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FORSCHUNG/612: Herz und Niere - Wer schwächelt, zieht den anderen mit ins Verderben (idw)


Universitätsklinikum Würzburg - 08.06.2016

Herz und Niere: Wer schwächelt, zieht den anderen mit ins Verderben


Es ist ein Teufelskreis: Das schwache Herz schwächt die Niere und andersrum. Forscher des Würzburger Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) beschreiben jetzt in einem von drei Übersichtsartikeln der international renommierten Fachzeitschrift "The Lancet" die strukturellen und funktionellen Veränderungen an Herz- und Gefäßsystem bei Dialyse-Patienten, bei denen die Niereninsuffizienz durch Blutwäsche ausgeglichen wird: Die optimale Therapieempfehlung, um den Teufelskreis zu durchbrechen, steht noch aus.

Nierenleiden sind in der klinischen Versorgung mittlerweile zum Alltag geworden. Seit Jahren steigt die Patientenanzahl, die aufgrund von akuter oder chronischer Niereninsuffizienz in Behandlung muss, an. Viele von ihnen werden mit Dialyseverfahren behandelt, wobei das Blut außerhalb des Körpers gefiltert wird, um Gift- und Harnstoffe zu entfernen. Denn dies leistet eine geschwächte Niere nicht mehr ausreichend. "Der Rückgang der Nierenfunktion hat weitreichende gesundheitliche Folgen. So altern Herz und Gefäßsystem beispielsweise rapide", erklärt Professor Christoph Wanner, Nierenspezialist des Universitätsklinikums Würzburg, unter dessen Dach das DZHI forscht und behandelt. "Vor allem auch bei jungen niereninsuffizienten Dialysepatienten kommen Gefäßverkalkungen oder Herzwandverdickungen vor, was typisch für ältere Patienten ist." Grund hierfür: bei der Blutwäsche wird nur eine bestimmte Fraktion von Giften entfernt. Die restlichen Toxine führen zu Überwässerung, wodurch sich dann Bluthochdruck und anderen kardiologische Erkrankungen letztendlich manifestieren.

Die Therapie der Betroffenen gestaltet sich schwierig, denn die Belastung durch Mehrfacherkrankung macht die Auswahl geeigneter Medikamente oder anderer Interventionen hochkomplex. So beschränkt sich der Einfluss der Niereninsuffizienz nicht allein auf das Herzkreislaufsystem, sondern wirkt auch in die Physiologie von Muskeln und Skelett ein, was die Arzneimittelauswahl und Dialysestrategie beeinflusst. "Kardioprotektive, also herzschützende Dialysestrategien sind bislang noch nicht umfassend erforscht", erläutert der Nephrologe. Bislang gäbe es auch keine pharmakologischen Wirkstoffe, die für beide Erkrankungen gleichermaßen Linderung oder zumindest keine Verschlechterung des einen oder anderen Zustandes herbeiführen. Viel Forschungsarbeit sei also noch zu leisten, so der Universitätskliniker. "Für Forschung und Behandlung von Herz und Niere bei Dialysepatienten kommt nun erschwerend hinzu, dass die kardiologischen Erkrankungen der Dialysepatienten symptomatische Unterschiede aufweisen können zu Nicht-Dialysepflichtigen Herz- und Gefäßpatienten. Wir benötigen also neue klinische Studien mit dieser speziellen Patientengruppe."

Bis diese Studien erste Ergebnisse zeigen, wird noch viel Zeit vergehen. Der Herz- und Nierenarzt empfiehlt daher für jetzige Dialysepatienten eine konkrete Vorgehensweise, Herzen und Blutgefäße schont. "Die Literatur zeigt, dass entweder länger andauernde Dialysesitzungen oder aber kürzere und häufigere Sitzungen herzgesünder sind. Hier sollten die Versorgerteams im Klinikalltag umdenken. Die Dialysesitzungen werden häufig noch nach anderen Kriterien durchgeführt."


Orginalpublikation
Wanner, Christoph et al. The heart and vascular system in dialysis. The Lancet. Published online May 22,2016.
http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(16)30508-6

Weitere Informationen finden Sie unter
http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(16)30508-6

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1764

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsklinikum Würzburg, Sabine Kluge, 08.06.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juni 2016

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