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DEMENZ/074: Ernährung beeinflusst Krankheitsverlauf (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Montag, 15. Oktober 2012

Demenz - Ernährung beeinflusst Krankheitsverlauf



fzm - Starker Gewichtsverlust beschleunigt bei Menschen mit Demenz den Verlauf der Erkrankung und deren Gebrechlichkeit. Ein Experte spricht sich in der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2012) deshalb für eine frühzeitige Ernährungstherapie aus, eine Sondenernährung lehnt er jedoch ab. Energiereiche Zwischenmahlzeiten oder kalorienreiche Trinknahrung könnten das Gewicht effektiv steigern.

Die Gewichtsprobleme von Demenzpatienten beginnen häufig schon sechs bis zehn Jahre, bevor ein Gedächtnisverlust bemerkt wird, berichtet Privatdozent Rainer Wirth vom St. Marien-Hospital in Borken/Münsterland. Die Gründe hierfür seien vielschichtig und nicht abschließend erforscht. Möglicherweise verändere die Erkrankung die Appetitregulation im Gehirn, vermutet der Experte. Eine Riechstörung, die ebenfalls schon vor Ausbruch der Erkrankung vorhanden sein kann, führt dazu, dass viele Patienten das Interesse am Essen verlieren. Außerdem fänden viele Demenzkranke wegen ihrer Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung nicht die notwendige Ruhe zur Nahrungsaufnahme, vermutet Dr. Wirth, der in Borken die Klinik für Geriatrie leitet. Im Spätstadium der Alzheimererkrankung würden dann die zunehmende Ungeschicklichkeit und Schluckstörungen die Nahrungsaufnahme behindern. Vielfach unterschätzt wird nach Einschätzung von Dr. Wirth der Einfluss von Beruhigungsmitteln und anderen Medikamenten auf Appetit und Nahrungsaufnahme. Ob auch die Alzheimer-Medikamente die Energieaufnahme behindern, sei dagegen nicht bekannt.

Ein Gewichtsverlust von Demenzpatienten ist keinesfalls harmlos, warnt Dr. Wirth. Der Abbau von Muskelmasse und Muskelkraft fördere vielmehr die Gebrechlichkeit der Patienten. Ein Zusammenhang sei durch Studien gut belegt. Dr. Wirth fordert deshalb, den Ernährungszustand aller Demenzkranken frühzeitig und regelmäßig zu überprüfen. Spätestens wenn die Patienten ungewollt mehr als fünf Prozent an Körpergewicht verloren haben, müsse aktiv eingegriffen werden. Anfangs helfe eine Beratung der Angehörigen und eine Gestaltung der Umgebung. Die leicht ablenkbaren Demenzpatienten profitieren nach Erfahrung von Dr. Wirth sehr von einer entspannten und beschützten Atmosphäre und der Einnahme der Mahlzeiten in Gesellschaft. Im Seniorenheimen werde allein durch diese Maßnahme oft ein günstiger Effekt auf den Gewichtsverlauf erreicht.

Darüber hinaus rät Dr. Wirt zu Zwischenmahlzeiten mit energiedichten Lebensmitteln. Trinknahrungen mit einem hohen Kaloriengehalt hätten in klinischen Studien das Körpergewicht von Demenzpatienten wirksam gesteigert. Eine Anti-Demenz-Nahrung wurde jedoch noch nicht gefunden. Nachdem Studien zu Einzelnährstoffen wie Folsäure, B-Vitamine oder Omega-3-Fettsäuren keine günstigen Ergebnisse erzielt haben, werden laut Dr. Wirth derzeit Kombinationsgetränke untersucht. Erste Ergebnisse deuten auf eine gewisse Verbesserung des Kurzzeitgedächtnisses hin. Einen Beleg, dass die Nahrung den Verlauf der Erkrankung auf Dauer günstig beeinflusst, gebe es jedoch nicht.

Von einer künstlichen Ernährung rät Dr. Wirth ab: Die klinische Erfahrung zeige, dass die Sondenernährung dementen Patienten mit schlechtem Gesundheitszustand nur selten nütze. Hinzu komme, dass etwa zwei Prozent der Patienten die Operation zur Anlage der Sonde durch die Bauchdecke hindurch nicht überleben würden.


R. Wirth, C. Smoliner.:
Ernährung bei Demenz - Eine Herausforderung für alle Beteiligten.
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2012: 137 (22): S. 1158-1161

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Quelle:
FZMedNews - Montag, 15. Oktober 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Oktober 2012