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AUSLAND/1670: Burma - Medizinischer Versorgungsnotstand in Indigenengebieten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. März 2011

Burma: Medizinischer Versorgungsnotstand in Indigenengebieten

Von Grit Porsch


Berlin, 9. März (IPS) - In einer aktuellen Untersuchung, die sie in Burmas westlichem, gebirgigen Bundesstaat Chin durchgeführt hat, prangert die Nichtregierungsorganisation 'Ärzte für Menschenrechte' (PHR) die katastrophale medizinische Versorgung der hier beheimateten Ethnie der Chin an. Viele Menschen seien vor Kämpfen zwischen Rebellen und Soldaten geflohen und litten an Unterernährung und Krankheiten.

Ähnliche Zustände hatte PHR zuvor bei den Shan im östlichen Grenzgebiet festgestellt 'Diagnosis Critical: Health and Human Rights in Eastern Burma'). Die Aktivisten werfen der Regierung vor, sich nicht um die desolate Gesundheit der Binnenflüchtlinge zu kümmern und sprechen von "epidemischen" Menschenrechtsverletzungen.

"Die Verfolgung von Zivilisten hat in den ethnischen Regionen zu einer hausgemachten Gesundheitskatastrophe geführt", stellte Vit Suwanvanichkij von der John Hopkins Blomberg School of Public Health in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland gegenüber dem UN-Nachrichtenddienst IRIN fest. Sie verwies auf die Weltgesundheitsorganisation (WHO), nach deren Angaben im Osten von Burma die Kindersterblichkeit fast doppelt so hoch ist wie im Landesdurchschnitt. Zudem sterben hier im nationalen Vergleich dreimal mehr Mütter bei der Geburt.

"In den Gebieten mit ethnischen Minderheiten gleichen die Gesundheitsindikatoren denen von Ländern mit langjährigen Bürgerkriegen wie Sierra Leone oder Ruanda" erklärte Debbie Stothard, Koordinatorin der in Bangkok ansässigen Menschenrechtsorganisation 'Altsean'.


Winziger Gesundheitsetat

Burmas jahrzehntelang vom Militär kontrollierte Regierung, die seit den Wahlen im Februar unter ziviler Flagge segelt, steckt nach WHO-Angaben nicht einmal zwei Prozent ihres Haushalts in das Gesundheitssystem. In den entlegenen und häufig umkämpften Regionen mit ethnischen Minderheiten kommt davon kaum etwas an.

Die Armee setze alles daran, Helfern die Arbeit in Krisengebieten unmöglich zu machen, berichtete David Scott Mathieson, der in Burma für die Nichtregierungsorganisation 'Human Rights Watch' arbeitet. "Sie zerstören medizinische Einrichtungen, die von Gemeinden oder Rebellen kontrolliert werden." Einheimische Helfer riskieren ihr Leben, wenn sie versuchen, in Kampfgebieten die dringend auf Hilfe angewiesenen Binnenflüchtlinge medizinisch zu versorgen.

Im Bundesstaat Chin berichteten fast alle befragten Familien (92 Prozent) von Zwangsarbeit und Übergriffen der Armee. Die Soldaten hätten sie ausgeplündert oder ihre Vorräte vernichtet. "Angesichts der in Burma ohnehin miserablen Versorgung mit Lebensmitteln bringen diese von der Regierung angestifteten Raubzüge Familien leicht an den Rand ihrer Existenz", betonte die Expertin Suwanvanichkij.

Nach Angaben des PHR-Berichts hatten 43 Prozent der Familien zu wenig zu essen. "Noch größer wird die Zahl der Hungernden, wenn Menschen aus Angst dem Militär ihre Lebensmittel überlassen, Soldaten ihr Vieh töten und ihre Vorräte vernichten", erklärte Richard Sollom, der als stellvertretender PHR-Direktor die jüngste medizinische Studie über den Bundesstaat Chin verfasst hat.

Die Mae-Tao-Klinik im thailändischen Mae Sot beziffert die derzeitige Zahl der in Burma lebenden Binnenflüchtlinge auf fast eine halbe Million. Man schätzt, dass Dreiviertel ihrer Kinder akut unterernährt sind. "Wenn sie in der Regenzeit schutzlos und ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser unterwegs sind, erkranken sie leicht an Malaria und Diarrhö, die für Kinder unter fünf Jahren besonders oft tödlich enden", sagte die Aktivistin Stothard.


Links:
http://www.physiciansforhumanrights.org/
http://www.who.int
http://www.irinnews.org/PrintReport.aspx?ReportID=92119

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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. März 2011