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ARTIKEL/1529: Corona-Krise - Kurzarbeit in der Arztpraxis (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2020

PRAXEN
Kurzarbeit in der Krise

von Dirk Schnack


Kurzarbeit für medizinisches Personal, obwohl jede Fachkraft im Gesundheitswesen dringend gebraucht wird: Klingt paradox, ist aber Realität in vielen Facharztgruppen.


Viele Operationen, Routinebehandlungen und Vorsorgeuntersuchungen sind im ambulanten Bereich in den vergangenen Wochen abgesagt worden. Folge ist ein Liquiditätseinbruch bei den Praxisinhabern. Für sie kommen Steuerstundungen und Liquiditätshilfen über das von der Bundesregierung verabschiedete Hilfsprogramm in Frage. Die Pandemie hat darüberhinaus viele Praxisinhaber dazu bewogen, sich außerdem mit einem Thema auseinanderzusetzen, das sie bislang noch nie beschäftigt hat: Kurzarbeit.

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Info
Informationen rund um das Thema Kurzarbeit in der Arztpraxis hat der Virchowbund auf seiner Website (www.virchowbund.de) im Blog zusammengestellt. Mitglieder können dort auch Muster für Ergänzungsverträge mit den Mitarbeitern herunterladen.
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"Wir sprechen mit allen unseren ärztlichen Mandanten auch über dieses Thema und rund 50 Prozent treffen entsprechende Vereinbarungen mit ihren Mitarbeitern", sagte der auf Heilberufe spezialisierte Steuerberater Christoph Weitkamp dem Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt. Er sieht alle Arztgruppen, die elektive Eingriffe ambulant vornehmen, betroffen. Im humanmedizinischen Bereich sind es besonders Orthopäden, die derzeit starke Umsatzrückgänge verzeichnen. Sie operieren häufig in Klinikbelegbetten, die wegen der Pandemie umgewidmet wurden. Aber auch Augenärzte, Urologen, plastische Chirurgen, Dermatologen und andere Fachrichtungen gehören zu den betroffenen Fachrichtungen - genauso wie Zahnärzte und Kieferorthopäden. Nach Erfahrungen Weitkamps sagten Patienten in den vergangenen Wochen "alles ab, was nicht unbedingt sein musste". Faustregel: Je näher der Kontakt zum Behandler, desto vorsichtiger sind die Patienten.

Dass es sich dabei nicht um Einzelfälle handelt, zeigt das Engagement des NAV Virchowbundes, der seine Mitglieder umfassend über die Regularien zur Kurzarbeit informierte. Mit Kurzarbeit wird die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit in der Arztpraxis vorübergehend als Konsequenz wirtschaftlicher Ursachen oder eines unabwendbaren Ereignisses verringert. "So ein Ereignis ist zum Beispiel die Corona-Pandemie", verdeutlichte der Verband. Als Merkmale gelten laut Virchowbund:

1. Die Mitarbeiter arbeiten weniger oder überhaupt nicht. Dementsprechend verringert sich ihr Gehalt.

2. Der Gehaltsverlust wird teilweise über das Kurzarbeitergeld ausgeglichen. Die Bundesagentur für Arbeit federt die Differenz zwischen dem vollen Nettogehalt und dem reduzierten Kurzarbeits-Nettogehalt ab. Kinderlose Arbeitnehmer erhalten ca. 60 Prozent der Differenz auf diese Weise ersetzt. Arbeitnehmer mit Kindern erhalten rund 67 Prozent. Anfallende Sozialversicherungsbeiträge werden für ausgefallene Arbeitsstunden zu 100 Prozent erstattet.

3. Rückwirkend zum 1. März 2020 gelten Erleichterungen für das Kurzarbeitergeld. Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht, wenn mindestens 10 Prozent der Beschäftigten einen Arbeitsentgeltausfall von mehr als 10 Prozent haben.

Praxisinhaber sollten laut Virchowbund prüfen, ob die Arbeitsverträge mit ihren Beschäftigten eine Klausel, dass der Arbeitgeber Kurzarbeit anordnen darf, enthalten. Falls nicht, müssten Praxisinhaber und Mitarbeiter eine Ergänzung zum Arbeitsvertrag vereinbaren. Einen entsprechenden Ergänzungsvertrag können Mitglieder des Virchowbundes herunterladen. Der Verband gibt auch zu bedenken, dass die Tarifverträge mit den MFA keine Regelungen zur Kurzarbeit enthalten.

Wenn Mitarbeiter sich weigern, die Vereinbarung zur Kurzarbeit zu unterschreiben, bleibt Praxisinhabern als Option noch die Änderungskündigung oder die ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist. Die Tipps des Virchowbundes in der Übersicht:

- Kurzarbeit für alle:
Arbeitgeber und Arbeitnehmer schließen die Zusatzvereinbarung zur Kurzarbeit. Wenn Sie Kurzarbeit beantragen, gilt sie für alle Praxismitarbeiter. Einzige Ausnahme: Auszubildende und geringfügig Beschäftigte. Für sie können Arbeitgeber keine Kurzarbeit verhängen, da sie bereits ein verringertes Gehalt beziehen.

- Urlaub und Überstunden abbauen:
Bevor die Kurzarbeit greift, müssen die Arbeitnehmer Überstunden abbauen. Außerdem müssen noch zur Verfügung stehende bzw. nicht verplante Urlaubstage genommen werden. In Betrieben, in denen Vereinbarungen zu Arbeitszeitschwankungen genutzt werden, wird auf den Aufbau negativer Arbeitszeitkonten verzichtet.

- Behörde benachrichtigen:
Der Arbeitgeber benachrichtigt die Bundesagentur für Arbeit, die daraufhin einen Bescheid erlässt. Der Antrag kann per E-Mail, Post oder Fax gestellt werden.

- Kurzarbeit anordnen:
Jetzt kann der Arbeitgeber die konkreten Umstände zur Kurzarbeit anordnen. U. a. muss er ein vorläufiges Enddatum der Kurzarbeit nennen. Bei Bedarf kann er die Dauer der Kurzarbeit später verlängern. Erst wenn der Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vorliegt, haben Praxisinhaber Rechtssicherheit, dass sie beim Kurzarbeitergeld unterstützt werden.

- Lohn und Kurzarbeitergeld auszahlen:
Der Arbeitgeber zahlt den MFA und anderen Praxismitarbeitern das verringerte Gehalt und zusätzlich das Kurzarbeitergeld von 60 bzw. 67 Prozent der Lohndifferenz. Die Bundesagentur für Arbeit erstattet dem Arbeitgeber in der Folge sowohl das Kurzarbeitergeld als auch die dafür anfallenden Sozialversicherungsbeiträge. Für jeden Mitarbeiter ist ein eigener Erstattungsantrag und eine eigene Stundenaufzeichnung nötig.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 4/2020 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2020/202004/h20044a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
73. Jahrgang, April 2020, Seite 12
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
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Telefon: 04551/803-272, -273, -274,
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2020

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