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FORSCHUNG/449: Neue Ursache für hohen Blutdruck und Gefäßverkalkung entdeckt (idw)


Veterinärmedizinische Universität Wien - 05.05.2014

Neue Ursache für hohen Blutdruck und Gefäßverkalkung entdeckt



Warum phosphatreiches Essen den Blutdruck erhöhen und Gefäßverkalkungen verursachen kann, haben Forschende der Vetmeduni Vienna herausgefunden. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Hormon FGF23. Es reguliert den Kalzium- und Natriumhaushalt über die Nieren. Ist der FGF23-Spiegel zu hoch, beispielweise durch phosphatreiche Ernährung, reichern sich Natrium und Kalzium an und führen zur Belastung des Herz-Kreislauf Systems. Die Studie erschien heute im Journal EMBO Molecular Medicine.

Stark phosphathaltige Lebensmittel sind beispielsweise Schmelzkäse, Parmesan, aber auch Cola, Backpulver und Fertigprodukte im Allgemeinen. Phosphat wird in der Lebensmittelindustrie vor allem zur Konservierung und Säurestabilisierung verwendet. Zu viel Phosphat stimuliert die Produktion des Hormons FGF23. Forschende vom Institut für Physiologie, Pathophysiologie und Biophysik an der Vetmeduni Vienna haben erstmals gezeigt, dass ein hoher FGF23-Spiegel Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System und die Verkalkung der Blutgefäße hat. "Wieviel Phosphat wir zu uns nehmen, ist also durchaus für unsere Gesundheit relevant", erklärt Reinhold Erben, Leiter des Instituts.

Weltweit leiden mehr als 500 Millionen Menschen an einer chronischen Niereninsuffizienz. In klinischen Studien wurde beobachtet, dass diese PatientInnen häufig Herz-Kreislauf Erkrankungen wie Bluthochdruck und Gefäßverkalkungen entwickeln. Der Zusammenhang zwischen Nierenleiden, dem in den Knochen gebildeten Hormon FGF23 und Herz-Kreislauf Erkrankungen war bisher unklar.

FGF23 steuert Natriumausscheidung und somit den Blutdruck

In der aktuellen Studie im Journal EMBO Molecular Medicine zeigen die Forschenden, dass FGF23 eine sogenannte natriumkonservierende Wirkung hat. Es steuert also die Rückgewinnung von filtriertem Natrium in der Niere. Mäusen, denen FGF23 fehlt, scheiden vermehrt Natrium über den Urin aus. Die Folge ist ein zu niedriger Blutdruck. Sind die FGF23-Werte in den Tieren zu hoch, steigen die Natriumwerte und dann auch der Blutdruck. Außerdem kommt es durch die erhöhten FGF23-Werte zu einer Belastung des Herzens. "In PatientInnen mit chronischer Nierenerkrankung sind die Phosphatwerte wie auch die FGF23-Werte chronisch zu hoch und genau das führt häufig zu Herz-Kreislauf Erkrankungen", erklärt Reinhold Erben.

FGF23 steuert Kalziumausscheidung und somit die Gefäßverkalkung

In einer zweiten Studie, die Erbens Gruppe Mitte Januar im Journal EMBO veröffentlichte, zeigen die WissenschafterInnen, dass FGF23 auch eine kalziumkonservierende Wirkung hat. Kalzium wird genauso wie Natrium über die Nahrung aufgenommen, in der Niere filtriert und wieder rückresorbiert, also wieder in den Körperkreislauf aufgenommen. Funktioniert die Rückresorption nicht, verliert der Körper Kalzium. FGF23 steuert auch diese Rückgewinnung von Kalzium in der Niere. Zu viel FGF23 führt zu vermehrter Rückgewinnung von Kalzium in der Niere und folglich zu Gefäßverkalkungen. "Gerade PatientInnen mit chronischer Niereninsuffizienz leiden häufig an Gefäßverkalkungen. Die zu hohen FGF23-Werte sind teilweise dafür verantwortlich. Unsere Ergebnisse erklären erstmals diesen Zusammenhang", betont Olena Andrukhova, die Erstautorin beider Studien.

Feedback-Loop zwischen Nieren und Knochen

Das Hormon FGF23 (Fibroblast Growth Factor 23) wird im Knochen gebildet und steuert die Ausscheidung von Phosphat über die Nieren. Ist zu viel Phosphat im Körper, steigt der FGF23-Spiegel und führt zur Ausscheidung des überschüssigen Phosphats. Wird zu viel Phosphat über die Nahrung aufgenommen oder funktioniert die Ausscheidung über die Niere nicht richtig, wie zum Beispiel bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung, steigen die Phosphatwerte und die FGF23-Spiegel an. Es entsteht eine gesundheitsgefährdende Spirale mit unterschiedlichen Auswirkungen.

Neuer Stellenwert von FGF23 in der Wissenschaft

Die neu entdeckte Hormonfunktion von FGF23 wurde bis vor kurzem einem anderen Protein, nämlich dem αKlotho, zugeschrieben. Mehrere wissenschaftliche Publikationen gingen bisher davon aus, dass αKlotho der ausschlaggebende Faktor für die kalziumkonservierende Wirkung in der Niere ist. Erben und seine MitarbeiterInnen zeigen in ihren Publikationen erstmals, dass FGF23 diese Funktion besitzt und nicht αKlotho. αKlotho ist jedoch für die FGF23-Wirkungen essentiell, weil es als Ko-Rezeptor für FGF23 agiert. Andrukhova betont: "Das Interesse verlagert sich zunehmend von Klotho hin zu FGF23. Die Höhe des FGF23-Spiegels in NierenpatientInnen gibt sogar Auskunft über deren Lebenserwartung. Mit der Hemmung von FGF23 oder seines Signalwegs könnte man die Herz-Kreislauf-Probleme und Gefäßverkalkungen eventuell in den Griff bekommen."


Der Artikel "FGF23 Regulates Renal Sodium Handling and Blood Pressure" von Olena Andrukhova, Svetlana Slavic, Alina Smorodchenko, Ute Zeitz, Victoria Shalhoub, Beate Lanske, Elena E. Pohl und Reinhold G. Erben wird heuteim Journal EMBO Molecular Medicine veröffentlicht.

Der Artikel "FGF23 promotes renal calcium reabsorption through the TRPV5 channel" von Olena Andrukhova, Alina Smorodchenko, Monika Egerbacher, Carmen Streicher, Ute Zeitz, Regina Goetz, Victoria Shalhoub, Moosa Mohammadi, Elena E. Pohl, Beate Lanske und Reinhold G. Erben wurde am 17.01.2014 im Journal EMBO veröffentlicht.
DOI: 10.1002/embj.201284188

Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Reinhold Erben
Abteilung für Physiologie und Pathophysiologie
Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna)
reinhold.erben@vetmeduni.ac.at

Aussenderin:
Dr.rer.nat. Susanna Kautschitsch
Wissenschaftskommunikation / Public Relations
Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna)
susanna.kautschitsch@vetmeduni.ac.at

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.vetmeduni.ac.at/de/infoservice/presseinformationen/presseinfo2014/fgf23-herz/


Über die Veterinärmedizinische Universität Wien
Die Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna) ist eine der führenden veterinärmedizinischen, akademischen Bildungs- und Forschungsstätten Europas. Ihr Augenmerk gilt der Tiergesundheit und der Lebensmittelsicherheit. Im Forschungsinteresse stehen die Gesundheit von Tier und Mensch sowie Themen der Tierhaltung und des Tierschutzes. Die Vetmeduni Vienna beschäftigt 1.200 MitarbeiterInnen und bildet zurzeit 2.300 Studierende aus. Der Campus in Wien Floridsdorf verfügt über fünf Universitätskliniken und zahlreiche Forschungseinrichtungen. Zwei Forschungsinstitute am Wiener Wilhelminenberg sowie ein Lehr- und Forschungsgut in Niederösterreich gehören ebenfalls zur Vetmeduni Vienna.
www.vetmeduni.ac.at

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1560

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Veterinärmedizinische Universität Wien, Dr. Susanna Kautschitsch, 05.05.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2014