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HERZ/527: Zufriedenheit scheint vor Herzkrankheiten zu schützen (ESC)


European Society of Cardiology (ESC) - 8. Juli 2011

Zufriedenheit scheint vor Herzkrankheiten zu schützen

Je höher die Zufriedenheit, desto größer der Schutz


Depressionen und Angststörungen gelten schon lange als erwiesene Risikofaktoren für Herzkrankheiten, doch bisher war nicht klar, ob eine positive Grundeinstellung auch umgekehrt das Risiko für derartige Erkrankungen mindern kann. Nach Abschluss einer Studie an fast 8.000 britischen Beamten sind sich Wissenschaftler jedoch sicher, dass ein zufriedenstellendes Leben gut fürs Herz ist.

Die Ergebnisse der Studie wurden heute online in der Fachzeitschrift European Heart Journal veröffentlicht. (1)

Die Beamten - allesamt Mitglieder der britischen Whitehall II-Studienkohorte mit einem Durchschnittsalter von 49 Jahren (2) - wurden zu sieben bestimmten Bereichen ihres alltäglichen Lebens befragt: Liebesbeziehungen, Freizeitaktivitäten, Lebensstandard, Arbeit, Familie, Sexualleben und Selbstbild. Die Teilnehmer wurden gebeten, ihre Zufriedenheit in jedem Bereich auf einer Skala von 1 (sehr unzufrieden) bis 7 (sehr zufrieden) anzugeben. Die Bewertungen für jeden Bereich wurden zudem kombiniert, um einen durchschnittlichen Zufriedenheitsindex für das Leben insgesamt zu errechnen.

Über einen darauffolgenden Zeitraum von sechs Jahren wurde ermittelt, wie häufig bei den Teilnehmern Todesfälle durch koronare Herzkrankheit (KHK), nicht tödlich verlaufende Herzinfarkte und klinisch nachgewiesene Angina pectoris auftraten.

Die Ergebnisse der Untersuchung ließen den Schluss zu, dass eine höhere durchschnittliche Zufriedenheit mit dem eigenen Leben zu einem (statistisch signifikant) geringeren Risiko für KHK von 13 % (HR 0,87; 95 % CI 0,78-0,98) führt - nach Überprüfung auf demografische und andere gesundheitliche Faktoren. Ein um 13 Prozent geringeres Risiko für eine Herzkrankheit wurde zudem mit Zufriedenheit in vier der angegebenen Lebensbereiche - Arbeit, Familie, Sexualleben und Selbstbild - in Zusammenhang gebracht, nicht jedoch mit Liebesbeziehungen, Freizeitaktivitäten oder dem Lebensstandard. Die Senkung des KHK-Risikos insgesamt konnte sowohl bei Frauen als auch Männern verzeichnet werden.

Beobachtet wurde zudem eine regelrechte 'Dosis-Wirkungs-Kurve', d.h. diejenigen Teilnehmer mit der höchsten durchschnittlichen Lebenszufriedenheit profitierten von der deutlichsten Risikominderung für KHK. Bei der Untersuchung des Zusammenhangs von durchschnittlicher Lebenszufriedenheit und tödlich und nicht tödlich verlaufendem Herzinfarkt ohne Angina pectoris war eine Risikominderung nur mit Angina pectoris zu verzeichnen, sodass sich daraus der Rückschluss erlaubt, dass dieser Faktor als Verbindung zwischen Lebenszufriedenheit und koronarer Herzkrankheit angesehen werden kann. Die Ergebnisse könnten auf das relativ junge Alter der Studienteilnehmer zurückgeführt werden oder auch auf den Umstand, dass die Lebenszufriedenheit mit einem generellen Risiko für Atherosklerose zusammenhängt, nicht aber mit Faktoren, die einzelne Individuen für einen Herzinfarkt prädisponieren. Nichtsdestotrotz schlagen die Autoren vor, dass eine psychologische Einschätzung von Patienten mit Angina pectoris eine wertvolle Hilfestellung bei der Bewertung des künftigen Risikos für eine Herzerkrankung leistet.

Insgesamt lässt die Studie den Wissenschaftlern zufolge darauf schließen, dass die Zufriedenheit mit bestimmten Lebensbereichen - insbesondere Arbeit, Familie, Sexualleben und Selbstbild - einen positiven Einfluss auf die Gesundheit ausübe und unabhängig von klassischen Risikofaktoren zu einem selteneren Auftreten von koronarer Herzkrankheit führe.

Wissenschaftlerin Dr. Julia Boehm vom Department of Society, Human Development and Health der Harvard School of Public Health, Boston, USA, weist darauf hin, dass - auch wenn konventionelle Risikofaktoren wie Lebensstil, Blutdruck, Lipidwerte und der Body Mass Index nicht den Zusammenhang zwischen Lebenszufriedenheit und KHK erklärten - andere vor KHK schützende Verhaltens- oder Biomechanismen nicht ausgeschlossen werden dürften. Viel mehr noch legten diese Ergebnisse nahe, dass Maßnahmen zur Unterstützung einer positiven Lebenseinstellung, und nicht nur Maßnahmen zur Verbesserung einer negativen psychischen Verfassung, bei Hochrisikopatienten von Bedeutung sein könnten.



Fußnoten:

(1) Boehm JK, Peterson C, Kivimaki M, Kubzansky LD.
Heart health when life is satisfying: evidence from the Whitehall II cohort study.
Eur Heart J 2011; doi:10.1093/eurheartj/ehr203

(2) Die Whitehall-Studienkohorte bestand anfänglich aus 10.308 britischen Beamten, die zwischen 1985 und 1988 (Phase 1) untersucht wurden. Phase 3 (1991-94) diente als Baseline für die aktuelle Studie, bei der die Zufriedenheit mit bestimmten Lebensbereichen gemessen wurde. Die Finanzierung der Whitehall II-Studie erfolgt mit Unterstützung des Medical Research Council, der British Heart Foundation, der Stroke Association, dem National Institute on Aging und dem National Heart Lung and Blood Institute. Das gegenwärtige Forschungsprojekt wurde zudem von der Robert Wood Johnson Foundation unterstützt.


Hintergrund:

Das European Heart Journal ist das offizielle Fachjournal der European Society of Cardiology.
http://eurheartj.oxfordjournals.org/

Kardiovaskuläre Erkrankungen, insbesondere die koronare Herzkrankheit, sind die hauptsächliche Todesursache in Europa und für 38 % der Todesfälle von Männern und 45 % der Todesfälle von Frauen verantwortlich.

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Die European Society of Cardiology (ESC) vertritt über 70.000 Kardiologen aus ganz Europa und dem Mittelmeerraum. Ihre Zielsetzung ist die Senkung der Auswirkungen kardiovaskulärer Erkrankungen in Europa.

Weitere Informationen zu dieser Pressemitteilung und eine PDF-Datei der Publikation erhalten Sie von der Pressestelle der ESC unter:
press@escardio.org


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Quelle:
European Society of Cardiology (ESC)
Pressemitteilung vom 8.7.2011
Pressestelle
Telefon: +33 48987 2044
E-Mail: press@escardio.org
Internet: www.escardio.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2011