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POLITIK/1648: Neuregelungen im Schwangerschaftskonfliktgesetz (BÄK)


Bundesärztekammer - Freitag, 15. Mai 2009

Deutscher Bundesstag beschließt Neuregelungen im Schwangerschaftskonfliktgesetz


Nach einer kontroversen Debatte quer durch alle Fraktionen hat sich gestern eine Mehrheit der Abgeordneten für eine Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes und damit zu Neuregelungen bei Abtreibungen aufgrund einer medizinischer Indikation nach der 12. Schwangerschaftswoche entschieden. 326 Abgeordnete sprachen sich für einen fraktionsübergreifenden Gruppenantrag aus, der Gesetzentwürfe der Abgeordneten Singhammer (Union), Lenke (FDP) Griese (SPD), Göring-Eckardt (Grüne) vereinte. Dem stand ein Antrag der Abgeordneten Humme gegenüber, der 234 Stimmen erhielt. Der Versuch, sich letztlich auf einen einzigen Antrag zu verständigen, war im Vorfeld der Debatte nicht mehr gelungen.

Damit hat ein Gesetzentwurf die Mehrheit gefunden, der den Arzt dazu verpflichtet, Schwangere nach der Diagnose einer mutmaßlichen Behinderung ihres Kindes ergebnisoffen zu beraten und an eine psychosoziale Beratung zu vermitteln. Darüber hinaus wird eine mindestens dreitägige Bedenkzeit nach Stellung der Diagnose bis zur etwaigen Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs eingeführt. Beides lehnte die Gruppe um die Abgeordnete Humme ab. Sie hatte lediglich die Festschreibung einer ausreichende Bedenkzeit sowie eine Verbesserung der Beratung gefordert.

Die Debatte wurde kontrovers aber vorwiegend sachorientiert geführt. Renate Schmidt als Befürworterin des Singhammerentwurfs legte Wert darauf, dass dies keine Auseinandersetzung zwischen Femministinnen und Lebensschützern sei, "denn weder wollten Frau Griese, Frau Lenke, Herr Singhammer oder gar ich Frauen bevormunden noch wollen Frau Humme, Frau Schwege-Gerigk und andere das Selbstbestimmungsrecht der Frau gegen das Lebensrecht von Behinderten ausspielen. Die Schlachten der 80er- und 90er-Jahre müssen Gott sei Dank nicht erneut geführt werden."

Griese verteidigte vor der Tatsache, dass sich in Umfragen nur 18% der Frauen in Konfliktsituationen ausreichend beraten gefühlt haben, das Ziel, die Beratungsqualität zu erhöhen und die Beratungspflicht einzuführen. Die Schwangere in der Situation, in der sie erfährt, dass sie ein behindertes Kind erwartet, nicht alleine zu lassen, bewegte letztlich alle Redner. Singhammer dankte allen " die in einem langen und sehr intensiven Diskussionsprozess das Trennende verkleinert und das Gemeinsame erweitert haben." Viele seien "bis an die Grenze des Zumutbaren für sich selbst und für ihre politischen Freunde gegangen."

Mit dem nun beschlossenen Gesetzentwurf wurden die langjährigen Forderungen der Ärzteschaft, das bestehende Regelungsdefizit zu beseitigen, das durch die Reform des Schwangerschaftsabbruchrechts 1995 entstanden ist, erfüllt. Damals ist zwar die sogenannte embryopathische Indikation gestrichen worden, die einen Abbruch bei schwerer Erkrankung bzw. Entwicklungsstörung oder Anlageträgerschaft des Kindes für eine Erkrankung ermöglichte. Sie fand aber indirekt wieder Eingang in das Schwangerschaftsabbruchrecht, indem die medizinische Indikation neu gefasst wurde. Zugleich entfielen die bis dahin gültige Grenze für die Tötung des Ungeborenen nach 22 Schwangerschaftswochen, die Pflicht zur Beratung der Schwangeren, die Dreitagesfrist zwischen Beratung und der Vornahme des Abbruchs sowie die differenzierte statistische Erfassung des Abbruchs.

Die Bundesärztekammer ist gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) bereits zum Beginn der Legislaturperiode mit einem eigenen Gesetzesvorschlag auf die Parlamentarier zugegangen und hatte damit letztlich die Debatte in den Fraktionen angestoßen und intensiv begleitet.


Die Debatte im Wortlaut:
http://www.bundesaerztekammer.de/specialdownloads/Plenardebatte_Schwangerschaftskonfliktgesetz.pdf

Beschlussvorlage:
http://www.bundesaerztekammer.de/specialdownloads/Beschlussempfehlung.pdf


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Quelle:
Bundesärztekammer
Pressemitteilung vom 15. Mai 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Mai 2009