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UMWELT/568: Sind Nanopartikel aus Wolframcarbid-Cobalt gesundheitsschädlich? (idw)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - 13.03.2009

Sind Nanopartikel aus Wolframcarbid-Cobalt gesundheitsschädlich?

Ergebnisse aus dem BMBF-geförderten Projekt INOS


Dresden/Leipzig. Nanopartikel aus Wolframcarbid und Wolframcarbid-Cobalt können in kultivierte Zellen von Säugetieren eindringen. Das geht aus einer Studie hervor, die Wissenschaftler der Universität Dresden, des Leipziger Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung und des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme Dresden durchgeführt haben. Die Ergebnisse zeigten jedoch, dass Nanopartikel aus reinem Wolframcarbid keine zellschädigenden Effekte verursachen. Erst durch das Mischen von Nanopartikeln mit toxischen Stoffen wie Cobalt werden zellschädigende Effekte hervorgerufen.

Bei der in vitro-Studie, die im renomierten Fachblatt Environmental Health Perspectives erschienen ist, wurde die Wirkung von Wolframcarbid- und Wolframcarbid-Cobalt-Nanopartikeln mit einer Aggregatgröße von 150 Nanometern sowohl auf Zellkulturen aus menschlichen Lungen-, Haut- und Darmzellen als auch aus den Gehirnzellen von Ratten untersucht.

Das harte Wolframcarbid wird vor allem zur Werkzeugfertigung eingesetzt. Die Beimischung von Cobalt erhöht Zähigkeit und Festigkeit. Bei der Herstellung der Werkzeuge könnte es gegebenenfalls zu einer Belastung am Arbeitsplatz kommen. Jedoch lagen zu den Wirkungen des Stoffes in der Größe von Nanopartikeln bisher noch keine Erkenntnisse vor. Um nanoskalige Rohstoffe zu einer breiten Anwendung zu bringen, sollten Risiken für Mensch und Umwelt jedoch im Vorfeld untersucht und berücksichtigt werden.

Die chemisch-physikalischen Untersuchungen bestätigten, dass sowohl Wolframcarbid als auch Wolframcarbid-Cobalt-Partikel durch Albumin oder Serum in Nährlösungen stabilisiert werden. Das ist ein wichtiger Befund, da mögliche gesundheitsschädliche Wirkungen durch die geringe Größe der Partikel hervorgerufen werden könnten. Der Zusatz von Albumin zu den Nährlösungen ermöglicht so eine Prüfung, die den natürlichen Verhältnissen sehr nahe kommt. Mit Hilfe elektronenmikroskopischer Verfahren konnte zunächst die Aufnahme der Partikel in die untersuchten Zellen nachgewiesen werden. Bei den nachfolgenden biologischen Tests zeigte sich, dass Wolframcarbid-Nanopartikel allein nicht akut toxisch sind, während Mischungen dieser Partikel mit Cobalt bei höheren Partikelkonzentrationen toxisch wirkten. Die Toxizität der WC-Co-Mischung war dabei höher als die von Cobaltionen der vergleichbaren Konzentration. Warum die Kombination aus Wolframcarbid und Cobalt toxischer reagiert, ist noch nicht endgültig geklärt. Möglicherweise fungieren Nanopartikel auch als "trojanisches Pferd", das heißt, sie erhöhen die Aufnahme giftiger Cobaltionen in die Zellen. Aus Sicht der Forscher kommt es darauf an, den Einfluss von Partikelgröße und Mischungseffekten weiter zu untersuchen und daraus mögliche Konsequenzen für die Beurteilung von Gesundheitsgefährdungen abzuleiten.

Diese und andere Ergebnisse werden am 18./19. März 2009 auf einem Symposium am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig über Nanotechnologie und Toxizität in Umwelt und Gesundheit mit etwa 80 Wissenschaftern sowie Vertretern von Behörden und Industrie diskutiert. Die Tagung ist gleichzeitig der Abschluss des Forschungsprojektes INOS. Mit insgesamt 7.6 Millionen Euro hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) drei große Konsortien (NanoCare, INOS und TRACER) gefördert, die erstmals in Deutschland gesundheitsrelevante Aspekte von synthetischen Nanopartikeln in großem Umfang untersucht haben. Im Fokus von INOS stand dabei die Entwicklung von Methoden zur Bewertung des Gefährdungspotenzials von technischen Nanopartikeln mit Hilfe von in vitro-Methoden. Diese Arbeiten konzentrieren sich auf keramische und metallische Partikel wie Diamant, Wolframcarbid, Titandioxid, Titannitrid, Cobalt, Platin, Keramik-Metall-Mischungen sowie Kohlenstoffnanoröhren und Ruß.

Tilo Arnhold


Publikation:
Bastian, S., Busch, W., Kühnel, D., Springer, A., Meißner, T., Holke, R., Scholz, S., Iwe, M., Pompe, W., Gelinsky, M., Potthoff, A., Richter, V., Ikonomidou, H., Schirmer, K. (2009):
Toxicity of tungsten carbide and cobalt-doped tungsten carbide nanoparticles in mammalian cells in vitro.
Environ.Health Perspect. in press
http://dx.doi.org/10.1289/ehp.0800121

Weitere fachliche Informationen:
• zur wissenschaftlichen Publikation:
Susanne Bastian, Maria Iwe
Abteilung Neuropädiatrie der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am
Universitätklinikum Carl Gustav Carus der
TU Dresden
http://www.tu-dresden.de/kin/index.htm
und

Dr. Dana Kühnel, Wibke Busch
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
http://www.ufz.de/index.php?de=2825
und

PD Dr. Kristin Schirmer (Teilprojektleiterin)
Eawag - Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs
http://www.eawag.ch/organisation/abteilungen/utox/index

• zum INOS-Projekt:
Dr. Volkmar Richter (Projektkoordinator)
Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS)
oder über

Tilo Arnhold (UFZ-Pressestelle)
E-mail: presse@ufz.de


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Beteiligte Projektpartner von INOS:

• Technische Universität Dresden, Institut für Werkstoffwissenschaft und Max-Bergmann-Zentrum für Biomaterialien, Dresden

Das Max-Bergmann-Zentrum bündelt die Aktivitäten der Technischen Universität (TUD) und des Leibniz-Institutes für Polymerforschung e.V. (IPF) auf dem Gebiet der medizinischen Biomaterialforschung. In der Professur für Materialwissenschaft und Nanotechnik am Institut für Werkstoffwissenschaft der TU Dresden wird seit vielen Jahren an Themen der Nanotechnologie, der Biomaterialentwicklung, dem Tissue Engineering und der Biomineralisation geforscht.

• Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme, Dresden

Das Fraunhofer-Institut Keramische Technologien und Systeme ist 1992 aus Teilen des Zentralinstitutes für Festkörperphysik und Werkstoffforschung hervorgegangen. Das Institut bietet Systemlösungen auf den Gebieten Strukturkeramik, Funktionskeramik und Hartmetalle/Cermets an, die Werkstoff-, Verfahrens- und Bauteilentwicklung beinhalten können. Am Institut liegen langjährige Erfahrungen zur Herstellung, Charakterisierung und Verarbeitung nanoskaliger Pulver vor. Die Entwicklung einer ultrafeinen Wolframcarbidkeramik erhielt im Jahr 2000 den Annual Award "Innovations in Powder Metallurgy" der European Powder Metallurgy Association. Im Labor für Partikel- und Suspensionscharakterisierung sind verschiedenen Verfahren zur Dispergierung von Pulvern, zur Ermittlung von Partikelgrößenverteilungen sowie zur Kennzeichnung der Stabilität von Suspensionen mittels elektrokinetischer und elektroakustischer Verfahren vorhanden. Das Labor ist seit 1997 von der Deutschen Akkreditierungsstelle Chemie (DACH) nach DIN EN ISO/ IEC 17025 akkreditiert. Mit INOS soll technischen Untersuchungen eine auf gesundheitliche Fragen ausgerichtete Komponente zugefügt und eine ganzheitliche Bewertung neuer Pulver ermöglicht werden.

• Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ, Leipzig

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert. Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit 25.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,3 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des großen Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).

• Abteilung Neuropädiatrie, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden

Die Abteilung für Neuropädiatrie ist eine Einrichtung des Universitätsklinikums "Carl Gustav Carus" an der Technischen Universität Dresden. In der Abteilung werden Kinder mit neurologischen Krankheiten betreut und auch klinisch relevante Grundlagenforschung betrieben. Ziel der Forschungsarbeiten sind die Identifikation und Charakterisierung der Mechanismen des Untergangs sowie der Funktionsstörung von Nervenzellen im sich entwickelnden und im erwachsenen Gehirn.


Weitere Informationen finden Sie unter
- http://www.ufz.de/index.php?de=17795
   Pressemitteilung
- http://www.ufz.de/index.php?de=17303
   3. Symposium "Nanotechnology and Toxicology in Environment and Health" (18.- 19.03.09)
- http://www.nanotox.de
   INOS-Projekt
- http://www.bmbf.de/de/nanotechnologie.php
   BMBF-Förderschwerpunkt Nanotechnologie
- http://www.ufz.de/index.php?de=7157
   Nano-Partikel auf dem Prüfstand (Pressemitteilung vom 29. März 2006)

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image86956
Elektronenmikroskopische Aufnahme einer Zelle des zentralen Nervensystems (Gliazelle), die Einschlüsse von Wolframcarbid-Partikeln zeigt (Vergrößerung 12.500 fach).

http://idw-online.de/pages/de/image86957
Elektronenmikroskopie-Aufnahme von Wolframcarbid-Partikeln als Pulver.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution173


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ, Tilo Arnhold, 13.03.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. März 2009