Helmholtz Zentrum München / Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 12.01.2017
Depressionen schlagen auf das Herz wie Übergewicht und Cholesterin
Depressionen bergen für Männer ein ähnlich großes Risiko für Herzkreislauferkrankungen wie hohe Cholesterinwerte oder Fettleibigkeit. Das berichten Forscher des Helmholtz Zentrums München gemeinsam mit Kollegen der Technischen Universität München (TUM) und des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) im Fachmagazin "Atherosclerosis".
Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO leiden global 350 Millionen Menschen an Depressionen.* Die Krankheit beeinträchtigt aber nicht nur in erheblichem Maße den seelischen Zustand, sondern kann sich auch auf körperliche Prozesse auswirken. "Mittlerweile gibt es kaum einen Zweifel daran, dass Depressionen ein Risikofaktor für Herzkreislauferkrankungen sind", erklärt Karl-Heinz Ladwig. Er ist Gruppenleiter am Institut für Epidemiologie II des Helmholtz Zentrums München und Professor für psychosomatische Medizin am Klinikum rechts der Isar der TU München sowie Wissenschaftler am DZHK. "Die Frage ist eher: in welchem Verhältnis steht die Depression zu anderen Risikofaktoren wie Rauchen, hohen Cholesterinwerten, Fettleibigkeit und Bluthochdruck - was wiegt wie schwer."
Um dieser Frage nachzugehen, untersuchten Ladwig und sein Team die Daten von 3.428 männlichen Patienten im Alter zwischen 45 und 74 und beobachteten deren Verlauf über einen Zeitraum von 10 Jahren. "Die Arbeit basiert auf einem prospektiven bevölkerungsbezogenen Datensatz der MONICA/KORA-Studie*, die mit einer Gesamtlaufzeit von bis zu 25 Jahren zu den wenigen Großstudien in Europa zählt, die solche Analysen ermöglichen", sagt der Statistiker Dr. Jens Baumert vom Helmholtz Zentrum München, der ebenfalls an der Publikation beteiligt ist.
In ihren Untersuchungen verglichen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun die Depression mit den großen vier Risikofaktoren. "Unsere Untersuchung zeigt, dass das Risiko für eine tödliche Herzkreislauferkrankung in Folge einer Depression fast ebenso hoch ist, wie bei zu hohen Cholesterinwerten oder Fettleibigkeit", fasst Ladwig zusammen. Mit einem höheren Risiko sind den Ergebnissen zufolge nur noch Bluthochdruck und das Rauchen verbunden. Über die Bevölkerung betrachtet nimmt der Anteil an durch Depression verursachten Herzkreislauftoden etwa 15 Prozent ein. "Das ist vergleichbar mit den anderen Risikofaktoren wie Hypercholesterinämie, Fettleibigkeit und Rauchen", ordnet Ladwig ein. Hier reiche der Anteil von 8,4 bis 21,4 Prozent.
"Allein durch den langen Beobachtungszeitraum haben wir sehr viel Zeit in diese Arbeit investiert", so Studienleiter Ladwig. Der Aufwand hätte sich aber entsprechend gelohnt: "Unsere Daten zeigen, dass Depressionen eine mittlere Effektstärke innerhalb der großen nicht angeborenen Risikofaktoren für Herzkreislauferkrankungen erreichen." Entsprechend schlägt Ladwig hier Konsequenzen vor: "Bei Hochrisikopatienten sollte die diagnostische Abklärung einer Depression als Begleiterkrankung Standard werden. Das könnte man mit einfachen Mitteln erfassen."
Weitere Informationen
*Quelle: www.who.int/mediacentre/factsheets/fs369/en
** KORA-Studie: Die Kooperative Gesundheitsforschung in der Region
Augsburg (KORA) untersucht seit 30 Jahren die Gesundheit tausender Bürger
aus dem Raum Augsburg. Ziel ist es, die Auswirkungen von Umweltfaktoren,
Verhalten und Genen zu verstehen. Kernthemen der KORA-Studien sind Fragen
zu Entstehung und Verlauf von chronischen Erkrankungen, insbesondere
Herzinfarkt und Diabetes mellitus. Hierzu werden Risikofaktoren aus dem
Bereich des Gesundheitsverhaltens (u.a. Rauchen, Ernährung, Bewegung), der
Umweltfaktoren (u.a. Luftverschmutzung, Lärm) und der Genetik erforscht.
Aus Sicht der Versorgungsforschung werden Fragen der Inanspruchnahme und
Kosten der Gesundheitsversorgung untersucht.
www.helmholtz-muenchen.de/kora
Hintergrund:
Der Zusammenhang zwischen Depressionen und Herz-Kreislauferkrankungen ist
allerdings keine Einbahnstraße, wie frühere Arbeiten von Prof. Ladwig
zeigen. Auch das Erleben einer schweren Herz-Kreislauferkrankung kann zu
Depressionen führen, die wiederum die Genesung der Patienten
beeinträchtigen können.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7905043
Original-Publikation:
Ladwig, KH. et al. (2016): Room for depressed and exhausted mood as a risk
predictor for all-cause and cardiovascular mortality beyond the
contribution of the classical somatic risk factors in men.
Atherosclerosis, doi: 10.1016/j.atherosclerosis.2016.12.003
http://www.atherosclerosis-journal.com/article/S0021-9150(16)31524-6/fulltext
- Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für
Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose,
Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes
mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das
Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des
Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum
München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der
Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und
medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten
angehören.
www.helmholtz-muenchen.de
- Das Institut für Epidemiologie II (EPI II) erforscht die Zusammenhänge von
Umwelt, Lebensstil und Genetik bei der Entstehung von Diabetes, Erkrankungen
des Herzens und der Erhaltung der Gesundheit im Alter. Die Forschung stützt
sich auf die einzigartigen bevölkerungsbasierten KORA-Ressourcen (Kohorte,
Herzinfarktregister, Aerosol-Messstation). Folgestudien innerhalb der Kohorte
ermöglichen die Untersuchung von Frühformen und Komplikationen ausgewählter
chronischer Erkrankungen und deren Verbreitung in der Bevölkerung.
www.helmholtz-muenchen.de/epi2
- Die Technische Universität München (TUM) ist mit mehr als 500 Professorinnen
und Professoren, rund 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und
40.000 Studierenden eine der forschungsstärksten Technischen Universitäten
Europas. Ihre Schwerpunkte sind die Ingenieurwissenschaf-ten,
Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften und Medizin, verknüpft mit
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Die TUM handelt als unternehmerische
Universität, die Talente fördert und Mehrwert für die Gesellschaft schafft.
Dabei profitiert sie von starken Partnern in Wissenschaft und Wirtschaft.
Weltweit ist sie mit einem Campus in Singapur sowie Verbindungsbüros in Brüssel,
Kairo, Mumbai, Peking, San Francisco und Såo Paulo vertreten. An der TUM
haben Nobelpreisträger und Erfinder wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und Rudolf
Mößbauer geforscht. 2006 und 2012 wurde sie als Exzellenzuniversität
ausgezeichnet. In internationalen Rankings gehört sie regelmäßig zu den besten
Universitäten Deutschlands.
www.tum.de
- Das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) gehört zu den
sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG), die der Verbesserung
der Vorsorge, der Diagnose und der Behandlung von Volkskrankheiten
verpflichtet sind. Es wurde 2011 auf Initiative des Bundesministeriums für
Bildung und Forschung (BMBF) gegründet. Das DZHK konzentriert sich darauf,
neue Erkenntnisse aus der Herz-Kreislauf-Forschung schnellstmöglich in die
klinische Praxis zu überführen und bündelt dafür die Expertise führender
deutscher Herzkreislauf-Forscher an sieben Standorten.
https://dzhk.de
Fachlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Karl-Heinz Ladwig
Helmholtz Zentrum München -
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Institut für Epidemiologie II
Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg
E-Mail: ladwig@helmholtz-muenchen.de
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution44
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt
Sonja Opitz, Abteilung, 12.01.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2017
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