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HERZ/834: Blutdruckwerte nach SPRINT - Neue Studien verunsichern (Deutsche Hochdruckliga)


Deutsche Hochdruckliga e.V. (DHL®) Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention - 28. Januar 2016

Blutdruckwerte nach SPRINT: Neue Studien verunsichern

Hochdruckliga rät zu individueller Therapie


Heidelberg - Neue Erkenntnisse aus zwei großen Studien zu Bluthochdruck verunsichern Patienten und auch Ärzte. Denn die SPRINT-Studie und eine Studie der Universität Oxford legen eine Blutdrucksenkung auf einen oberen Zielwert von 120 nahe. Das gilt aber nur für bestimmte Patienten. Die Studienergebnissen dürfen nicht einfach verallgemeinert werden, betont die Deutsche Hochdruckliga e.V. (DHL). Die Fachgesellschaft rät dazu, besonnen zu reagieren anstatt die Behandlung kurzfristig zu ändern. Ärzte sollten ihre Patienten individuell betrachten, um sich gemeinsam mit jedem einzelnen für die geeignete Therapie zu entscheiden.

Eine in The Lancet publizierte Metaanalyse des George Insitute for Global Health und der University of Oxford bezog die Daten von mehr als 600.000 Patienten aus über 120 Studien zu Bluthochdruck ein. Ziel war es zu verstehen, inwieweit ein niedrigerer Blutdruck Herz-Kreislauf-Krankheiten vorbeugt. Das Ergebnis legt nahe, dass eine Senkung des oberen, des systolischen Wertes auf unter 130 mmHg ratsam sei: unabhängig vom Ausgangswert gab es 27 Prozent weniger Schlaganfälle und 13 Prozent weniger Sterbefälle, wenn Patienten ihren Blutdruck dauerhaft um 10 mmHg senken. Die Autoren fordern daher eine blutdrucksenkende Therapie für alle Patienten mit kardiovaskulärem Risiko - also einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall, auch weit unter die bislang gültige Grenze von 140 mmHg

Zuletzt sprachen auch die Ergebnisse der SPRINT-Studie (Systolic Blood Pressure Intervention Trial) für einen Zielwert von 120 mmHg. Hier suchten die Forscher nach dem geeigneten Zielblutdruck für Bluthochdruckpatienten mit einem hohen kardiovaskulären Gesamtrisiko. Diabetiker waren davon ausgeschlossen. Der Vergleich zweier Patientengruppen - mit Blutdrucksenkung auf unter 120 mmHg beziehungsweise 134,6 mmHg - ergab etwas bisher Ungekanntes: In der Gruppe mit dem medikamentös intensiv abgesenkten Blutdruck starben 25 Prozent weniger Patienten an Schlaganfall oder Herzinfarkt.

Deshalb diskutieren Experten derzeit, ob andere Zielwerte für Bluthochdruckpatienten gelten müssen. Professor Dr. med. Martin Hausberg, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga, weist dies zurück: "Die Studienergebnisse dürfen nicht einfach auf alle Hochdruckpatienten übertragen werden." Das SPRINT-Fazit einer Blutdrucksenkung unter 120 mmHg, gelte nur für bestimmte Patienten: Menschen mit hohem kardiovaskulären Risiko, aber ohne Diabetes mellitus, nicht nach einem Schlaganfall oder bei orthostatischer Hypotonie, also wenn der obere Blutdruckwert im Stehen plötzlich abfällt. Patienten mit diesen Erkrankungen waren aus der SPRINT-Studie explizit ausgeschlossen. Hinzu kommt: "In Betracht gezogen werden müssen unbedingt auch die Nebenwirkungen, die in der SPRINT-Vergleichsgruppe stärker aufgetreten waren, bei der der Blutdruck um 120 mmHg gesenkt worden war," sagt Professor Hausberg. Zu diesen zählen beispielsweise akutes Nierenversagen und Herzinsuffizienz. "Senkt man den Bluthochdruck intensiv, müssen die Patienten hinsichtlich der Nebenwirkungen engmaschig kontrolliert werden," betont der Experte.

Gemäß der bislang geltenden Behandlungsleitlinien der European Society of
Hypertension (ESH) liegt der Zielwert für den oberen Blutdruckwert bei
maximal 140 mmHg, der untere, diastolische Wert bei 90 mmHg. Eine weitere
Senkung galt bislang nicht als ratsam, da bei einer zu starken Senkung das
Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wieder leicht ansteigt - die Experten
sprechen in Bezug auf diesen Effekt von einer sogenannten J-Kurve. "Wir
müssen abwarten, ob sich die Ergebnisse beider Studien weiter bestätigen",
erklärt Professor Hausberg. "Auch die Rolle, die die eingesetzten Medikamente
für den Behandlungserfolg spielen, ist noch nicht klar." Dass es aber nötig
ist, die Behandlungsleitlinien anzupassen, halte er für wahrscheinlich.
Vorerst rät die DHL dazu, wie bisher jeden Patienten individuell und mit dem
Blick auf den ganzen Menschen zu behandeln und den Blutdruck nicht vorschnell
stärker zu senken. Eine Intensivierung der medikamentösen Behandlung um sehr
niedrigen Zielwerte zu erreichen, erfordere zudem neben der engmaschigen
ärztlichen Kontrolle ein verbessertes sektorenübergreifendes Zusammenwirken.

Quellen:
https://www.hochdruckliga.de/stellungnahme/items/stellungnahme-zu-den-ergebnissen-der-sprint-studie.html

Ambrosius WT et al., The design and rationale of a multicenter clinical trial comparing two strategies for control of systolic blood pressure: the Systolic Blood Pressure Intervention Trial (SPRINT). Clin Trials. 2014 Oct;11(5):532-46

ETTEHAD D, Emdin CA, Kiran A, Anderson SG, et al, Blood pressure lowering for prevention of cardiovascular disease and death: a systematic review and meta-analysis. Lancet. 2015 Dec 23. pii: S0140-6736(15)01225.


Über die Deutsche Hochdruckliga DHL® - Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention

Die Deutsche Hochdruckliga e.V. DHL® bündelt die Expertise zur arteriellen Hypertonie in Deutschland. Gegründet 1974, engagiert sie sich seitdem für eine bessere Versorgung von Menschen mit Bluthochdruck. Weltweit bleibt Bluthochdruck die größte Gefahr für die Gesundheit. Deshalb verfolgt die DHL® das Ziel "30-50-80": Jeder Mensch ab 30 Jahren sollte seinen Blutdruck kennen. Ab 50 sollte der Blutdruck bei jedem kontrolliert und gut eingestellt sein. Menschen mit 80 sollten nicht an Folgeschäden des Bluthochdrucks wie Schlaganfall oder Herzinfarkt leiden.

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Quelle:
Deutsche Hochdruckliga e.V. (DHL®)
Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention
Pressemitteilung vom 28. Januar 2016
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70451 Stuttgart
Telefon: 0711 8931-605, Fax: 0711 8931-167
E-Mail: priester@medizinkommunikation.org
Internet: www.hochdruckliga.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2016

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