Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → GESUNDHEITSWESEN

AUSLAND/1697: China - Mit einem Mausklick zur neuen Niere, im Internet floriert der Organhandel (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Mai 2011

China: Mit einem Mausklick zur neuen Niere - Im Internet floriert der Organhandel

Von Mitch Moxley


Peking, 11. Mai (IPS) - Chinas katastrophaler Mangel an transplantierbaren Organen lässt das illegale Geschäft mit Spendernieren florieren. Vorzugsweise über das Internet fädeln erfahrene Agenten Deals zwischen potentiellen Organspendern und Abnehmern ein. Mit ein paar Mausklicks auf einschlägige Websites kommt man ins Geschäft. Etwa 1,5 Millionen Patienten warten im Land der Mitte auf eine Transplantation, doch nur knapp 10.000 erhalten jährlich ein dringend benötigtes neues Organ.

Immer noch werden die meisten verfügbaren Organe hingerichteten Verbrechern entnommen, eine Praxis, die international seit Jahren verurteilt wird. In keinem Staat der Welt werden so viele Todesurteile ausgesprochen wie in China. Seitdem Peking jedoch auf einer Revision aller Todesurteile vor dem Obersten Gericht besteht und die Zahl der Exekutionen zurückgegangen ist, stehen der Organchirurgie weniger Transplantate zur Verfügung. Zudem sind immer weniger Chinesen zu einer Organspende nach dem Tod bereit.

Als Lebendspender sind seit 2007 nur noch Ehegatten, Blutsverwandte sowie Stief- und Adoptivkinder eines Patienten zugelassen.

Ein über das Internet gut organisierter, landesweiter Schwarzhandel profitiert in China von dem wachsenden Bedarf an Organen. "Agenten vermitteln zwischen denjenigen, die ein neues Organ benötigen, und potentiellen Organspendern", berichtete der Anwalt Zheng Xiaojun von der für das Justizministerium der Provinz Sichuan arbeitenden Kanzlei Tian Run Hua Bang im Gespräch mit IPS.

In dem illegalen Geschäft wird mit harten Bandagen operiert. Kürzlich berichtete die in Guangzhou erscheinende Wochenzeitung 'Southern Weekend' über den Wanderarbeiter Hu Jie aus der Südprovinz Hunan. Er hatte beschlossen, in Linfen in der nördlichen Provinz Shanxi eine Niere zu verkaufen, um seine Schulden begleichen zu können. Als Hu jedoch kurz vor dem Eingriff seine Meinung änderte, nahmen ihm Organhändler Handy, Personalausweis und andere Habseligkeiten ab und drohten, ihn nicht vor Abschluss der Operation aus der Stadt zu lassen.

Seit Mai 2007 werden in China Organtransplantationen durch strenge Vorschriften geregelt. Dem Klinikpersonal, das Organe verkauft oder zum Verkauf anbietet, drohen Strafen. Kürzlich berichtete die in Peking erscheinende Tageszeitung 'Procuratorial Daily' über unklare Bestimmungen und Schlupflöcher in den medizinischen Einrichtungen, die den Organhändlern in die Hände spielen. Häufig besorgen sich Spender einen gefälschten Ausweis und geben sich als vermeintliche Angehörige des auf ein Spenderorgan wartenden Patienten aus. Der in China übliche Preis für eine Spenderniere wird auf umgerechnet 15.000 US-Dollar geschätzt, die vor der Operation fällig sein sollten.

Das Gesundheitsministerium kündigte kürzlich an, massiv gegen Ärzte und anderes Klinikpersonal vorzugehen, die sich am illegalen Organhandel beteiligen oder für Transplantationen nicht qualifiziert sind. Sie verlieren ihre Zulassung, während ihre verantwortlichen Vorgesetzten entlassen werden und vor Gericht kommen.


Finanzhilfen für willige Spender

Die chinesische Regierung bemüht sich, den Organmangel abzubauen. 2008 wurde in Shanghai ein Register für Lebertransplantationen eingerichtet. Seit 2009 wird ein landesweites Koordinierungssystem aufgebaut, in dem Menschen registriert sind, die nach ihrem Tod ein Organ spenden wollen. Ein Hilfsfonds soll Not leidende potentielle Spender und deren Angehörige finanziell unterstützten. An dem Pilotprojekt beteiligen sich zunächst zehn Provinzen und Großstädte. Dennoch stammten 2009 nach Angaben der englischsprachigen Tageszeitung 'China Daily' 65 Prozent aller verfügbaren Transplantate von exekutierten Delinquenten.

Auf wenig Begeisterung stößt der Vorschlag Pekings, ab Jahresende jeden Führerscheinbewerber zur schriftlichen Einwilligung in eine posthume Organspende zu bewegen. Dazu erklärte Yang Junyi, Sprecher des Roten Kreuzes in Shanghai: "Viele Chinesen befürchten, ein Fluch laste auf ihnen, wenn sie die beantragte Fahrerlaubnis mit einer Registrierung als Organspender verbinden würden."

Nach den Vorstellungen von Vizegesundheitsminister Huang Jiefu sollten freiwillige Spender finanziell entlastet werden, etwa durch Steuervergünstigen, eine Krankenversicherung oder Ausbildungsprämien für Familienmitglieder. "Wir wollen das Spenderregister straffen und den für Transplantationen verfügbaren Organpool erweitern", zitierten die staatlichen Medien den Minister. (Ende/IPS/mp/2011)


Link:
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=55529

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 11. Mai 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2011