Grünenthal GmbH - 21.11.2012
92. Aachener Hospizgespräche
Palliativversorgung muss ins Bewusstsein der Gesellschaft
Aachen, 17. November 2012. Die Einbindung der palliativen und hospizlichen Kultur in die Gesellschaft stand im Focus der 92. Aachener Hospizgespräche am 16. und 17. November 2013. Die Servicestelle Hospiz für die StädteRegion Aachen nahm sich der Frage an, wie trotz Kostendruck und Wettbewerb im Gesundheitssystem eine hospizliche Haltung möglich ist. Intensiv wurde in diesem Zusammenhang die Tendenz diskutiert, das bürgerliche Engagement zum Lückenbüßer vorhandener Versorgungsengpässe abzuwerten. Unterstützt wurde die Veranstaltung von der Grünenthal GmbH und der Caritas-Gemeinschaftsstiftung für das Bistum Aachen.
Einigkeit bestand darüber, dass die Begleitung schwersterkrankter Menschen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrgenommen und umgesetzt werden müsse. Rund 250 Vertreter aus Medizin, Pflege, Politik, Wissenschaft, Seelsorge, Ehrenamt, psychosozialen Berufsgruppen, Verbänden und Krankenkassen tauschten sich bei zahlreichen Diskussionen, Vorträgen und Workshops darüber aus, wie der Anspruch der Hospizbewegung für eine innovative und ganzheitlich-zuwendende Begleitung von Patienten und Angehörigen bis zum Lebensende erhalten bleiben kann.
Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, Prof. Dr. med. Friedemann Nauck betonte die beeindruckende Entwicklung der Palliativmedizin in den letzten Jahren. Diese Fortschritte dürften jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass zur Gestaltung der Zukunft noch zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen sind. Nicht nur bei der Umsetzung sondern auch bei der Aus-, Fort- und Weiterbildung und in besonderem Maße bei der palliativmedizinischen Forschung gebe es noch erhebliche Defizite. Die Etablierung von Lehrstühlen schreite zwar erfolgreich voran, aber, so Friedemann Nauck: "Die Forschung in der Palliativmedizin ist mit einer Vielzahl praktischer und methodischer, aber auch ethischer und juristischer Probleme behaftet". Wie in allen anderen medizinischen Fachdisziplinen sieht Nauck auch für die Behandlung schwerst- und sterbenskranker Patienten die Notwendigkeit einer evidenzbasierten Entscheidungsgrundlage.
Dr. med. Birgit Weihrauch, Staatsrätin a.D. und ehemalige Vorstandsvorsitzende des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbandes e.V. stellte die provokante Frage, ob Sterbebegleitung am Ende zu einer Geschäftsidee am Gesundheitsmarkt werden könne, "da unser Gesundheitssystem immer stärker von Wettbewerb und ökonomischen Interessen geprägt wird." Dies erfordere eine Gegenbewegung gegenüber der Politik und den Verantwortlichen im Gesundheitswesen, um den Bedürfnissen und Wünschen schwerstkranker und sterbender Menschen besser gerecht zu werden. Die Staatsekretärin a.D. verwies dazu auch auf die steigende Zahl pflegebedürftiger Menschen bis zum Jahr 2030 auf rd. 3,5 Millionen und Demenzkranker auf rd. 2,4 Millionen. Als Kontrapunkt zum Gesundheitsmarkt brauche es "eine gesellschaftliche Kultur, bürgerschaftliches Engagement und die Solidarität mit alten und schwerstkranken Menschen", so Weihrauch. Es sei gut, dass Sterben und Tod inzwischen kein Tabu mehr in unserer Gesellschaft seien, wie die Ergebnisse einer kürzlich vom DHPV veranlassten Bevölkerungsbefragung belegten, sondern die Menschen sich stattdessen eine intensivere Auseinandersetzung mit diesen Themen wünschten.
"Um Versorgung und Pflege chronisch kranker, multimorbider und sterbender Menschen patientenorientierter zu gestalten, müssen leitende Prinzipien und Wertvorstellungen aus dem Palliativ- und Hospizbereich verstärkt in alle Versorgungsbereiche übertragen werden", betonte Univ.-Prof. Dr. Michael Ewers, Direktor des Instituts für Medizin-, Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft, Charité - Universitätsmedizin Berlin. Damit seien aber auch erhöhte Qualifikationsanforderungen in der Pflege chronisch kranker, multimorbider und sterbender Menschen verbunden. Die Anpassung der Versorgung an die Bedürfnisse dieser pflegerisch besonders anspruchsvollen Patientengruppe mache nicht allein veränderte Leit- und Wertvorstellungen erforderlich. "Ebenso bedeutsam sind wissenschaftlich fundierte Konzepte, zeitgemäße Qualifikationsprofile und förderliche Kontextbedingungen", so Ewers. Nur so könne den gestiegenen Anforderungen in der Versorgung und Pflege dieser wachsenden Patientengruppe in allen Versorgungssettings begegnet werden.
Thomas Sitte, Vorsitzender des Vorstandes der Deutschen PalliativStiftung, Fulda sieht das bürgerschaftliche Engagement durch die Ökonomisierung der Hospizarbeit gefährdet. Dies lasse sich im Spannungsfeld rein ehrenamtlich ausgerichteter Hospizdienste in Kooperation mit der "Geschäftsidee" der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) beobachten. "Für manche kleine, fachlich hochkompetente Kooperation mag dies der Todesstoß sein." Dies war zwar nie beabsichtigt gewesen, sei aber systemimmanent, da die Politik die Palliativversorgung bewusst dem Wettbewerb unterstellt habe. Sitte fordert eine solide Finanzierung hauptamtlicher SAPV-Teams in deren Arbeit aber Ambulanten Hospizdienste fest und kooperativ eingebunden werden müssten. Jedes SAPV-Team könne bei den Ehrenamtlichen beobachten, wie eine hospizlich engagierte Haltung die eigene professionelle Arbeit beeinflussen kann. "SAPV ohne Hospizdienst ist kaum möglich. SAPV ergänzt Hospizarbeit ideal. Beides braucht hospizliche Haltung", betonte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen PalliativStiftung.
Veronika Schönhofer-Nellessen, Leiterin der Servicestelle Hospiz für die StädteRegion Aachen, verwies abschließend nochmals auf ihre Sorge, erwünschtes bürgerschaftliches Engagement zum Lückenbüßer einer defizitären Sicherstellung der gesetzlichen Krankenversicherung zu missbrauchen. Deswegen müssten die hauptamtlichen Verpflichtungen und Aufgaben klar festgeIegt und auskömmlich finanziert werden. Auch das Profil des Ehrenamtes müsse aber überdacht und in seiner Verbindlichkeit professionalisiert werden. "Haupt- und Ehrenamt werden sich zukünftig nur dann sinnvoll ergänzen und bereichern können, wenn die jeweiligen Aufgaben klar zugewiesen und die Verantwortungen geklärt sind," so die engagierte Hospizarbeiterin. In diesem Zusammenhang dürfe vor allem der Blick auf die Schnittstellen nicht vernachlässigt werden. "Hier müssen wir zukünftig noch klarer und bewusster miteinander umgehen, um haupt- und ehrenamtliche Hospizarbeit aktiv selbst zu gestalten, statt zum Opfer ökonomischer Sachzwänge zu werden", forderte Schönhofer-Nellessen.
Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.servicestellehospizarbeit.de
Über das Aachener Netzwerk der Hospizarbeit und Palliativmedizin
Die 1995 gegründeten Aachener Hospizgespräche sind ein Forum für alle
professionellen und ehrenamtlichen Multiplikatoren in Stadt und Kreis
Aachen, die sich für die Hospizarbeit und Palliativmedizin engagieren.
Dieses Netzwerk ist innerhalb von siebzehn Jahren ständig gewachsen und
trifft sich alle sechs Wochen in den so genannten Aachener
Hospizgesprächen, um sich miteinander auszutauschen, fortzubilden, zu
vernetzen und den Hospizgedanken weiter zu entwickeln. Etwa 230
verschiedene Institutionen und Dienste werden inzwischen regelmäßig zu den
Veranstaltungen eingeladen. Seit sechs Jahren findet einmal jährlich ein
bundesweiter Kongress in diesem Rahmen statt, der als zentrale Fachtagung
in der palliativen und hospizlichen Landschaft in Deutschland wahrgenommen
wird.
Caritas-Gemeinschaftsstiftung für das Bistum Aachen
Die Caritas-Gemeinschaftsstiftung für das Bistum Aachen wurde im Sommer
2006 vom Diözesancaritasverband als rechtlich selbstständige kirchliche
Stiftung zur Absicherung der sozial-caritativen Arbeit im Bistum Aachen
gegründet. Zentrales Anliegen ist, das vielfältige Engagement der
Aktiven in den über 1000 Einrichtungen und Diensten der Caritas im Bistum
Aachen ideell und finanziell zu unterstützen. Inhaltlich orientiert sich
die Stiftung mit ihrer Förderpraxis dabei an folgenden Aufgaben und
Zielen: Stärkung von Kindern, Jugendlichen und Familien, Hilfen für Alte,
Kranke und Menschen mit Behinderung, Bekämpfung von Armut und Integration
von Randgruppen. Damit ihre Arbeit und praktische Solidarität auch in
Zukunft bedürftigen Menschen Sinn und Hoffnung schenken kann, fördert die
Caritas-Gemeinschaftsstiftung vor allem neue Ideen in der Sozialarbeit und
Hilfsformen mit Modellcharakter. Gefördert werden ebenso bewährte Ansätze
und Maßnahmen, die mit Stiftungsmitteln zukunftsfähig ausgebaut werden
können, insbesondere dort, wo öffentliche Mittel nicht oder nur beschränkt
ausreichen. Mit ihrem Engagement will die Stiftung zu einer
solidarischen, menschlicheren und gerechteren Gesellschaft beitragen. Mit
Blick auf die für die Zielgruppen notwendigen sozialen und
gesellschaftlichen Aufgaben möchte sie weitere Unterstützungskanäle in
Gesellschaft, Kirche und Sozialstaat öffnen. Ein Anliegen ist es daher
auch, privates Engagement für soziale Themen im Bistum Aachen insgesamt zu
fördern und hierfür Caritas als Partner ins Gespräch zu bringen. Weitere
Informationen unter
www.caritasstiftung-aachen.de
Über Grünenthal
Die Grünenthal Gruppe ist ein unabhängiges, international tätiges,
forschendes Pharmaunternehmen im Familienbesitz mit Konzernzentrale in
Aachen. Aufbauend auf ihrer einmaligen Kompetenz in der Schmerzbehandlung
ist es das Ziel, das patientenzentrierteste Unternehmen und damit führend
in Therapie-Innovation zu werden. Als eines der letzten verbliebenen fünf
forschenden Pharmaunternehmen mit Konzernzentrale in Deutschland
investiert Grünenthal nachhaltig in die Forschung und Entwicklung. Im Jahr
2011 betrugen diese Investitionen circa 25 % des Umsatzes. Die Forschungs-
und Entwicklungsstrategie Grünenthals konzentriert sich auf ausgesuchte
Therapiegebiete und modernste Technologien. Den Schwerpunkt bildet die
intensive Suche nach neuen Wegen, um Schmerzen besser, nachhaltiger und
mit weniger Nebenwirkungen zu lindern. Die Grünenthal Gruppe ist in 26
Ländern weltweit mit Gesellschaften vertreten. Grünenthal-Produkte sind in
mehr als 155 Ländern erhältlich und circa 4.200 Mitarbeiter arbeiten heute
weltweit für die Grünenthal Gruppe. Der Umsatz 2011 betrug 947 Mio.€.
Weitere Informationen unter:
www.grunenthal.de
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1381
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Grünenthal GmbH, Christina Obertanner, 21.11.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 23. November 2012
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