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ARTIKEL/1124: Interview mit Prof. Jens Scholz, Vorstandschef des Uniklinikums Schleswig-Holstein (SHÄB)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 3/2010

UK S-H
Verwaltung gestrafft und Kooperationen angekurbelt

Im Interview mit Jörg Feldner sieht Vorstandschef Prof. Jens Scholz das UK S-H bei der Sanierung im Zeitplan.


"Der Vertrag des Sanierungsbeauftragten läuft bis Ende Mai 2010. Dann wird er sich, wie er es selbst immer formuliert hat, gewissermaßen überflüssig gemacht haben. Er hat unternehmerisches Denken und Handeln im UK S-H eingeführt" Prof. Jens Scholz

Knapp zehn Monate nach Amtsantritt zog der Vorstandsvorsitzende des UK S-H, Prof. Jens Scholz, eine optimistische Zwischenbilanz. Die Leitungsebene wurde klarer strukturiert, das Land hat seine Zusagen bekräftigt, die Komplettmodernisierung kann beginnen, erklärte Scholz im Interview mit dem Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt.

Für eine Jahresbilanz ist es zwar noch zu früh, trotzdem die Frage: Wie hat sich das UK S-H verändert, was hat der Vorstandsvorsitzende bewegt? Und: Ist jetzt Ruhe eingekehrt auf der Leitungsebene?

Scholz: Ich habe ja nicht allein am 1.4.2009 angefangen, sondern zusammen mit unserem Vorstand für Krankenpflege und Patientenservice Christa Meyer. Zwischendurch gab es noch einen Wechsel, unser Kaufmännischer Vorstand Julia Kähning ist zu einer anderen Klinikgruppe gewechselt. Das war ein rein persönlicher Schritt, keine Entscheidung gegen das UK S-H, und wir haben die Position ja auch sehr schnell wieder besetzt mit Peter Pansegrau, derzeit noch Bereichsvorstand Finanzen der Damp-Gruppe. Dieser Wechsel hat auch nirgendwo Unruhe erzeugt. Zu dritt werden wir den 2007 begonnenen Sanierungskurs in den nächsten Jahren fortsetzen.

Eine Menge hat sich getan seit dem Frühjahr 2009. Die Vorstandsmitglieder und der Sanierungsbeauftragte Dr. Carl Hermann Schleifer haben die Leitungsstruktur des UK S-H analysiert und völlig umgebaut. Die vorher existierenden 15 Zentren waren zu viele kleine Königreiche. Hier sprach man nicht mit einer Zunge, man hatte kein gemeinsames Ziel. Der Vorstand hat festgestellt: Wir brauchen flachere Hierarchien, klarere Entscheidungswege und Verantwortlichkeiten. Wir haben eine neue Struktur vorgeschlagen, der Aufsichtsrat hat sehr schnell in Sondersitzungen zugestimmt. Folgendermaßen sieht die Leitungsstruktur heute aus: Drei Managementzentren ersetzen die undurchschaubar gewordenen 15 Medizinischen Leistungszentren: je ein Managementzentrum für den Campus Kiel und den Campus Lübeck plus eines für das campusübergreifende Diagnostikzentrum, in dem die laborintensiven Abteilungen wie Pathologie, Klinische Chemie, Transfusionsmedizin, Immunologie usw. zusammengefasst sind.

Jedes dieser drei Zentren wird von einem Dreierteam geführt - ein hauptamtlicher Geschäftsführender Direktor, daneben ein ärztlicher und ein pflegerischer Direktor oder eine Direktorin, beide sind nebenamtlich beratend tätig. Seit Jahresanfang 2010 ist Dr. Hans-Markus Johannsen Geschäftsführender Direktor für Kiel und Dr. Christian Elsner für Lübeck, Heike Lohmeyer beginnt am 1.3.2010 als Chefin des Diagnostikzentrums. Damit ist die Führungsmannschaft komplett.

Aber geschafft haben wir noch mehr, und dies kommt nun unmittelbar den Patienten zugute. Wir wollten die exzellente Medizin am UK S-H überschaubarer ordnen, damit sie leichter zu verstehen ist, und dafür haben wir die Leistungskraft unserer über 70 Institute und Kliniken in bislang zehn Medizinischen Kompetenzzentren zusammengefasst: Krebszentrum, Lungenzentrum, Schlaganfallzentrum, Transplantationszentrum, Traumazentrum, Zentren für Entzündungskrankheiten, Endokrinologie, Herz- und Gefäßmedizin, Partikeltherapie/NRoCK und Familienmedizin. Diese Zentren bieten dem Patienten unsere geballte Kompetenz, ohne dass er von Klinik zu Klinik wandern muss. Und unsere Angebote werden auch für andere Kliniken und niedergelassene Ärzte deutlicher.

Wird es gelingen, das Defizit des UK S-H in diesem Jahr auf Null zu führen? So sehen es die Vorgaben des Landes und die Planung des Sanierungsbeauftragten vor. Dessen Prognosen sind seit 2007 eingetroffen, 2009 jedoch nur mit zwei außerplanmäßigen Verkäufen.

Scholz: Außerplanmäßige Verkäufe waren das nicht, das sind geplante Kooperationen und Systempartnerschaften. Wir haben jeweils 49 Prozent unserer Service-Sparte und unserer IT-Sparte für fünf Jahre an Unternehmen verkauft, die diese Segmente partnerschaftlich mit uns weiter entwickeln wollen. Ihre Minderheitenteiligung an diesen Ausgründungen nimmt sie in die Pflicht, gemeinsam mit uns auf die Generierung neuer Marken hinzuarbeiten. Ähnlich ist die Situation beim Werkvertrag für Medizintechnik, den wir mit Dräger, Schleswig-Holsteins größtem industriellen Arbeitgeber, abgeschlossen haben. Zur Defizitentwicklung: Noch ist der Jahresabschluss 2009 nicht ganz fertig, aber wir gehen sicher davon aus, dass 2009 planmäßig mit nur noch 4,3 Millionen Euro abschließt. Unser Wirtschaftsplan für 2010, der noch durch den Aufsichtsrat genehmigt werden muss, drückt das Defizit auf null. Das ist wie beim Abnehmen, hat Dr. Schleifer mal gesagt: Die ersten Pfunde gehen leicht. Insofern haben wir ein schweres Jahr vor uns. Aber die bisherigen Erfolge rechtfertigen unseren Optimismus. Der Vertrag des Sanierungsbeauftragten läuft bis Ende Mai 2010. Dann wird er sich, wie er es selbst immer formuliert hat, gewissermaßen überflüssig gemacht haben. Er hat unternehmerisches Denken und Handeln im UK S-H eingeführt und den baulichen Masterplan auf den Weg gebracht - das sind seine großen Leistungen. Jetzt ist das UK S-H auf dem richtigen Weg, jetzt kann er loslassen, und der Vorstand kann die permanente Optimierung mit neuen Leuten fortsetzen. Wir bauen auf die Beschlusslage der Landesregierung, festgehalten im Koalitionsvertrag und bekräftigt in der jüngsten Kabinettsklausur: Der bauliche Masterplan mit dem Volumen von 700 Millionen Euro steht, da gibt es nicht die geringste Abschwächung. 250 Millionen vom Land, 450 Millionen aus öffentlich-privaten Partnerschaften. Das Geld für die ÖPP-Vorarbeiten soll im Landeshaushalt 2011 stehen, sodass die Bauarbeiten in Kiel und Lübeck 2014 beginnen können. Wir sind komplett im Zeitplan.

Wie entwickelt sich die Zusammenarbeit mit anderen Krankenhäusern?

Scholz: Zunächst mal ist Schleswig-Holstein das einzige Bundesland mit einem gut abgestuften Versorgungskonzept, und darin ist das UK S-H das einzige Haus für Maximalversorgung. Beispiel Kardiologie: Herzchirurgische Eingriffe sollte nur das UK S-H machen. Deswegen entsetzt es uns auch, wenn - das kommt immer noch vor - Patienten in andere, teurere Bundesländer verfrachtet werden. Das ist falsche Gesundheitspolitik. Die Versorgungswege in Schleswig-Holstein sind die Versorgungswege in Schleswig-Holstein, und wir erwarten, dass das Sozialministerium das genauso sehen wird. Mit anderen Häusern im Lande kooperieren wir in Form von Versorgungsverbünden, z. B. mit unserem Lungenzentrum. Im Universitären Lungenzentrum Nord sind das Forschungszentrum Borstel, das Krankenhaus Großhansdorf und das UK S-H mit den Standorten Lübeck und Kiel vereinigt; der Patient geht jeweils dorthin, wo er die optimale Behandlung bekommt, wobei die Behandlung zwischen diesen Partnern nach vereinbarten fachlichen Standards sichergestellt wird. Diese Vernetzung kriegen wir partnerschaftlich gut hin. Und wir bieten anderen Häusern Sekundärleistungen an wie Labor, Pathologie, Apotheke und Transfusionsmedizin.

Bei den niedergelassenen Ärzten bleibt aber eine gewisse unspezifische Unzufriedenheit.

Scholz: Unspezifische Unzufriedenheit stimmt immer. Man kann vieles immer noch besser machen. Unsere Arztbriefe müssen zum Beispiel schneller kommen, das wissen wir und das ändern wir. Wir sehen das wie eine Lebensaufgabe, immer auch die Probleme unserer Partner zu verstehen und zu berücksichtigen. Kürzlich wurde im Mitarbeitermagazin des UK S-H das neu eingeführte Risikomanagementsystem vorgestellt. Was steckt genau dahinter, und warum diese Maßnahme? Scholz: Auch das ist etwas, was man von der Luftfahrt lernen kann. Dort werden Beinahe-Zwischenfälle schon länger registriert und analysiert. Wir kombinieren unser Beschwerdemanagement, das Fehlerberichtssystem CIRS (Critical Incident Reporting System) und das Risikomanagement, jeweils in den fünf Schritten Identifizieren, Analysieren, Bewerten, Bewältigen und Berichten zu einem integrierten Risikomanagement. Beinahe-Zwischenfälle müssen bemerkt, gemeldet, in ihrer Entstehung analysiert, kommuniziert und dann vermieden werden. Fehler müssen sich nicht wiederholen. Risikomanagement ist ein permanenter Prozess, den wir nun schrittweise einführen mit Schulungen unserer Mitarbeiter. Ein eingespieltes Risikomanagement bedeutet nicht zuletzt für das UK S-H günstigere Versicherungsbedingungen.

Bei Ihrem Amtsantritt haben Sie wörtlich gesagt: Wir sind besser als das UKE. Würden Sie das heute wiederholen, und wie begründen Sie das?

Scholz: In der medizinischen Versorgung sind wir mindestens so gut. Wer hat mehr herzchirurgische Eingriffe, wer hat mehr onkologische Fälle, wer mehr Drittmittel und Exzellenzcluster? Wir! Da kann Schleswig-Holstein stolz sein auf sein UK S-H. Da haben die Kliniken schon in der Vergangenheit unter schwierigen räumlichen Bedingungen und mit einem deutlich zu geringen Basisfallwert unbestreitbar Spitzenleistungen vollbracht. Das UKE hat das bessere Hotel, habe ich damals gesagt, die moderneren Bettenhäuser. Und das wollen wir durch den baulichen Masterplan ebenfalls erreichen: Wir bauen jetzt auch nach Hotelstandard. Und im Service lassen wir uns gerade von Spezialisten der Lufthansa zeigen, wie unsere Mitarbeiter auf Sorgen, Beschwerden und Fragen unserer Kunden, unserer Patienten, professioneller und professionell freundlich reagieren können.

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UK S-H befindet sich "auf geradem Kurs"

"Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UK S-H) bleibt auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auf geradem Kurs", sagte Dr. Cordelia Andreßen, Staatssekretärin im Wissenschaftsministerium und damit zugleich Aufsichtsratsvorsitzende des UK S-H, nach Prüfung der wirtschaftlichen Ergebnisse durch den Finanzausschuss. "Die Wachstums- und Ergebnisziele wurden erfüllt und teilweise deutlich übertroffen", bescheinigte die frühere Hauptgeschäftsführerin der Ärztekammer Schleswig-Holstein dem Uniklinikum in einer Pressemitteilung.

Das UK S-H hat im vergangenen Jahr 355.000 Patienten stationär behandelt, das sind rund 1.000 mehr als im Jahr zuvor. Zugleich stieg der Schweregrad der behandelten Erkrankungen. Die aus diesen Veränderungen resultierende höhere Vergütung sowie Teilprivatisierungen führten zu einem Anstieg der Erlöse auf 714 Millionen Euro; geplant waren Einnahmen von 670 Millionen Euro. Dem stehen allerdings Ausgaben von etwas mehr als 718 Millionen Euro gegenüber. Daraus ergibt sich ein Fehlbetrag von rund 4,3 Millionen Euro. Christa Meyer, kommissarischer kaufmännischer Vorstand, verwies in diesem Zusammenhang auf den im Bundesvergleich niedrigen Landesbasisfallwert. "Läge das UK S-H im Bayerischen Wald, hätten wir allein im vergangenen Jahr 21 Millionen Euro mehr eingenommen", sagte Meyer. Sanierungsmanager Dr. Carl Hermann Schleifer sieht das Klinikum bei seinem Ziel, in diesem Jahr ein ausgeglichenes Ergebnis zu präsentieren, auf einem guten Weg. Er zeigte sich "überzeugt davon, dass wir 2010 das anspruchsvolle Ziel der schwarzen Null erreichen werden."

Zugleich räumte das Uniklinikum ein, dass das Marktumfeld "herausfordernde" Bedingungen bereithält. In Zeitungsberichten war zuletzt angezweifelt worden, ob das UK S-H seine wirtschaftlichen Ziele erreichen kann. Für die Jahre 2011 und 2012 erwartet das UK S-H eine Steigerung des Ergebnisses. Dem liegen Berechnungen der stationären Erlöse zugrunde, die von einer Veränderungsrate des Landesbasisfallwertes in Höhe von 0,7 Prozent ausgehen. Zugleich er innerten Aufsichtsrat, Vorstand und Sanierungsmanager daran, dass die aktuellen Anstrengungen in erster Linie von den rund 9.000 Beschäftigten erbracht werden. "Die Stabilität des UK S-H ist in erster Linie den Menschen zu verdanken, die direkt und indirekt für die Gesundheit und das Wohl unserer Patienten sorgen", hieß es in der Pressemitteilung. (Red./PM)

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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 3/2010 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2010/201003/h10034a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt März 2010
63. Jahrgang, Seite 18 - 20
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-119, -127, Fax: -188
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2010

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