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INFEKTION/1217: Zecken - Studie zeigt Verbreitung infizierter Zecken im Rhein-Main-Gebiet (idw)


Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen - 25.06.2013

Was Zecken in sich verstecken: Studie zeigt Verbreitung infizierter Zecken im Rhein-Main-Gebiet



Frankfurt, 25.6.2013 Das regionale Infektionsrisiko zeckenübertragener Krankheiten wird bisher daran abgeschätzt, wie viele Krankheitsfälle in den Vorjahren in der Region auftraten. Untersuchungen darüber, wie viele Zecken die Erreger von Lyme-Borreliose oder Frühsommer-Meningoenzephalitis in sich tragen, fehlten in Hessen dagegen. Wissenschaftler des Biodiversität und Klima Forschungszentrums und des Klinikums der Goethe-Universität sammelten und analysierten deshalb Tausende von Zecken im Rhein-Main-Gebiet. Ihre im Fachmagazin Ticks and Tick-borne Diseases veröffentlichte Studie zeigt: Der Main ist eine Barriere zwischen unterschiedlich belasteten Gebieten.

Zwei Krankheiten, zwei Erreger: Beide kann eine damit infizierte Zecke beim Stich auf ihren Wirt übertragen. Während die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), eine Form der Hirnhautentzündung, von einem Virus verursacht wird, ist Borreliose die Folge einer Infektion mit einem Bakterium der Gattung Borrelia. Borreliose äußert sich zunächst meist durch einen ringförmigen Hautausschlag, kann aber auch eine Reihe weiterer Krankheitserscheinungen und Komplikationen verursachen.

Wo sich Mensch und Zecke treffen

Obwohl es Zecken überall in Mitteleuropa gibt, treten Krankheitsfälle des Menschen sehr unterschiedlich verteilt auf. Als Risikogebiete gelten Landkreise, in denen in den Vorjahren Erkrankungen beim Menschen aufgetreten sind. Doch das eigentliche Risiko steckt in den Zecken selbst. Der Anstieg der zeckenübertragenen Krankheiten - mit in Deutschland geschätzten bis zu 100.000 Borreliose-Neuinfektionen im Jahr - macht es nötig, mehr über die Verbreitung und das Leben der Zecken zu erfahren, vor allem über ihr Potenzial als sogenannte Vektoren für Zoonosen, also als Überträger vom Tier auf den Menschen übertragbarer Krankheiten."Das Risiko einer Ansteckung ist dort hoch, wo viele Menschen draußen unterwegs sind und auf mit den Erregern befrachtete Zecken treffen", erläutert Entomologe Dr. Jens Amendt.

Also ist es wichtig, zu wissen, wie belastet die Zecken wirklich sind. Die Wissenschaftler des Biodiversität und Klima Forschungszentrums (BiK-F) und des Klinikums der Goethe-Universität Frankfurt haben daher Zecken aus dem Ballungsgebiet Rhein-Main gesammelt. Insgesamt 12.497 Zecken der Art Ixodes ricinus, des Gemeinen Holzbocks, streiften sie aus der Vegetation heraus. Die gesammelten Zecken wurden nach Entwicklungsstadium geordnet und einzeln oder gruppenweise auf potenziell ansteckende Fracht untersucht.

Von den neun Untersuchungsgebieten der Studie gelten vier als Risiko-Gebiete für die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Nur in diesen Risikogebieten enthielt ein kleiner Teil der Proben (0,08%) auch das FSME verursachende Virus. Die Erreger der Borreliose, Bakterien des Borrelia-burgdorferi-Komplexes, kamen dagegen in allen Untersuchungsgebieten vor; insgesamt wurden sie in 9,5% der infizierten Zecken gefunden. Die bei weitem häufigste Art unter den fünf nachgewiesenen Borrelien-Spezies war mit 81,3% Borrelia afzelii.

Main als natürliche Barriere

"Wenn man die regionale Verteilung betrachtet, waren südlich des Mains deutlich mehr Zecken positiv für Borrelia-Arten als nördlich davon", sagt Dr. Ulrich Kuch vom Biodiversität und Klima Forschungszentrum. "Der Main stellt also eine natürliche Barriere dar." Das kann daran liegen, dass Flüsse für die Wirtstiere - mit Ausnahme von Vögeln und Fledermäusen - ein kaum überwindbares Hindernis sind, das auch die Zecken und die in Wirt und Zecke transportierten Krankheitserreger an der Ausbreitung hindert.

"Als nächstes muss nun geklärt werden, welche Tiere im Rhein-Main-Gebiet vor allem als Reservoir für Borrelien und andere Krankheitserreger Bedeutung haben. Ein besseres Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Wirt-Überträger-Pathogen, Umwelteinflüssen und menschlicher Aktivität kann letztlich auch helfen, bessere Strategien zur Eindämmung von Krankheiten zu entwickeln", stellt Amendt in Aussicht.


Publikation:
Bingsohn L, Beckert A, Zehner R, Kuch U, Oehme R, Kraiczy P, Amendt J (2013):
Prevalences of tick-borne encephalitis virus and Borrelia burgdorferi sensu lato in Ixodes ricinus populations of the Rhine-Main region, Germany. Ticks and Tick-borne Diseases (2013),
http://dx.doi.org/10.1016/j.ttbdis.2012.11.012


Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte:

Dr. Jens Amendt
Institut für Rechtsmedizin
Forensische Biologie/
Entomologie
Kennedyallee 104
60596 Frankfurt am Main
amendt@em.uni-frankfurt.de

oder

Dr. Ulrich Kuch
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F),
Emerging and Neglected Tropical Diseases Unit
ulrich.kuch@senckenberg.de

oder

Dr. Julia Krohmer
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F)
Transferstelle
julia.krohmer@senckenberg.de


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Wissenschaftlerin auf Zeckenjagd


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LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Frankfurt am Main
Mit dem Ziel, anhand eines breit angelegten Methodenspektrums die komplexen Wechselwirkungen von Biodiversität und Klima zu entschlüsseln, wird das Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F) seit 2008 im Rahmen der hessischen Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) gefördert. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und die Goethe Universität Frankfurt sowie weitere direkt eingebundene Partner kooperieren eng mit regionalen, nationalen und internationalen Akteuren aus Wissenschaft, Ressourcen- und Umweltmanagement, um Projektionen für die Zukunft zu entwickeln und wissenschaftlich gesicherte Empfehlungen für ein nachhaltiges Handeln zu geben. Mehr unter
www.bik-f.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution639

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, Sabine Wendler, 25.06.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juni 2013