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FORSCHUNG/602: Wie kommt es zu Fehlbildungen des Gesichts? (idw)


Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn - 19.02.2016

Wissenschaftler erforschen Fehlbildungen des Gesichts


Lippen-Kiefer-Gaumenspalten gehören zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen des Menschen. In den meisten Fällen sind hierfür genetische Veränderungen verantwortlich, die zusammen mit Umweltfaktoren zu fehlerhaften Abläufen in der Embryonalentwicklung führen. Eine neue Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe an der Universität Bonn will nun zu einem besseren grundlegenden Verständnis von der Bildung des Gesichts kommen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Projekt in den nächsten fünf Jahren mit 1,4 Millionen Euro.

Die individuelle Ausformung der Gesichtsstrukturen findet in der frühen Embryonalentwicklung statt. Unterschiedliche Genvariationen können zusammen mit Umweltfaktoren zu Fehlbildungen führen. Die verbreitetste ist die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, bei der bereits vor der Geburt entsprechende Strukturen des Gesichts nicht oder nur unvollständig zusammenwachsen. Einer von rund 600 Menschen ist davon betroffen.

"Durch Studien unserer und anderer Arbeitsgruppen sind inzwischen zahlreiche genetische Varianten bekannt, die das Risiko für Lippen-Kiefer-Gaumenspalten erhöhen", sagt Dr. rer. nat. Kerstin Ludwig. "Allerdings sind die Erkenntnisse noch gering, wie diese Erbgutveränderungen in biologische Prozesse eingreifen."

Diesen Zusammenhang untersucht nun eine neue Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe am Institut für Humangenetik der Universität Bonn, die von Dr. Ludwig geleitet und voraussichtlich im April starten wird. "Am Beispiel der Lippen-Kiefer-Gaumenspalten möchten wir verstehen, welche zellulären Mechanismen bei den Betroffenen verändert sind", berichtet die Biotechnologin. In Zusammenarbeit mit Dr. Elisabeth Mangold vom Institut für Humangenetik hat Dr. Ludwig in den letzten Jahren bereits bedeutend zur Aufklärung der genetischen Ursachen dieser Erkrankung beigetragen und verfügt deshalb über einen der weltweit größten genetischen Datensätze. Auf dieser Grundlage möchte die Wissenschaftlerin nun mit molekulargenetischen und bioinformatischen Methoden nach Zusammenhängen zwischen Genen und veränderten biologischen Prozessen suchen.

Untersuchungen am Zebrafisch

Darüber hinaus plant Dr. Ludwig, die so gewonnenen Erkenntnisse an Organismen und Zellsystemen modellhaft zu überprüfen. Zum Beispiel möchte die Biotechnologin zusammen mit Prof. Dr. Benjamin Odermatt vom Institut für Anatomie Untersuchungen am Zebrafisch durchführen. "Bei diesem Modellorganismus findet die Embryonalentwicklung außerhalb der Mutter statt. Daher eignet sich der Zebrafisch besonders für die Untersuchung in frühen Entwicklungsstadien", führt die Nachwuchsgruppenleiterin aus. Deshalb lasse sich an diesem Organismus relativ einfach und über mehrere Tage untersuchen, was im Embryonalstadium aufgrund einer Erbgutänderung in den Zellen passiert.

Dr. Ludwig plant, ihre Konzepte und Methoden aber auch auf andere Fehlbildungen anzuwenden. "Wenn wir die biologischen Ursachen von Fehlbildungen besser verstehen, können wir als Fernziel auch Präventionsmaßnahmen entwickeln", sagt die Wissenschaftlerin. Sollte zum Beispiel eine bestimmte Substanz während der Embryonalentwicklung im Körper nur unzureichend gebildet werden, ließe sich diese vielleicht künstlich zuführen, lautet die Hoffnung. Doch von diesem Ziel sei man noch sehr weit entfernt, meint die Forscherin.

Kerstin Ludwig, Jahrgang 1981, studierte Molekulare Biotechnologie in Dresden und Straßburg. Seit ihrer Promotion, die sie mit summa cum laude abschloss, arbeitet sie am Institut für Humangenetik der Universität Bonn und am Life & Brain Zentrum mit komplexen genetischen Datensätzen sowie modernsten DNA-Analyseverfahren. Die Biotechnologin absolvierte Forschungsaufenthalte in Toronto (Kanada) sowie Uppsala (Schweden) und wurde mit mehreren Preisen und Stipendien ausgezeichnet. Darüber hinaus leitete sie von 2011 bis 2013 eine Nachwuchsgruppe im BONFOR-Programm der Medizinischen Fakultät. Kerstin Ludwig ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Emmy-Noether-Programm soll zum Hochschullehrer qualifizieren

Das renommierte Emmy-Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft soll hochkarätigen Nachwuchswissenschaftlern einen Weg zu früher wissenschaftlicher Selbstständigkeit ebnen. Durch die Leitung einer eigenen Nachwuchsgruppe, die in der Regel fünf Jahre gefördert wird, sollen promovierte Forscher die Befähigung zum Hochschullehrer erlangen.


Weitere Inormationen finden Sie unter
https://www.humangenetics.uni-bonn.de/de/forschung/forschungsprojekte/angeborene-fehlbildungen/kraniofaziale-genomik/kraniofaziale-genomik
Informationen im Internet

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution123

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Johannes Seiler, 19.02.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2016

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