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ARTIKEL/1199: Hauptstadtkongress - Auf deutsche Krankenhäuser kommen magere Jahre zu (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 6/2011

Hauptstadtkongress

Auf deutsche Krankenhäuser kommen magere Jahre zu


Unter den zahlreichen Themen des diesjährigen Hauststadtkongresses sorgte der Krankenhaus Rating Report 2011 des Rheinisch-Westfälischen Instituts (RWI) und anderer Gesellschaften für Aufsehen in der Fachöffentlichkeit. Jedes zehnte deutsche Krankenhaus wird nach Einschätzung der Studienautoren in den kommenden Jahren vom Markt verschwinden. Besonders häufig sind kleinere kommunale Kliniken nach Meinung der Experten in ihrer Existenz gefährdet. Davon gibt es derzeit viele in süddeutschen Bundesländern. Angeblich wird die medizinische Versorgung in den meisten Fällen aber nicht gefährdet. Interessant sind auch weitere Ergebnisse des Berichts. So kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die Patienten in Krankenhäusern, die wirtschaftlich erfolgreich arbeiten, zufriedener sind. Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser variiert zwischen den Bundesländern. Obwohl die Krankenhäuser in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern wegen des niedrigen Landesbasisfallwertes mit Erlösproblemen zu kämpfen haben, zählen sie nicht zur Gruppe der Kliniken mit den größten wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Unter dem Titel "Auf deutsche Krankenhäuser kommen magere Jahre zu" veröffentlichten die Herausgeber folgende Pressemitteilung zu ihrem Report:

Bis zum Jahr 2020 werden ohne Gegenmaßnahmen voraussichtlich etwa zehn Prozent von derzeit rund 2.000 deutschen Kliniken schließen. Insbesondere für kleine Häuser in kommunaler Trägerschaft werden die nächsten Jahre wirtschaftlich hart. Besonders betroffen wird wohl der ländliche Raum sein.

Die Versorgungssicherheit auf dem Land wird dadurch in den meisten Fällen aber nicht gefährdet. Zu diesen und vielen weiteren Ergebnissen kommt die siebte Ausgabe des "Krankenhaus Rating Report", der im Rahmen des "Hauptstadtkongresses 2011 - Medizin und Gesundheit" in Berlin erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die Studie über die wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser wurde gemeinsam vom RWI, der ADMED GmbH und der IHCB GmbH erstellt. Ohne Gegenmaßnahmen wird sich die derzeit gute wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser ab 2011 wieder verschlechtern. Bis zum Jahr 2020 dürften etwa zehn Prozent aus dem Markt ausscheiden. Betroffen sind vor allem kleine Häuser, hier insbesondere solche in kommunaler Trägerschaft in Teilen Bayerns, in Baden-Württemberg, in Südhessen und in Teilen Niedersachsens.

Im Jahr 2009 befanden sich zwölf Prozent der Krankenhäuser im "roten Bereich" mit erhöhter Insolvenzgefahr, 75 Prozent lagen im grünen Bereich, die restlichen 13 Prozent dazwischen. Dennoch waren nur rund 30 Prozent aller Krankenhäuser laut Betriebsergebnis in der Lage, die erforderlichen Investitionen voll zu tätigen. Ohne Investitionen können sie aber langfristig nicht überleben. Seit dem Jahr 1991 hat sich in den Kliniken ein Investitionsstau von mittlerweile 14 Milliarden Euro angehäuft. Krankenhäuser müssen daher ihre Möglichkeiten zur Innenfinanzierung deutlich erhöhen. Zu diesen Ergebnissen kommt der siebte "Krankenhaus Rating Report", den das RWI, das Institute for Healthcare Business GmbH und die ADMED GmbH gemeinsam erstellt haben und der im Rahmen des "Hauptstadtkongresses 2011 - Medizin und Gesundheit" in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Am besten war die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser 2009 demnach in Rheinland-Pfalz/Saarland, Sachsen-Anhalt/Thüringen und in Sachsen, gefolgt von Nordrhein-Westfalen. Am schwierigsten war die Situation in Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen/Bremen und Bayern. Dabei gab es trotz ähnlicher regionaler Bevölkerungsdichte beispielsweise in Bayern rund 40 Prozent mehr Krankenhäuser je Einwohner als in Ostdeutschland. Auch die Inanspruchnahme von Krankenhäusern variierte deutschlandweit. Sie reichte von 14 Prozent unter dem Durchschnitt liegenden Fällen je Einwohner in Baden-Württemberg bis zu zwölf Prozent darüber in Thüringen. Die Krankenhauskosten je Einwohner betrugen zwischen 717 Euro je Einwohner in Baden-Württemberg und 988 Euro im Saarland.

Kliniken, die gut wirtschaften, haben auch zufriedenere Patienten: Betrachtet man die wirtschaftliche Situation deutscher Krankenhäuser nach Trägern, schneiden kommunale Kliniken signifikant schlechter ab als private oder freigemeinnützige. So lagen im Jahr 2009 21 Prozent der kommunalen Häuser im "roten Bereich", aber nur zehn Prozent der freigemeinnützigen und vier Prozent der privaten. Eine Ausnahme waren ostdeutsche kommunale Kliniken, die genauso gut abschneiden wie nicht-kommunale.

Auch zwischen den westdeutschen kommunalen Krankenhäusern gibt es große Unterschiede und Häuser mit guten Betriebsergebnissen. Weitere Ergebnisse der Studie sind, dass kleine Krankenhäuser bezüglich der wirtschaftlichen Lage signifikant schlechter abschneiden als große. Einen Zusammenhang gibt es auch zwischen Wirtschaftlichkeit, Qualität und Patientenzufriedenheit: Häuser mit Qualitätsproblemen weisen ebenso ein schlechteres Rating auf wie solche mit geringer Patientenzufriedenheit. Erstmals konnten Unterschiede innerhalb freigemeinnütziger Krankenhäuser untersucht werden. Dabei fällt die wirtschaftliche Lage katholischer Krankenhäuser überdurchschnittlich gut und signifikant besser als bei evangelischen Krankenhäusern aus.

Die Ausgaben für Krankenhäuser sind weniger stark gestiegen als für Arztpraxen. Der "Krankenhaus Rating Report 2011" basiert auf einer Stichprobe von 687 Jahresabschlüssen aus den Jahren 2008 und 366 Jahresabschlüssen aus dem Jahr 2009, die insgesamt mehr als 1.000 Kliniken umfassen. Die Ausgaben für Krankenhäuser betrugen 2009 insgesamt 71 Milliarden Euro und waren damit um 6,4 Prozent höher als im Vorjahr. Allerdings stiegen auch die Kosten der Krankenhäuser, vor allem für den ärztlichen Dienst, 2009 stark an. Zwischen 2005 und 2009 sind die Ausgaben für Krankenhäuser um 15 Prozent gestiegen und damit geringer als die Ausgaben für Arztpraxen (22 Prozent) und für ambulante und stationäre Pflege (20 Prozent). In Zukunft werden voraussichtlich vor allem strukturschwache ländliche Räume nicht nur mit einer alternden Bevölkerung, sondern auch mit spürbaren Bevölkerungseinbußen umgehen müssen. Daher wird dort die Krankenhausinfrastruktur nicht in vollem Umfang aufrechterhalten werden können. Schließungen dürften die Versorgungssicherheit auf dem Land in den meisten Fällen aber nicht gefährden. Bereits heute fällt die Lage der ländlichen Grundversorger am schlechtesten aus - dies gilt insbesondere für solche in kommunaler Trägerschaft - gefolgt von den städtischen Grundversorgern. Ländliche und städtische Spezialisten schneiden durchschnittlich gut ab, große Versorger, sowohl kommunale als auch nicht-kommunale, mit mehr als 300 Betten am besten. Die Kommunalpolitik versucht, Klinikschließungen möglichst zu verhindern. Es ist zu erwarten, dass die Kommunalpolitik eine Marktbereinigung hin zu weniger, aber größeren und wirtschaftlicheren Krankenhausstandorten nicht unterstützen wird. Auch die Landespolitik dürfte sich zurückhalten, um bei den Wählern nicht in Ungnade zu fallen. Somit werden voraussichtlich die Banken über die Kreditvergabe beziehungsweise Nicht-Vergabe den Marktbereinigungsprozess maßgeblich mitbestimmen. Damit Veränderungen im Sinne von Patienten und Beitragszahlern stattfinden, wäre es hilfreich, wenn auch die über die Krankenversicherungen gebündelte Nachfrage nach Krankenhausleistungen stärkeren Einfluss auf das Leistungsangebot nehmen könnte. (PM)

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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 6/2011 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2011/201106/h11064a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Juni 2011
64. Jahrgang, Seite 62 - 63
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juli 2011

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