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UMWELT/650: Forschung - Feuchter Feinstaub altert schneller und fördert Allergien (MPG)


Max-Planck-Gesellschaft - 22. Juni 2011

Feuchter Feinstaub altert schneller

Proteinhaltige Schwebteilchen in der Luft werden bei erhöhter Luftfeuchtigkeit schneller durch Schadstoffe angegriffen und verändert


Die Luftfeuchtigkeit beeinflusst, wie allergen organische Schwebteilchen in der Atmosphäre wirken und welche Rolle die Aerosole im Klima spielen. Wie ein Team um Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz herausgefunden hat, wechseln proteinhaltige Partikel bei hoher Luftfeuchtigkeit von einer glasartigen in eine gelartige Konsistenz und werden daher chemisch rasch verändert. Die chemischen Veränderungen fördern das Potential der Teilchen, Allergien auszulösen. Darüber hinaus fördern gelartige Aerosole die Bildung flüssiger Wolkentröpfchen, während glasartige Schwebteilchen eher die Bildung von Eis und Niederschlag begünstigen.

Vom Glas zum Gel: Im Lichtmikroskop ist gut zu erkennen, wie ein Partikel des Proteins Bovine Serum Albumin (BSA) seine Struktur verändert, wenn er Feuchtigkeit aufnimmt. - © Manabu Shiraiwa / MPlI für Chemie

Vom Glas zum Gel: Im Lichtmikroskop ist gut zu erkennen, wie ein
Partikel des Proteins Bovine Serum Albumin (BSA) seine Struktur
verändert, wenn er Feuchtigkeit aufnimmt. Seine Konturen weichen dann
auf, weil das glasartige Teilchen aufquillt. Das macht ihn auch
leichter zugänglich für chemische Veränderungen.
© Manabu Shiraiwa / MPlI für Chemie

Dass eiweißreiche Lebensmittel getrocknet länger haltbar bleiben, kennt man aus der heimischen Küche. Feucht werden sie nämlich rascher von Mikroorganismen zersetzt und chemisch schneller oxidiert. Forscher um Ulrich Pöschl und Manabu Shiraiwa am Max-Planck-Institut für Chemie haben jetzt gezeigt, dass Feuchtigkeit auch die chemische Veränderung beschleunigt, die Proteine in der Atmosphäre durch Luftschadstoffe erfahren. Hohe Luftfeuchtigkeit und oxidierende Gase wie Ozon lassen die Proteine in organischen Feinstaub-Partikeln wie Blütenpollen chemisch schneller altern. Die Ergebnisse des Teams aus Mainz, dem Paul-Scherrer-Institut in der Schweiz und der Universität Bielefeld wurden jetzt in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht.

In trockenem Zustand sind Proteine glasartig und können nur an ihrer Oberfläche von reaktiven Gasen wie Ozon oxidiert und zersetzt werden. Bei erhöhter Luftfeuchte nehmen die Proteine jedoch Wasser auf und verwandeln sich von einem glasartigen Zustand in eine Art Gel. "Das Protein-Gel hat wassergefüllte Poren und Kanäle, durch die Ozon und andere reaktive Gase in das gesamte Protein eindringen und es chemisch verändern können. Dadurch ändert sich nicht nur die molekular Struktur, sondern auch die biologische Funktion", erklärt Manabu Shiraiwa, der an den Experimenten maßgeblich beteiligt war. "Wir haben ausgerechnet, dass sich die Halbwertszeit der Proteinumwandlung abhängig von Feuchtigkeit, Temperatur und Ozongehalt von Tagen auf wenige Sekunden verkürzen kann."


Das allergene Potential von Pollen könnte in feuchter Luft steigen

Die Ergebnisse sind wichtig, um beispielsweise die gesundheitsschädliche Wirkung von organischem Feinstaub besser einschätzen zu können. So verstärken beispielsweise Ozon und Stickoxide die allergieauslösende Wirkung von Proteinen im Blütenstaub oder Pollenkörnern. Zu dieser auch als Sommersmog bezeichneten Luftverschmutzung mit hohen Konzentrationen an Ozon und Stickoxiden kommt es besonders in den Sommermonaten bei hoher Verkehrsdichte und starker Sonneneinstrahlung. "Diese Luftschadstoffe stehen daher im Verdacht, an der Zunahme von Allergieerkrankungen in Industrieländern beteiligt zu sein. Ähnliche Reaktionen sind auch am Einfluss der Luftverschmutzung auf Atemwegsentzündungen und biologische Alterungsprozesse beteiligt", erläutert Ulrich Pöschl, Leiter der Studie.

Die feuchtigkeitsabhängige Phasenumwandlung vom glasartigen zum gelartigen Protein beeinflusst auch, wie sich organische Feinstaubpartikel in der Atmosphäre verhalten. Feuchte gelartige Aerosol-Partikel reagieren mit atmosphärischen Spurengasen und können flüssige Wolkentropfen bilden. Glasartige Partikel hingegen sind weitgehend inert, das heißt, dass sie nicht an chemischen Reaktionen beteiligt sind. Dafür können sie allerdings als Kristallisationskeime für Eiskristalle dienen, die an der Bildung von Niederschlag beteiligt sind.

In weiteren Experimenten und Modellrechnungen wollen die Forscher Einfluss von Feuchtegehalt und Phasenzustand auf die Reaktivität organischer Partikel nun noch genauer bestimmen, um die Auswirkungen von Feinstaubpartikeln auf Gesundheit und Klima quantifizieren und vorhersagen zu können.
UP/PH


Originalveröffentlichung
Manabu Shiraiwa, Markus Ammann, Thomas Koop, and Ulrich Pöschl
Gas uptake and chemical aging of semisolid organic aerosol particles
Proceedings of the National Academy of Sciences online, 20. Juni 2011;
doi: 10.1073/pnas.1103045108

Ansprechpartner

Dr. Ulrich Pöschl
Leiter der Forschungsgruppe Aerosole
Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz
E-Mail: u.poschl@mpic.de

Manabu Shiraiwa
Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz
E-Mail: m.shiraiwa@mpic.de


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Quelle:
MPG - Presseinformation vom 22. Juni 2011
Herausgeber:
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Hofgartenstraße 8, 80539 München
Tel.: 089/21 08-0, Fax: 089/21 08-12 76
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2011