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DIABETES/1980: ViDiKi - Virtuelle Diabetesambulanz für Kinder und Jugendliche (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 9/2017

Telemedizin
ViDiKi: Digitale Sprechstunde

von Anne Lütke Schelhowe


Seit Anfang Juli soll die aus dem Innovationsfonds geförderte virtuelle Diabetesambulanz für Kinder und Jugendliche die Versorgung von kleinen Diabetes-Patienten verbessern.


Für die Vorstellung der Virtuellen Diabetesambulanz für Kinder und Jugendliche ("ViDiKi") in Lübeck hat der neue Gesundheitsminister in Schleswig-Holstein, Dr. rer. pol. Heiner Garg, sogar die Fraktionssitzung sausen lassen: "Das Projekt ist genau das, was ich mir jahrelang vorgestellt und immer wieder hinterfragt habe: Warum geht das nicht?", so Garg bei seinem ersten offiziellen Termin Anfang Juli in seiner neuen (alten) Funktion. Das laut UKSH bundesweit einmalige Telemedizinprojekt soll zur Verbesserung der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes Typ 1 beitragen und wird dafür mit 1,7 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds beim gemeinsamen Bundesausschuss finanziert.

1.200 Kinder und Jugendliche leiden allein in Schleswig-Holstein unter der Erkrankung, deren Behandlung viel Zeit und Energie von den Familien fordert. Zwar haben die Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM), die seit Herbst vergangenen Jahres eine Kassenleistung sind, die Sicherheit vor Über- und Unterzuckerung erheblich verbessert, doch erfordern sie laut Projektleiterin Dr. Simone von Sengbusch, Diabetologin am UKSH, auch einen häufigeren Kontakt zwischen Patient und Behandelndem zur Insulinanpassung. Schließlich messen diese Geräte alle fünf Minuten die Glukosewerte und spucken so umfangreiche Daten aus, bei deren Interpretation ein Fachmann unabdingbar ist. In der Regelversorgung ist allerdings nur ein Termin im Quartal beim Spezialisten vorgesehen. Hier soll ViDiKi Abhilfe schaffen: Drei zusätzliche Termine werden im Rahmen des Projektes möglich. Diese Gespräche zu den Glukosewerten und der Therapieoptimierung werden dann nicht vor Ort, sondern von zu Hause am Computer mit Webkamera oder per Telefon durchgeführt. Dazu wird das Arzt-Video-Portal "Patientus", ein sicherer SMS-Dienst und ein verschlüsselter E-Mail-Dienst zum Austausch der Daten genutzt. Diese Form der Beratung hat den Vorteil, dass für die Familien die z. T. weiten Fahrzeiten zur Klinik und entsprechende Kosten wegfallen, keine Fehlzeiten bei Arbeit oder Schule anfallen und die Beratung äußerst flexibel auch abends oder am Wochenende möglich ist. Daneben bleiben die Kinder und Jugendlichen weiterhin in Betreuung bei ihrem Diabetologen, wo einmal im Quartal der HbA1c-Wert bestimmt wird.

Familie Abel aus Obernwohlde im Kreis Ostholstein hat die digitale Sprechstunde in einer Erprobungsphase bereits getestet und sieht viele Vorteile: "Der engmaschige Kontakt war sehr gut. So ließ sich der Insulinbedarf besser anpassen", so Mutter Sandra Abel, deren Kinder Merlin (elf Jahre) und Lina (neun Jahre) beide von Typ 1 Diabetes betroffen sind, während Zwillingsbruder Matis (neun Jahre) von der Erkrankung verschont geblieben ist. Als problematisch erwies sich lediglich die Internetgeschwindigkeit auf dem Dorf: Die Kommunikation über WLAN war nicht möglich, ein LAN-Kabel musste an den Router angeschlossen werden, um den Video-Chat zu ermöglichen. Ansonsten war das technische Handling für die Familie kein Problem: "Letztendlich ist es wie eine Handy-App, die man einfach mal ausprobieren muss", so Vater Carsten Abel. Gerade Teenager sollen von ViDiKi profitieren: Sie können eigenverantwortlich in ihre Therapie einbezogen werden und Beratungsgespräche mit dem behandelnden Arzt selbst und ggf. sogar ohne die Eltern wahrnehmen. "Telemedizin holt die Jugendlichen da ab, wo sie ohnehin den ganzen Tag sind: an Smartphone und Computer", so von Sengbusch.

Interessierte können sich ab sofort bei Projektleiterin von Sengbusch per Mail unter simone.vonsengbusch@uksh.de anmelden. Anschließend erfolgt die Klärung, welche Studienklinik zuständig ist, sowie ein Termin zum Erstgespräch. Die Familien erhalten vor dem Teilnahmezeitraum von zwölf Monaten eine umfassende Einweisung in das Programm. Nach diesem Jahr können sich die Familien entscheiden, ob sie die Studie beenden wollen oder bis 2019 im vierwöchigen oder einem frei gewählten Rhythmus weiter betreut werden wollen. Bis März 2020 schließt sich die Evaluierung des Projektes an, die vom Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie an der Universität Lübeck durchgeführt wird. Von Sengbusch erhofft sich von einer erfolgreich verlaufenden Studie, durch die Telemedizin in Zukunft mehr Zeit für jene Patienten zu haben, die einen größeren Beratungs- und Betreuungsbedarf haben. Patienten mit unkomplizierten Verläufen dagegen könne man dann vielleicht hauptsächlich telemedizinisch betreuen, so ihre Vision.


Info

240 Kinder und Jugendliche aus Schleswig-Holstein im Alter von einem Jahr bis zu 16 Jahren mit Typ 1 Diabetes und einem CGM-System können an dem Projekt teilnehmen. Bisher können Versicherte der AOK Nordwest, Barmer, DAK-Gesundheit, IKK Nord, Techniker Krankenkasse und einiger Betriebskrankenkassen teilnehmen. Die Teilnahme ist kostenfrei.

Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 9/2017 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2017/201709/h17094a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen
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Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Dr. Simone von Sengbusch (Projektleiterin) kommuniziert via
"Patientus" mit Familie Abel.

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, September 2017, Seite 14
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2017

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