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ARTIKEL/1151: Gesundheitspolitiker mit dem Mut zur Wahrheit gesucht (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 7/2010

Beske-Symposium
Gesundheitspolitiker mit dem Mut zur Wahrheit gesucht

Von Dirk Schnack


Liberale Politiker, Vertreter von Heilberufen und Verbänden und ein Kassenvertreter diskutierten über Lösungen für den zunehmenden Versorgungsbedarf.

Die jährlich zur Kieler Woche stattfindende gesundheitspolitische Veranstaltung des Fritz Beske Instituts für Gesundheits-System-Forschung ist bekannt dafür, dass der Gastgeber und Moderator den Finger in die Wunde legt. Auch in diesem Jahr machte Beske deutlich, wo das wichtigste Problem im Gesundheitswesen liegt - nämlich in der unbeantworteten Frage, wie der steigende Versorgungsbedarf in den kommenden Jahrzehnten gedeckt werden soll.

Die zahlreichen Stellungnahmen vom Podium und aus den Reihen der Zuschauer zeigten, dass das Problem zwar erkannt ist, Lösungen aber nur in Ansätzen vorhanden sind. Eine Voraussetzung für eine dauerhafte Lösung ist aus Sicht des niedergelassenen Arztes Dr. Christian Sellschopp Chancengleichheit für die Patienten. Sellschopp, der dem Vorstand der Ärztekammer Schleswig-Holstein angehört, beobachtet bei Patienten eine größere Bereitschaft für Einsparungen, als viele Politiker vermuten. Nur: Diese Einsparungen dürfen nicht einseitig ausfallen, sondern müssen ausgewogen sein. Sellschopp kritisierte, dass das derzeitige System kein Kostenbewusstsein schafft und dass Ärzte bei der Behandlung schon eine "Kostenschere im Kopf" haben müssten. Als Lösung empfahl er das Vorbild PKV für die gesetzlichen Krankenkassen.

Auch Dietmar Katzer, Chef des Ersatzkassenverbandes in Schleswig-Holstein, appellierte an die Politik, Änderungen zu wagen. Er sieht in der Gesundheitspolitik derzeit nur "Klein-Klein", aber kein Konzept zur Lösung des von Beske aufgezeigten Problems. Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Dr. Heiner Garg hat sich auf die Fahnen geschrieben, die endlichen Ressourcen im Gesundheitswesen deutlich zu machen und zu vermitteln, dass keine unbegrenzten Leistungen zu erwarten sind. Garg hält - wie von Beske gefordert - eine Diskussion über den Umfang des Leistungskataloges für dringend erforderlich. "Das Unsolidarischste ist, blind für die begrenzten Ressourcen zu sein, Wohltaten zu versprechen und damit Handlungsspielräume von morgen einzuengen", sagte Garg mit Blick auf Kritiker, die Leistungsbegrenzungen ablehnen. Er hofft, dass die schwarzgelbe Regierung diesen Weg einschlagen wird. "Die Koalition hat eine Chance, wenn sie den Menschen reinen Wein einschenkt und unbeeindruckt von gefühlten momentanen Stimmungen Strukturen verändert", sagte Garg.

Seine liberale Parteikollegin Christine Aschenberg-Dugnus, seit Beginn der Legislaturperiode erstmals im Deutschen Bundestag, stellte in diesem Zusammenhang FDP-Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler ein gutes Zwischenzeugnis aus. Dieser habe die "Flatrate-Mentalität" im Gesundheitswesen erstmals nicht mitgetragen, bescheinigte Aschenberg-Dugnus dem Minister. Warum aber ist eine auch von Ärzten schon angeregte - und derzeit in Lübeck breit diskutierte - Priorisierung so schwer umzusetzen? Aschenberg-Dugnus sieht dafür zu wenig Mut den Betroffenen gegenüber: "Keiner lässt sich gerne prügeln."

Eine Lösung sieht Rudolf Kösters, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, in mehr Einnahmen. "Wir erbringen schließlich Leistungen, die die Patienten nachfragen", gab Kösters zu bedenken. Er beobachtet immer noch eine "Umsonstmentalität" im Gesundheitswesen mit der Folge, dass der Preis nicht mehr seine Funktion ausüben kann. Folge sei u.a., dass damit auch das dringend benötigte Personal nicht im erforderlichen Maße Beschäftigung im Gesundheitswesen suche.

Dr. Rainer Hess vom Gemeinsamen Bundesausschuss wehrte sich gegen den oft vermittelten Eindruck, dass die Einnahmen in Deutschland für medizinische Innovationen nicht mehr ausreichten. Problem ist aus seiner Sicht vielmehr die hohe Inanspruchnahme von Leistungen. "Wir können uns in Deutschland jede Innovation leisten, wenn wir die Menge in den Griff kriegen", sagte Hess.

Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 7/2010 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2010/201007/h10074a.htm

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www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Juli 2010
63. Jahrgang, Seite 16
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. August 2010

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