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POLITIK/2115: Krankenhausreform - Interview mit Patrick Reimund, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein (SHÄB)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4, April 2023

Zentralisierungspotenzial?
Nur begrenzt!

Dirk Schnack sprach mit Patrick Reimund, Geschäftsführer der
Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein (KGSH)


INTERVIEW. Selten war der wirtschaftliche Druck auf die Kliniken so groß wie derzeit. Patrick Reimund, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein (KGSH), fordert im Interview u.a. ein Vorschaltgesetz zur Klinikreform, damit ungedeckte Kostensteigerungen aufgefangen werden können. Die Fragen stellte Dirk Schnack.


Frage: Zwei Kliniken im Land befinden sich im Insolvenzverfahren, die Stimmung unter den Klinikverantwortlichen ist schlecht. Geht es den Krankenhausträgern in Schleswig-Holstein wirtschaftlich noch schlechter als im Bundestrend?

Patrick Reimund: Die Lage der Krankenhäuser ist bundesweit nahezu flächendeckend schlecht, teilweise dramatisch. Weder positiv noch negativ ist Schleswig-Holstein hier "Ausreißer".


Frage: Arbeiten Kliniken in bestimmter Trägerschaft - privat, kommunal, freigemeinnützig - wirtschaftlicher oder unwirtschaftlicher? Lässt sich das an der Trägerschaft festmachen?

"Ohne schnelles politisches Handeln werden einige Krankenhäuser die Umsetzung der Krankenhausreform nicht mehr erleben."
Partrick Reimund

Reimund: Verallgemeinernde Aussagen sind hier problematisch. Die Träger privater und freigemeinnütziger Krankenhäuser sind nicht in der Lage und/oder bereit, Defizite aus dem Klinikbetrieb dauerhaft auszugleichen. Daher ist der Zwang zu wirtschaftlicher Betriebsführung noch größer als bei öffentlichen Krankenhäusern, bei denen Unterdeckungen oftmals zumindest in gewissen Grenzen politisch toleriert und ausgeglichen werden.


Frage: Bund und Länder arbeiten an einer Reform. Halten alle Krankenhäuser im Land durch, bis die Reform in Kraft tritt?

Reimund: Aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der dreijährigen Corona-Pandemie und der in der Ukraine-Krise dramatisch gestiegenen Preise - nicht nur im Energiebereich - sind viele Krankenhäuser in existenzieller Bedrängnis. Insolvenzen sind bereits Realität. Spätestens wenn die Tarifabschlüsse für 2023 vorliegen, wird sich die Lage weiter zuspitzen. Ohne schnelles politisches Handeln werden einige Krankenhäuser die Umsetzung der Krankenhausreform nicht mehr erleben.


Frage: Müsste sofort etwas passieren - und wer müsste was leisten?

Reimund: Noch vor dem Sommer sind konkrete gesetzliche Maßnahmen des Bundes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser in der Art eines "Vorschaltgesetzes" zur Krankenhausreform notwendig. Darin muss den Krankenhäusern der Ausgleich der ungedeckten Kostensteigerungen aus den Jahren 2022 und 2023 einschließlich eines vollständigen Tarifausgleichs ermöglicht werden.


Frage: Was können die Kliniken selbst tun, um die angespannte wirtschaftliche Situation zu entschärfen?

Reimund: Die eigenen Möglichkeiten der Krankenhäuser sind begrenzt. Nach mittlerweile mehr als zwei Jahrzehnten gedeckelter Budgets und Fallpauschalen ist der "betriebswirtschaftliche Werkzeugkasten" vielerorts weitgehend ausgeschöpft. Einsparungen durch weitere Arbeitsverdichtung sind weitgehend unmöglich und politisch extrem unerwünscht.


Frage: Alle reden vom Fachkräftemangel aufgrund unattraktiver Arbeitsplätze. Sind es nur die gesetzgeberischen Maßnahmen, die hierzu beitragen, oder können die Klinikträger selbst etwas tun?

Reimund: Die Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern als Rund-um-die-Uhr-Betriebe sind naturgemäß vielfach unkomfortabel. Die Kliniken konkurrieren auf einem für alle Branchen immer enger werdenden Arbeitsmarkt um knappes Personal. Schon aus Eigeninteresse wird versucht, die Arbeitsbedingungen so attraktiv wie möglich zu gestalten. Mittlerweile stellen sich auch viele regulatorische Vorgaben als Hindernis für die personelle Besetzung dar. Ansätze für einen sachgerechten Qualifikationsmix innerhalb der Berufsgruppen und die Delegation beispielsweise ärztlicher Aufgaben an die Pflege werden eher behindert als gefördert.


Frage: Es wird viel über eine vermeintlich erforderliche Zentralisierung der Klinikstrukturen gesprochen. Wie notwendig ist die in Schleswig-Holstein?

Reimund: Mit rund 30 allgemein- und notfallversorgenden Krankenhäusern bei knapp drei Millionen Einwohnern verfügt Schleswig-Holstein nur sehr begrenzt über Zentralisierungspotenziale. Die Situation ist mit der in den Metropolen oder in Nordrhein-Westfalen nicht vergleichbar. Die Zusammenführung von Standorten ist zudem in Flensburg und im Kreis Pinneberg bereits auf den Weg gebracht worden. Auf Basis der Vorgaben der Krankenhausreform wird im Rahmen des nächsten Krankenhausplans dennoch ergebnisoffen diskutiert werden müssen, ob alle bisherigen Standorte erhalten werden sollen bzw. können.


Frage: Wie müssen sich kleine Krankenhäuser aus Ihrer Sicht aufstellen, damit sie zukunftsfähig sind?

Reimund: Kleine Krankenhäuser sind besonders von der Problematik ungedeckter Vorhaltekosten im DRG-System betroffen. Die Krankenhausreform wird im Erfolgsfall dieses Problem verringern, aber nicht beseitigen. Gleichzeitig ist zu befürchten, dass das Leistungsspektrum dieser Krankenhäuser durch die planerische Zuordnung von Leistungsgruppen weiter beschnitten wird. Es ist zu befürchten, dass die Attraktivität kleinerer Krankenhäuser insbesondere für Ärztinnen und Ärzte leidet, wenn Möglichkeiten der inhaltlichen Profilierung nicht mehr gegeben sind.


Frage: Wir haben eine Reihe von Belegkrankenhäusern in Schleswig-Holstein, die ebenfalls von Problemen berichten. Was muss passieren, damit Belegkliniken erhalten bleiben?

Reimund: Aufgrund ihrer Leistungsstruktur sind reine Belegkrankenhäuser von der Problematik nicht gedeckter Vorhaltekosten weniger betroffen als andere Kliniken. Im Gegenzug müssen diese Kliniken seit mehreren Jahren pauschale Abzüge von den DRG-Erlösen hinnehmen. Im Grundsatz sind Belegkrankenhäuser seit Jahren erprobte und erfolgreiche Modelle für sektorenübergreifende Versorgung, wie sie explizit erwünscht ist. Die politische Anerkennung fehlt jedoch. Belegärztliche Versorgung kann neben reinen Belegkrankenhäusern auch in Allgemeinkrankenhäusern organisiert werden.

Vielen Dank für das Gespräch.

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 4, April 2023
76. Jahrgang, Seite 12-13
Herausgeber: Ärztekammer Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-0, Fax: 04551/803-101
E-Mail: info@aeksh.de
Internet: www.aeksh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 5. Mai 2023

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