Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1/2016
Flüchtlingshilfe
Medizinische Hilfe für Flüchtlinge vor Ort im Nordirak
Von Ioana Klopf, Rendsburg
Ioana Klopf aus Rendsburg berichtet, wie sie und ihr Mann Dr. Martin Klopf Flüchtlingen in ihrer Heimat helfen.
Immer mehr Flüchtlinge aus Syrien und Irak suchen in Europa
Schutz. Zugleich wächst die Gefahr, dass sich die Lage der Menschen,
die vor dem Terror des IS nach Kurdistan geflohen sind, verschlimmert.
Es wird schwieriger, die Mittel zu beschaffen, damit UNHCR und andere
Hilfsorganisationen finanziell in der Lage bleiben, den
hunderttausenden Flüchtlingen im Nahen Osten zu helfen. In der
kurdischen Region Dohuk im Nordirak, wo sich ungefähr doppelt so viele
Flüchtlinge wie Einheimische aufhalten, gibt es 20 offizielle
Flüchtlingslager. In 16 von ihnen leben fast ausschließlich Jesiden,
in vier weiteren mehrheitlich syrische Flüchtlinge. Eine beachtliche
Anzahl Flüchtlinge wohnt außerhalb der offiziellen Lager, in Rohbauten
oder in Zelten. Die Solidarität der ansässigen Bevölkerung mit den
Flüchtlingen ist riesig, doch die gesundheitliche Versorgung ist
problematisch. Die Krankenstationen der offiziellen Camps sind nur auf
Akutbehandlungen eingestellt. Facharztbesuche sind aufgrund der
fehlenden finanziellen Mittel und der mangelhaften öffentlichen
Verkehrsanbindung nicht möglich. Um diesen Menschen zu helfen, aber
auch um ein Zeichen zu setzen, bin ich Ende Oktober zusammen mit
meinen Ehemann Dr. Martin Klopf, HNO-Arzt aus Rendsburg, der Einladung
von Sylvia Wähling vom Menschenrechtszentrum Cottbus und der IGFM
Frankfurt am Main gefolgt und zusammen mit zwei weiteren ärztlichen
Kollegen aus Brandenburg ins nordirakische Kurdistan geflogen, um dort
in Flüchtlingscamps medizinische Hilfe vor Ort zu leisten.
Mit einer von der Gesundheitsbehörde zur Verfügung gestellten mobilen Klinik haben wir Patienten in den Flüchtlingslagern Shekhan und Esyan behandelt. Die Menschen vor Ort brauchten uns - als Zuhörer ihrer tragischen Geschichten, bei der Behandlung akuter Beschwerden oder als Sammler chronischer Gesundheitsprobleme, die das örtliche Gesundheitssystem nicht bewältigen kann. Was bei Schmerzen, Fieber und Husten leicht zu behandeln war, da wir gut mit Medikamenten ausgestattet waren, war bei chronischen Herz-, Nieren- oder Gelenkkrankheiten schwierig. Ich spürte ein Gefühl der Ohnmacht beim Anblick behinderter Kinder, Schwangerer oder Neugeborener ohne oder mit nur unzureichender medizinischer Betreuung. Wir hielten Problemfälle schriftlich fest, um später zu versuchen zu helfen. Die Menschen nahmen das Leben so an, wie sie es erfuhren, und gaben die Hoffnung nicht auf, in die Normalität zurückkehren zu können. Wir fanden es bemerkenswert, dass sich niemand beklagte: Nicht die Jugendliche, die ihrer Schwester eine Niere gespendet hatte, nicht der vierjährige Junge, der aufgrund einer schweren Kopfverletzung durch den IS an einer Epilepsie erkrankte und nicht die junge zweifache Mutter, deren 18 Verwandte vom IS getötet wurden.
Jeden Morgen erwarteten uns zahlreiche Patienten. Unsere Helfer versuchten zunächst geordnete Verhältnisse durch Listen zu schaffen. Bei Nummer 250 fragten sie uns, ob das an einem Tag zu schaffen sei. Wussten wir auch nicht - wir konnten nicht abschätzen, wieviel Zeit jeder einzelne benötigen würde. Als aber die Menschen uns fast auf die Füße traten, gaben wir die Liste auf und setzten Prioritäten: Zuerst Säuglinge und Kleinkinder. Erwachsene mussten warten. Und das taten sie auch. Wir vergaßen zu essen und zu trinken, konzentrierten uns nur auf die Patienten. Von Zeit zu Zeit wurde uns eine Wasserflasche gereicht, die wir dankend an nahmen. Vor Einbruch der Dunkelheit machten wir Schluss, um die Behandlungen am nächsten Morgen fortzusetzen. Als sich ein junger Mann von mir mit den Worten "You have done it good!" verabschiedete, vergaß ich sofort die Müdigkeit. So tief dankende Worte hatte ich lange nicht mehr erlebt. Der Einsatz war eine Bereicherung für uns.
INFO
Die gesundheitliche Versorgung in den Flüchtlingscamps im Nordirak ist
problematisch. Die Krankenstationen sind nur auf Akutbehandlungen
eingestellt. Facharztbesuche sind nicht möglich.
Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 1/2016 im
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http://www.aeksh.de/shae/2016/201601/h16014a.htm
Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
69. Jahrgang, Januar 2016, Seite 23
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.
veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Februar 2016
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