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AUSLAND/2222: Liberia - Wiederaufbau der Gesundheitsversorgung dringend nötig (Ärzte ohne Grenzen)


Ärzte ohne Grenzen - 7. April 2015

Liberia: Wiederaufbau der Gesundheitsversorgung dringend nötig - Ärzte ohne Grenzen eröffnet Kinderklinik


Seit Herbst hat die Zahl der Ebola-Neuerkrankungen in Liberia laufend abgenommen. Doch das ohnehin schwache Gesundheitswesen des Landes wurde von der Epidemie empfindlich getroffen: 179 medizinische Fachkräfte verstarben, viele Krankenhäuser wurden geschlossen. Ärzte ohne Grenzen unterstützt die Gesundheitseinrichtungen dabei, die medizinische Hilfe wieder aufzunehmen. Dazu zählen auch die Einführung entsprechender Sicherheitsstandards zur Vermeidung eines Ansteckungsrisikos und die Schulung von medizinischem Personal.

Die Ebola-Epidemie ist noch nicht vorbei

Am 20. März wurde ein neuer Ebola-Fall im Behandlungszentrum von Ärzte ohne Grenzen im Redemption-Krankenhaus der Hauptstadt Monrovia bestätigt. Die Patientin, die wenige Tage später verstarb, war der erste Ebola-Fall in Liberia seit mehr als zwei Wochen. Ärzte ohne Grenzen hat in der Klinik seit Dezember 2014 eine Station betrieben, in der Patienten mit Verdacht auf Ebola vorübergehend aufgenommen werden. Die Station wurde mittlerweile an eine andere Organisation übergeben.

"Unser Fokus liegt weiterhin darauf, Ebola-Fälle so rasch wie möglich zu identifizieren", erklärt Dr. Hanna Majanen, medizinische Leiterin der Projekte in Monrovia. "Auch wenn jetzt kaum mehr ein Patient mit Ebola infiziert ist, müssen doch alle Patienten getestet werden, bevor sie behandelt werden können. Das medizinische Personal hat verständlicherweise Angst - 372 Mitarbeiter von Gesundheitseinrichtungen haben sich seit dem Ausbruch mit dem Virus angesteckt, 179 davon verstarben."

Menschen sterben an Malaria oder Typhus

Bisher gibt es keinen Schnelltest für Ebola, so dass während des Wartens auf die Ergebnisse wertvolle Zeit verstreicht. "Wir mussten zusehen, wie Patienten gestorben sind, weil sie einfach nicht schnell genug medizinische Hilfe bekommen konnten", erklärt Philippe Le Vaillant, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Liberia. "Sie litten unter herkömmlichen Erkrankungen wie Malaria oder Typhus. Auch schwangere Frauen mit Geburtskomplikationen fielen diesen Umständen zum Opfer."

Obwohl es jetzt in ausreichender Zahl Ebola-Behandlungszentren in Liberia gibt, zögern die Menschen immer noch, die Gesundheitseinrichtungen aufzusuchen, die zwar meist wieder geöffnet sind, aber selten im selben Umfang wie vor der Epidemie arbeiten.

Neues Kinderkrankenhaus eröffnet

In Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium hat Ärzte ohne Grenzen am 21. März eine Kinderklinik eröffnet. So sollen in Monrovia die Kapazitäten zur Behandlung von medizinischen Notfällen, die nicht mit Ebola in Zusammenhang stehen, erweitert werden. Das durchgängig geöffnete Krankenhaus hat vorerst 46 Betten für Kinder unter fünf Jahren, kann aber auf 100 Betten erweitert werden. Verschärfte Vorschriften zur Prävention von Infektionen wurden eingeführt, um Mitarbeiter und Patienten vor dem Risiko einer Ebolainfektion zu schützen.

"Wir haben viele Maßnahmen getroffen, um die Mitarbeiter und Patienten zu schützen: Es gibt eine genaue Voruntersuchung der Kranken, zusätzliches Schutzmaterial steht zur Verfügung, der Abstand zwischen den Betten ist größer und die Prozesse zur Desinfektion und Abfallentsorgung wurden genauestens festgelegt", so Dr. Myriam Deguillen, die Leiterin des Krankenhauses. "Es ist entscheidend, das Vertrauen der Gesundheitsfachkräfte und der Patienten in das Gesundheitssystem wiederherzustellen. Ihre Sicherheit ist unser Hauptanliegen."

Höhere Sicherheitsstandards in Kliniken nötig

Gleichzeitig unterstützt Ärzte ohne Grenzen das James David Junior Memorial-Krankenhaus (JDJ) im Vorort Paynesville. Die kostenlose Versorgung in den Bereichen Pädiatrie und Geburtshilfe soll an Standards angepasst werden, die auch eine mögliche Ebola-Infektion berücksichtigen. Viele der neu aufgenommen Patienten und Patientinnen sind Neugeborene, deren Mütter zu Hause gebären mussten.

Ärzte ohne Grenzen unterstützt auch 23 Gesundheitseinrichtungen in den Regionen Montserrado, zu dem Monrovia gehört, und Grand Cape Mount bei der Einführung und Einhaltung von Sicherheitsstandards. Oft nehmen auch Bewohner an den Fortbildungen teil: "Ich muss mir wirklich sicher sein, bevor ich meine Kinder in die Klinik schicke, wenn sie krank sind. Ich habe jetzt erfahren, dass das Ebola-Risiko hier sehr ernst genommen wird", so Morris Gibson in der T.K.G. Klinik in Clara Town, einem Vorort der liberianischen Hauptstadt.

Infektionskontrolle und Überwachung müssen verbessert werden

"Ebola hat deshalb so viel Schaden in Liberia, Guinea und Sierra Leone angerichtet, weil die Gesundheitssysteme dieser Länder bereits davor schwach waren", erläutert Philippe Le Vaillant. "Es sind dringend deutliche Verbesserungen in Bezug auf Infektionskontrolle und epidemiologischer Überwachung nötig, um höhere Qualitätsstandards zu erreichen und einzuhalten."

"Das Virus hat uns allen aufs Härteste eine Lektion erteilt", fasst Beatrice Jlaka zusammen, leitende Krankenschwester in der Intensivstation des JDJ-Krankenhauses. "Viele Kollegen sind im Kampf gegen Ebola gestorben, weil sie keine entsprechende Ausbildung und Ausrüstung hatten. Um ihre Arbeit zu ehren, müssen wir immer vorsichtig sein. Ich habe jetzt keine Angst mehr zu arbeiten; ich fühle mich bereit."

Ärzte ohne Grenzen hat im August 2014 das Ebola-Behandlungszentrum ELWA 3 in Monrovia eröffnet. Das liberianische Gesundheitsministerium übernimmt die Einrichtung derzeit. Seit November besteht im Redemption-Krankenhaus ein Übergangszentrum für Patienten und Patientinnen, bei denen der Verdacht auf eine Ebola-Erkrankung besteht. Das Ebola-Behandlungszentrum von Ärzte ohne Grenzen in Foya im Bezirk Lofa im Norden des Landes wurde vergangenen Dezember geschlossen, nachdem die Epidemie in dieser Region offiziell für beendet erklärt worden war. Seit Beginn des Ausbruchs haben 670 Ebola-Kranke in den Einrichtungen von Ärzte ohne Grenzen in Liberia das Virus besiegt und überlebt.

Kürzlich wurden Rapid Response Teams von Ärzte ohne Grenzen in die Gebiete Grand Bassa, Grand Cape Mount und Margibi entsendet. Dort helfen sie den Gesundheitsbehörden, lokale Ausbrüche einzudämmen.

Vergangenen Oktober haben Teams von Ärzte ohne Grenzen Anti-Malaria-Medikamente im Westen der Hauptstadt Monrovia verteilt; rund 600.000 Menschen wurden im Rahmen der Verteilaktion erreicht.

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2015

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