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POLITIK/1952: Pause, welche Pause? - Keine Ablösung und Essen auf der Station (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 26 vom 28. Juni 2019
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Pause, welche Pause?
Keine Ablösung und Essen auf der Station

Lars Mörking im Gespräch mit Maria Ajuder


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Maria Ajuder (Name von der Redaktion geändert) arbeitet als Ärztin in einem Krankenhaus in kirchlicher Trägerschaft.
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UZ: Wann hast du bei deiner Arbeit auf der Intensivstation zum letzten Mal durchgängig eine halbe Stunde Pause machen können?

Maria Ajuder: Das war vor über einer Woche.


UZ: Wie kann das sein?

Maria Ajuder: Das Arbeitsaufkommen war einfach zu hoch, um die Station für eine volle Pause verlassen zu können. Wir sind in der Betreuung für 17 Patienten zuständig - mit zwei Ärzten. Die Operationen finden bis in den Nachmittag statt, das bedeutet immer neue Aufnahmen, teilweise mehrere gleichzeitig oder in geringen Abständen. Und dann gibt es ja auch noch das normale Programm auf der Intensivstation - Untersuchungen, Angehörigengespräche und so weiter Ich habe mich nicht in der Lage gesehen, die Station für eine halbe Stunde zu verlassen. Das kann ich nicht - nicht bevor ich nicht wenigstens einmal nach den Patienten geschaut habe.


UZ: Entscheidet ihr das individuell?

Maria Ajuder: Eigentlich sind Pausen vorgeschrieben. Wir dürfen uns daher nicht eingehaltene Pausen auch nicht als Überstunden aufschreiben und können sie auch nicht am Ende der Arbeitszeit nehmen. Manchmal regeln wir unter Kollegen, dass wir eine halbe Stunde eher gehen - wenn es möglich ist. Damit versuchen wir, die Pausenzeit zu kompensieren. Aber eigentlich ist das nicht zulässig.


UZ: Wie kommt es, dass ihr eure Pausenzeiten nicht einhalten könnt?

Maria Ajuder: Das betrifft derzeit vor allem die Intermediate Care, also die Überwachungsstation, und die Ärztinnen und Ärzte der Intensivstation. Auf der Überwachungsstation müssen immer zwei Pflegekräfte anwesend sein. Das bedeutet letztlich, dass die Pause irgendwie auf Station gemacht wird. Eine richtige Pause wäre es allerdings nur dann, wenn du von der Station runter kommst und eine halbe Stunde abschalten kannst, ohne Unterbrechung. Auf der Intensivstation machen einige Ärztinnen und Ärzte ihre Pause auf der Station und essen auch dort - häufig werden sie dabei unterbrochen. Das ist aber auch eine Typenfrage. Manche gehen von der Station runter und lassen sich bei Bedarf immer wieder reinrufen. Manche bleiben gleich ganz auf Station.

UZ: Du sagst, dass auf der Überwachungsstation generell keine Möglichkeit besteht, von der Station runterzukommen. Warum ist das so?

Maria Ajuder: Das war nicht immer so. Früher gab es Pflegekräfte, die für die Auslösung der Überwachungsstation zuständig waren, damit die Kolleginnen und Kollegen mal von der Station runter und in die Pause konnten. Das war schon eine Entlastung, weil diese Pflegekräfte sich auch um die Organisation - zum Beispiel um Verlegungen und solche Dinge - gekümmert haben.


UZ: Und die wurden abgeschafft?

Maria Ajuder: Mit den Umstrukturierungen auf der Ebene der Krankenhausleitung sind diverse Einsparungen vorgenommen worden. Was die Kolleginnen und Kollegen vorher geleistet haben, das muss jetzt so nebenbei erledigt werden.


UZ: Wie wehrt ihr euch dagegen?

Maria Ajuder: Bisher gar nicht. Bei uns gibt es keine ver.di-Gruppe und keinen Personalrat, sondern nur eine MAV (siehe Kasten). Die ist eher so etwas wie ein Beratungsgremium, dass der Geschäftsleitung bei der Umsetzung ihrer Vorhaben hilft.

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Mitarbeitervertretungen (MAV)

Eine MAV ist eine betriebliche Interessenvertretung, die vor allem bei kirchlichen Arbeitgebern verbreitet ist. Im Gegensatz zum Betriebsrat praktisch nur ein "informelles Gremium ohne verbriefte Aufgaben und Rechte", so die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung auf ihrer Website.

Das Betriebsverfassungsgesetz (§ 118) gilt nicht für Religionsgemeinschaften und ihre karitativen oder pädagogischen Einrichtungen. Dazu gehören zum Beispiel christliche Kindergärten oder eben Krankenhäuser und Pflegeheime.
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UZ: Und wie reagiert ihr dann auf die Einsparungen?

Maria Ajuder: Erst einmal mit schlechter Stimmung, einige sind inzwischen auch gegangen.

Es geht ja nicht nur um die Pausen. Es gibt generell zu wenig Kräfte und zu wenig Zeit - für die Aus- und Weiterbildung zum Beispiel. Das ist besonders bei Ärztinnen und Ärzten ein Grund dafür, dass sie kündigen und woanders hingehen.

Viele Pflegekräfte sind frustriert, weil Personal eingespart wird und mehr Patienten pro Pflegekraft behandelt werden müssen. Wir sind jetzt bei drei Patienten pro Pflegekraft, früher hatten wir höchstens ein Verhältnis von Zwei-zu-Eins auf der Intensivstation.

Das ist schon eine echte Belastung. Wir sind ein Haus der Maximalversorgung, das heißt, das wir das volle Programm machen - also auch seltene und schwere Erkrankungen. Drei von solchen Patienten kannst du nicht gleichzeitig gut versorgen - das geht nicht.

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Samstagszuschlag erreicht, bezahlte Pause verschoben

von Lars Mörking


Am Montag verhandelten ver.di und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände über die Umsetzung der im letzten Jahr erzielten Einigung über die Einrechnung der Pausen in die Arbeitszeit bei Wechselschicht und die Erhöhung des Zeitzuschlags für Samstagsarbeit auf 20 Prozent in den kommunalen Krankenhäusern.

Zuvor hatten Beschäftigte betriebliche Aktionen für eine bezahlte Pause durchgeführt (siehe Bild) - sie soll ihnen vor allem Entlastung bringen. Diese konnte in dieser Woche jedoch nicht vereinbart werden. Die Arbeitgeber gaben an, letzte Unsicherheiten ihrerseits zur Refinanzierung im Zusammenhang mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz ausräumen zu wollen. Eine Klärung soll bis zur nächsten Verhandlung im September erfolgen.

Beim Zuschlag für die Samstagsarbeit haben sich die kommunalen Arbeitgeber aber dann doch bewegt. "Wir begrüßen, dass ab 1. Juli 2019 der Zeitzuschlag für Samstagsarbeit auf 20 Prozent des Stundenlohnes erhöht werden soll", sagt Sylvia Bühler, die im ver.di-Bundesvorstand für das Gesundheitswesen zuständig ist. Für examinierte Pflegekräften bedeute dies eine Erhöhung des Zuschlags um mindestens 2,78 Euro pro Stunde.

Mit der Einrechnung der Pausen in die Arbeitszeit bei Wechselschicht verbindet ver.di, dass die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten attraktiver werden. Die Umsetzung der ver.di-Forderung wäre also auch ein Beitrag zur Minderung des Personalmangels im Gesundheitswesen.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 52. Jahrgang,
Nr. 26 vom 28. Juni 2019, Seite 3
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2019

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