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ARTIKEL/1026: Erkenntnisse aus dem US-Gesundheitssystem gesucht (idw)


Ludwig-Maximilians-Universität München - 02.04.2009

Erkenntnisse aus dem US-Gesundheitssystem gesucht

Nobelpreisträger McFadden am Center for Advanced Studies


Der Nobelpreisträger Daniel McFadden, Professor für Volkswirtschaftslehre aus Berkeley, ist als Fellow am Center for Advanced Studies (CAS) der LMU zu Gast. Der Mikroökonom wird seine langjährige Kooperation mit der Volkswirtschaftlichen Fakultät intensivieren und während seines Aufenthalts mit Professor Joachim Winter vom Seminar für empirische Wirtschaftsforschung an einem Forschungsprojekt zum US-amerikanischen Gesundheitssystem arbeiten.

Die Ökonomen analysieren die Folgen der Einführung von Medikamentenversicherungen für Ältere oder chronisch Kranke und wollen in einem Anschlussprojekt untersuchen, ob sich die neuen Erkenntnisse und empirischen Methoden auf das deutsche System übertragen lassen.

In den USA sind Menschen über 65 und Patienten mit bestimmten schweren Erkrankungen oder Behinderungen über das Krankenversicherungsprogramm "Medicare" versichert. Bis vor wenigen Jahren allerdings deckte Medicare die Kosten für Medikamente nicht ab. Insbesondere bei chronischen Leiden konnte dies für die Betroffenen eine erhebliche finanzielle Belastung bedeuten. Deshalb wurde Medicare Anfang 2006 um eine neue Komponente für verschreibungspflichtige Medikamente, dem sogenannten "Medicare Part D", erweitert. Die Teilnahme an diesem Versicherungsprogramm ist freiwillig.

Die Patienten müssen sich aber für eine Versicherung entscheiden - und sehen sich dabei oft mit Problemen konfrontiert. Denn zahlreiche private Versicherungsunternehmen bieten entsprechende Versicherungsverträge an, die vorgegebene Mindeststandards erfüllen, sich jedoch in einzelnen Leistungsbestandteilen und auch in den Prämien unterscheiden. Das macht die Entscheidung für den Einzelnen sehr komplex. "In unserem Forschungsprojekt beschäftigen wir uns mit der Frage, wie ältere Versicherungsnehmer mit dieser Herausforderung umgehen und ob sie ihrer persönlichen finanziellen und gesundheitlichen Situation angemessene Entscheidungen treffen", erklärt Professor McFadden.

Zudem ergibt sich bei Medicare Part D das Problem der "adversen Selektion". Dieses Phänomen wird auf Versicherungsmärkten häufiger beobachtet, wenn Personen mit höherem Risiko - hier Patienten, die überdurchschnittlich viel Geld für Medikamente ausgeben - eher Versicherungen abschließen als Personen mit niedrigerem Risiko. Die Versicherungsunternehmen erhöhen dann oft ihre Prämien, was im Extremfall zum Zusammenbruch eines Versicherungsmarktes führen kann. Die US-Regierung hat zahlreiche institutionelle Maßnahmen eingeführt, um die adverse Selektion zu reduzieren. Die Forschungsgruppe um Professor McFadden, an der neben Professor Winter und Dr. Florian Heiss, Wissenschaftlicher Assistent am Seminar für empirische Wirtschaftsforschung, auch einige Münchener Doktoranden beteiligt sind, evaluiert diese Reformen und erarbeitet konkrete Empfehlungen, wie diese optimiert werden können.

"Die Entscheidungsprobleme auf privaten Versicherungsmärkten, die wir für die USA untersuchen, werden sich in ähnlicher Form vermehrt auch in Deutschland stellen, wo private Zusatzversicherungen immer mehr an Bedeutung gewinnen", sagt Professor Joachim Winter, der das Forschungsprojekt auf Seiten der LMU leitet. "Wir werden deshalb in einem Anschlussprojekt die Übertragbarkeit der in den USA gewonnen Ergebnisse und der dort verwendeten empirischen Methoden auf Deutschland untersuchen."

Um Doktoranden den Austausch mit dem Nobelpreisträger zu ermöglichen, veranstaltet das CAS während des Besuchs von Professor McFadden auch einen Doktorandenworkshop. Fünf Promovenden der Volkswirtschaftlichen Fakultät, die sich mit der empirischen Analyse individuellen Entscheidungsverhaltens - insbesondere im Bereich der Gesundheitsökonomie - beschäftigen, werden während dieses Workshops ihre Projekte vorstellen und mit dem US-Ökonomen diskutieren.

Zu Professor McFadden

Daniel McFadden wurde im Jahr 2000 für seine bahnbrechenden Arbeiten in der Mikroökonometrie mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Er hat Theorien und Methoden zur statistischen Analyse des Verhaltens von Individuen und Haushalten entwickelt, die heute in den Sozialwissenschaften zum gängigen Instrumentarium gehören. Nach seiner Promotion in den Wirtschaftswissenschaften im Jahr 1962 lehrte Daniel McFadden zunächst als Professor an der University of California, Berkeley. In den späten 1970er Jahren wechselte er an die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät des Massachusetts Institute of Technology. 1991 kehrte er nach Berkeley zurück und gründete dort das Econometrics Laboratory, das er bis heute leitet.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Ludwig-Maximilians-Universität München, Luise Dirscherl, 02.04.2009
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2009

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