum einen bei zu vielem schädlichen LDL-Cholesterin "LDL-C", zum anderen bei zu vielem "Lipoprotein (a)", einem dem LDL-C verwandten Fettpartikel. Für beide Stoffe ist nachgewiesen, dass sie die Arterienverkalkung und damit die frühzeitige Entwicklung von Herzinfarkten und Schlaganfällen fördern.

"Man kann nicht sagen, dass wir nur alte Menschen behandeln", betont der Rostocker Mediziner. "Im Gegenteil: Männer unter 40 benötigen unsere Hilfe." Das Verfahren ist technisch kompliziert und kostet pro Behandlung zwischen 800 und 1.100 Euro. Im Rostocker Team stehen sieben Schwestern und zwei Ärzte zur Verfügung. Qualifiziertes Personal ist nötig, denn neben der üblichen Gerätevorbereitung, der Punktion, der Patienten- und Geräteüberwachung, den Blutentnahmen, Dokumentation, Nachsorge, Desinfektion und Müllentsorgung unterstützen die Schwestern auch maßgeblich bei der Beantragung der Apherese. "Unser Schwestern-Team ist so gut, dass es häufig Personal von deutschen Universitätskliniken schult", sagt Dr. Ramlow nicht ohne Stolz. Das Rostocker Apheresezentrum gehört zu den international führenden Spezialeinrichtungen und führt jährlich ca. 2.000 Behandlungen bei derzeit 42 Patienten mit Fettstoffwechselstörungen durch. Ferner ist das Zentrum aktiv in internationale klinische Studien zur Wirksamkeit der Apherese bei anderen Erkrankungen einbezogen.

"Wir haben für die Apheresebehandlung keine gute Studienlage", bemängelt Dr. Ramlow. Umfassende wissenschaftliche Studien sind die Voraussetzung für die Anerkennung und geregelte Kostenerstattung durch die Krankenkassen. Studien sind in diesem Bereich aber schwierig, da es zum einen so wenige Patienten gibt und zum anderen die Behandlung so kompliziert ist. "Es wäre ethisch nicht vertretbar, Menschen hierher kommen zu lassen, an das Gerät anzuschließen und sie nicht wirklich zu behandeln." Diesen Placeboversuch könne man lediglich bei der Gabe von Medikamenten machen, aber nicht in der Apheresetherapie.

Daher fordert der 58-Jährige, der bis zum letzten Jahr noch der Präsident der Internationalen Fachgesellschaft für Apherese (ISFA) war, die Erfassung und Auswertung von möglichst vielen Apheresebehandlungen in einem internationalen Register. Bundesweit gibt es ein solches bereits. "Nur mit einer guten Datenlage und international vergleichbaren Kriterien können wir die Versorgung der Patienten verbessern", sagt Ramlow. Zudem appelliert er an die Mediziner, mehr in Sachen Prävention zu tun: "Der fehlende Leidensdruck führt dazu, dass erhöhte Fettwerte in ihrer Bedeutung für die Entwicklung von kardiovaskulären Erkrankungen immer noch unterschätzt werden. Fette tun nicht weh. Wenn man Schmerzen am Knie hat, geht man zum Arzt und sucht Hilfe. Bei Stoffwechselstörungen sind die Ursachen oft weniger transparent, können aber schwerwiegende Folgen haben."

Für Dr. Ramlow selbst war der Fall von Katrin Gosmann ein Schlüsselerlebnis, denn er war noch junger Arzt an der Rostocker Uniklinik, als bei ihr die Krankheit diagnostiziert wurde. "Ohne Apherese wäre sie längst gestorben", ist der Vater von fünf Kindern sicher. Die Standesbeamtin liebt ihr Hobby, den Orientalischen Tanz. "Es macht Spaß und man wird auch ganz schön gefordert, Ausdauer, Koordination besonders", sagt die Mecklenburgerin.

Schwerpunktmäßig widmet sich der Kongress dem Thema Regeneration. Angewandt werden regenerative Verfahren beispielsweise bereits bei Patienten mit Herzinfarkt. Gereinigte, körpereigene Stammzellen werden dem Patienten transplantiert und helfen seinem geschädigten Organ bei dessen Regeneration. Andererseits werden neue Blutentgiftungsverfahren zur Unterstützung der Leberregeneration angewendet.

Auch Dialysepatienten bauen auf Konzepte zu regenerativen Verfahren bis hin zu nachwachsenden Organen. Aktuell müssen ca. 65.000 Patienten in Deutschland mittels Dialyse versorgt werden, 12.000 stehen auf der Warteliste für eine Transplantation. Nur 3.000 Patienten erhalten pro Jahr eine Nierentransplantation.


Kontakt:

Universität Rostock
Universitätsmedizin
Prof. Dr. med. Gustav Steinhoff
Mail: gustav.steinhoff@med.uni-rostock.de
Internet: www.esao2012.org

Dr. Wolfgang Ramlow
Apherese Centrum Rostock (ACR)
Mail: ramlow@apherese.de

Presse+Kommunikation
Dr. Ulrich Vetter
Mail: ulrich.vetter@uni-rostock.de


Infokasten: Was ist Apherese?
Bei manchen Krankheiten oder Vergiftungen befinden sich Substanzen im Blut, die Schaden anrichten können. Mittels Apherese-Verfahren lässt sich das Blutplasma von diesen Stoffen befreien - und zwar indem das Blut wie bei der Künstlichen Niere durch ein Gerät außerhalb des Körpers geleitet und dabei "gereinigt" wird. Der Patient ist dabei an ein Apheresegerät angeschlossen.

Infokasten:
Hochkarätiger Mediziner-Kongress in Rostock
"Vom Ersatz zur Regeneration - von der Forschung in die Klinik" lautet das Thema des 39. internationalen Kongresses der Europäischen Gesellschaft für künstliche Organe (ESAO) vom 26. bis 29. September in Rostock. Was erwartet uns nach 60 Jahren Dialyse und 40 Jahren Kunstherz und Herztransplantationen? Können nachwachsende Organe in den nächsten 20 Jahren Realität sein? Rund 400 Experten aus Klinik, Forschung und Entwicklung aus der ganzen Welt werden erwartet, unter anderem aus Asien, Nord- und Südamerika und Europa. Jeden Kongresstag steht thematisch eines der drei Organe/-systeme: Herz, Leber und Niere im Mittelpunkt.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution210

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Rostock, Ingrid Rieck, 10.09.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. September 2012