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AUSLAND/2408: Mittelmeer - Immer mehr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auf den Booten (ÄoG)


Ärzte ohne Grenzen - 2. Dezember 2016

Mittelmeer: Rettungsschiffe von Ärzte ohne Grenzen haben seit April alle 16 Minuten einen Menschen aus Seenot gerettet


Rettungsschiffe von Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerranée haben im Mittelmeer seit Ende April durchschnittlich alle 16 Minuten einen Menschen aus Seenot gerettet. Insgesamt haben die Teams auf der "Bourbon Argos", der "Dignity I" und der "Aquarius" in diesem Jahr bis Ende November 19.708 Menschen von 153 überfüllten Booten gerettet. Weitere 7.117 Bootsflüchtlinge, die zunächst von anderen Schiffen gerettet worden sind, wurden unter Koordination der Seenotrettungszentrale in Rom ebenfalls von einem der drei Schiffe an Bord genommen und sicher nach Italien gebracht. Die von Ärzte ohne Grenzen betriebenen "Bourbon Argos" und "Dignity I" liegen angesichts der wegen des Winters rückläufigen Zahl der Überfahrten seit Ende November in europäischen Häfen in Bereitschaft. Die zusammen mit SOS Méditerranée betriebene "Aquarius" setzt die Seenotrettung vor der libyschen Küste den Winter über fort.

Boote sind in immer schlechterem Zustand

Im Vergleich zum Vorjahr waren die Boote, auf denen die Schleuser die Menschen auf die Überfahrt schicken, in deutlich schlechterem Zustand. 134 der 153 Boote, von denen die Teams von Ärzte ohne Grenzen Menschen aus Seenot retteten, waren Schlauchboote von schlechter Qualität. Bei den übrigen 19 Schiffen handelte es sich um Holzboote. 2014 und 2015 wurde noch ein großer Teil der Menschen in Holzbooten auf die Überfahrt geschickt. Mehrfach trafen die Teams auf überfüllte Boote, die seit Stunden oder gar Tagen manövrierunfähig im Meer trieben, weil der Motor entfernt worden oder kein Treibstoff mehr vorhanden war. Die Menschen in den Booten verfügten auch über weniger Rettungswesten, Trinkwasser und Nahrungsmittel. Die Boote starteten oft in großer Zahl mitten in der Nacht, um die strikteren Kontrollen zu umgehen. Mehrfach mussten die Teams Rettungsaktionen in Dunkelheit durchführen, was besonders gefährlich ist.

2016 ist mit Abstand das tödlichste Jahr auf dem Mittelmeer

Mit mehr als 4.690 Todesfällen ist 2016 schon jetzt das tödlichste Jahr im Mittelmeer seit Beginn der Aufzeichnung von Todesfällen auf See. Allein diese Zahl der registrierten Todes- und Vermisstenfälle ist somit um fast 1.000 gegenüber 2015 gestiegen. Demnach ist einer von 41 Menschen auf der Überfahrt nach Europa gestorben. Doch viele Unglücke werden vermutlich gar nicht erst bekannt. Trotz dieser schockierenden Zahlen konzentriert sich die Europäische Union nicht auf die Rettung von Menschenleben sowie die Schaffung von sicheren Fluchtwegen nach Europa, sondern auf Abschreckung und auf immer striktere Grenzkontrollen in Staaten außerhalb der EU. Diese Politik hat mit dazu geführt, dass Schleuser die Menschen unter immer unsicheren Bedingungen auf die Überfahrt schicken.

Immer mehr unbegleitete Minderjährige auf den Booten

Ein immer größerer Anteil der Geretteten sind Kinder. In diesem Jahr waren 16 Prozent der Neuankömmlinge in Italien Minderjährige. Fast neun von zehn Minderjährigen (88 Prozent) kamen ohne Begleitung.

Extreme Gewalt in Libyen

Die Geretteten berichteten von extremen Gewalterfahrungen in Libyen, darunter Morde, Vergewaltigungen, Folter, Erpressung, willkürliche Haft unter unmenschlichen Bedingungen, Ausbeutung, Zwangsarbeit und Zwangsprostitution.


Mehr Informationen:
https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/libyen-gewalt-fluechtlinge

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Quelle:
Ärzte ohne Grenzen e. V. / Medecins Sans Frontieres
Pressemitteilung vom 2. Dezember 2016
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Dezember 2016

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