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AUSLAND/1585: Aids in Bahrain nach wie vor ein Tabu - HIV-positive Gastarbeiter werden ausgewiesen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. September 2010

Bahrain: Aids nach wie vor ein Tabu - HIV-positive Gastarbeiter werden ausgewiesen

Von Suad Hamada


Manama, 9. September (IPS) - Anders als alle anderen Golfstaaten gestattet das kleine Inselkönigreich Bahrain HIV-infizierten Ausländern die Einreise. Arbeiten dürfen sie in dem Land allerdings nicht. Gastarbeiter, bei denen das Virus festgestellt wird, müssen das Land unverzüglich verlassen.

Es gibt eine Reihe von Staaten, die sich im Umgang mit HIV/Aids-Patienten schwer tun. Zu ihnen gehören die USA, die Betroffene gerade erst seit Anfang des Jahres einlassen, und China, das das bestehende Einreiseverbot i aufheben will. Die Golfstaaten sowie Ägypten, Irak, Jemen, Jordanien und Syrien weisen Infizierte nach wie vor ab. Eine ähnliche Politik verfolgen Indien und Bangladesch, beides Herkunftsländer von 300.000 respektive 90.000 Arbeitsmigranten.

In Bahrain besteht mittlerweile die Hälfte der gesamten Bevölkerung von rund einer Million Menschen aus Ausländern. Die Zugewanderten arbeiten in unterschiedlichen Berufen. Unter ihnen sind Hausangestellte, Ingenieure und leitende Manager von Firmen. Nach offiziellen Angaben achten die Arbeitgeber streng darauf, keine HIV-infizierten Bewerber einzustellen.

In Bahrain ist man sich darüber im Klaren, dass die rigorose Haltung gegenüber HIV-positiven Gastarbeitern auch auf Kritik stößt. "Uns ist bewusst, dass die Weltgesundheitsorganisation im Zusammenhang mit HIV auf Menschenrechtsprinzipien verweist, um eine Diskriminierung Infizierter zu verhindern", sagt Somaiya Al Jowder, die das Nationale Programm gegen sexuell übertragbare Krankheiten leitet. Allerdings seien ihr die Hände gebunden, da die Bevölkerung einen anderen Kurs ablehnen würde.


Betroffene diskriminiert

In dem kleinen Königreich wurde über mehrere Jahre ein Programm zur Aufklärung über Aids-Risiken durchgeführt, das zu mehr Toleranz mit den Betroffenen aufrief. Viele Menschen im Land sind aber nach wie vor der Ansicht, dass sich HIV-Infizierte einer "unislamischen" und somit verurteilenswerten Tat schuldig gemacht haben.

Den offiziellen Angaben zufolge verbreitet sich die Infektion in Bahrain vor allem über verseuchte Drogenbestecke. In den vergangenen 20 Jahren wurden 325 Bahrainer und 500 Ausländer als HIV-positiv registriert und seit 1986 insgesamt 161 tödlich verlaufende Aidsfälle aktenkundig.

Bei allen Zuwanderern, die ausgewiesen wurden, handelte es sich um Aids-Infizierte. Meistens wird das Virus bei den Reihenuntersuchungen festgestellt, denen sich alle Ankömmlinge aus Übersee unterziehen müssen, um eine Arbeitserlaubnis zu erhalten.

Jedes Jahr werden in dem Golfstaat rund 50.000 Beschäftigte ärztlich durchgecheckt, von denen durchschnittlich 400 positiv getestet werden. Seit sich angeworbene Arbeitskräfte aber bereits in ihren Herkunftsländern testen lassen müssen, ist die Rate in Bahrain auf etwa 70 gefallen.


Allgemeine Unwissenheit

Der Laborangestellten Menakshi Kumar sind die wenigen Aids-Fälle, mit denen sie zu tun hatte, lebhaft in Erinnerung geblieben, weil die Arbeitgeber der Betroffenen sich ebenfalls testen lassen wollten. "Das Unwissen über Aids sei groß. Zahlreiche Menschen im Land sind der Meinung, dass die Infektion über die Luft übertragen wird."

Im Juni 2010 waren in Bahrain rund 83.400 Hausangestellte registriert. Viele von ihnen stammen aus Indien, Sri Lanka, Äthiopien, Indonesien, Bangladesch und von den Philippinen. Selbst unter den Ausländern in Bahrain, die Arbeitskräfte aus Übersee anwerben, regt sich kaum Protest gegen die rigide Ausgrenzung von HIV-Positiven.

"Ich unterstütze diese Politik, vor allem im Hinblick auf das Hauspersonal, das mit den Familien der Arbeitgeber zusammenlebt", so etwa die Filipina Rosa Aviles, die für ein Büro zur Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte tätig ist. "Diejenigen, bei denen das Virus entdeckt wird, müssen das Land unverzüglich verlassen."

Al Jowder hingegen ist der Meinung, dass nur diejenigen gehen sollten, die ihren Job nicht mehr ausüben können. "Viele Aids-Infizierte führen ein normales Leben, da das Virus durch die medizinische Behandlung in Schach gehalten wird."


Aids aus Scham verschwiegen

HIV/Aids ist in dem Golfstaat aber nach wie vor ein Tabuthema. "Viele infizierte Bahrainer halten ihr Leiden vor der Familie geheim, um nicht ausgegrenzt zu werden", berichtet sie. Daher sei kaum damit zu rechnen, dass HIV-positiven Ausländern in absehbarer Zeit mehr Toleranz entgegengebracht werde.

Überdies käme die Behandlung der angeworbenen Arbeitskräfte das Land zu teuer. HIV-infizierte Bahrainer werden bislang gratis medizinisch versorgt. Pro Monat kostet eine solche Behandlung jeweils umgerechnet 3.700 US-Dollar. (Ende/IPS/ck/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. September 2010